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Maßnahmen zum Herdenschutz
Wölfe ernähren sich zu über 95% von Wildtieren wie Rehen, Wildschweinen und Hirschen. Als Opportunisten sind sie darauf aus, mit möglichst wenig Energieaufwand Beute zu machen. Wenn sie auf ungeschützte Weidetiere treffen, sind diese für sie wesentlich einfacher zu erlegen als Wildtiere. Herdenschutzmaßnahmen erschweren Wölfen die Jagd und sollen sie davon abbringen, Nutztiere anzugreifen.
Elektrozäune, Herdenschutzhunde und Behirtung
Dort, wo Wölfe wieder dauerhaft leben, unterstützt die Landesregierung Tierhalter*innen bei der Anschaffung solcher Maßnahmen – jedoch variieren die Förderungen von Land zu Land. In manchen Ländern werden Materialien gefördert, in anderen auch der zusätzliche Arbeitsaufwand.
Herdenschutz muss präventiv eingesetzt werden, damit Wölfe gar nicht erst lernen, Weidetiere als Beute zu sehen und Schäden von vornherein vermieden werden. Da sich Wölfe potenziell wieder in allen Flächenbundesländern ansiedeln werden, fordert der NABU die flächendeckende Förderung von Herdenschutz – also nicht nur dort, wo Wölfe bereits leben.
Schutzzäune – Mit Strom gegen Wölfe
Herdenschutz funktioniert nur, wenn die Tiere vollständig eingezäunt sind. Elektrozäune zählen deshalb zu den wichtigsten Schutzmaßnahmen. Stromführende Weidenetze beispielsweise müssen bis zum Boden reichen. Wölfe graben sich eher unter einem Hindernis durch, als drüber zu springen – auch, wenn sie dazu körperlich in der Lage wären. Auch bei Litzenzäunen ist der geringe Abstand zum Boden essentiell: Die erste stromführende Litze sollte bereits in 20 cm Höhe gespannt sein. Wenn Wölfe untersuchen, an welcher Stelle sie sich unter einem Zaun durchgraben können, müssen sie zwangsläufig mit der Schnauze oder dem Kopf die untere stromführende Litze berühren. Bei gutem Stromfluss bekommen sie „eine gewischt“ – und das hinterlässt Eindruck. Erfährt ein Wolf wiederholt diesen negativen Schmerzreiz, lehrt ihn der Stromzaun, Abstand zur Weide zu halten. Auch die restlichen Litzen müssen elektrifiziert sein, sodass ein Durchsteigen des Wolfes verhindert wird.
Bei den meisten Wölfen genügt ein gut installierter Grundschutz, z.B. in Form von 90 cm oder 106 cm hohen elektrifizierten Zäunen, welche gegebenenfalls auf 120 cm erhöht werden können. Zäune für Gehegewild sind an sich schon mindestens 180 cm hoch. Da Wölfe gute Kletterer sind, sollte oberhalb des Zaunes eine elektrifizierte Litze zur Abwehr gezogen werden. Zudem muss auch hier das Untergraben verhindert werden. Dazu kann eine Stromlitze in 20 cm Höhe vor dem Zaun angebracht werden. Auch ein Drahtnetz bzw. eine Drahtmatte eignen sich: diese werden mit dem Zaun verknüpft und entweder vor dem Zaun horizontal oder unter dem Zaun vertikal eingegraben.
Aber Achtung: Effektiver Herdenschutz ist eine komplexe Angelegenheit. Jede Weidefläche ist anders, deshalb sollten Weidetierhaltende Lösungen für die jeweilige Fläche individuell mit erfahrenen Herdenschutzberater*innen besprechen. Herdenschutz kann keine hundertprozentige Garantie bieten, Risse vollkommen zu verhindern: Wenn der Storm absinkt, oder ein Zaun z.B. durch Wildtiere oder Sturm beschädigt wird, ist der Schutz nicht mehr gewährleistet. Auch gibt es zwar selten, aber immer wieder besonders schlaue Wölfe, die Wege finden, Schutzzäune zu überwinden. Herdenschutz minimiert die Risse jedoch signifikant und nachhaltig. Ziel muss es sein, Herdenschutz-Maßnahmen abweisend zu gestalten, ohne den Mehraufwand für die Halter*innen über ein praktikables Maß zu treiben.
Herdenschutzhunde – Spezialisten im Einsatz
Im Gegensatz zu Hütehunden, die Schafe oder Ziegen zusammenhalten sollen, schützen Herdenschutzhunden die ihnen anvertrauten Herden vor Eindringlingen. In Frage kommen dafür große und kräftige Arbeitshunde, wie zum Beispiel Pyrenäenberghunde, Maremmanos oder Kangals.
Doch die Rasse allein macht noch keinen Herdenschutzhund aus: Charakter und Lernvermögen sind entscheidend. Deshalb beginnt die Ausbildung dieser Hunde so früh wie möglich. Die Hunde wachsen in der Regel eng bei den Weidetieren auf. Halter*innen müssen erfahren sein und wissen, wie sie mit den Tieren richtig umgehen und sie erziehen. Grundsätzlich sind Herdenschutzhunde sehr eigenständig. Sie orientieren sich vor allem an anderen erfahrenen Herdenschutzhunden, die ihnen als Mentoren dienen. Daher ist es auch empfehlenswert, einem Team aus jungen Herdenschutzhunden nicht die alleinige Verantwortung für eine Herde zu überlassen, sondern immer ältere und jüngere Tiere zu kombinieren. Sie sind an Hütehunde und die Hirt*innen gewöhnt – anderen Vier- und Zweibeinern gegenüber sind sie oft eher skeptisch. Trotzdem müssen auch sie den Besuch beim Tierarzt oder das Laufen an der Leine lernen und beherrschen.
Während ihres Einsatzes befinden sie sich die Hunde die ganze Zeit bei der Herde. Sie sind speziell für diese Ansprüche gezüchtet. Ihr dickes Fell schützt sie z.B. vor Kälte und Regen. Einen natürlichen Witterungsschutz, auch vor Sonne, benötigen sie jedoch trotzdem, wie auch die Weidetiere. Herdenschutzhunde sind stark territorial, das heißt sie verteidigen ihre Weide. Ausbüchsen dürfen sie nicht, deshalb wird ihnen abtrainiert, über den Zaun zu springen. Sie sollen von der Weide aus mit lautem Bellen jeden Störenfried abwehren und – falls dies bei Wölfen nicht ausreichen sollte und sie die Weide betreten – gegebenenfalls angreifen. Gut ausgebildete Herdenschutzhunde bleiben innerhalb der Abzäunung ihrer Herde.
Fußgänger*innen werden so zwar unter lautem Gebell am Zaun entlang begleitet, aber nicht angegriffen. Sind Herdenschutzhunde auf der Weide im Einsatz, greifen Wölfe in der Regel nicht an, da sie kämpferische Auseinandersetzungen vermeiden, um selbst keine Verletzungen zu riskieren.
Kompensationszahlungen
Sollten Wölfe trotz vorhandener Schutzmaßnahmen oder in neu besiedelten Gebieten Nutztiere reißen, bekommen Landwirt*innen einen Schadensausgleich. Die Höhe ist in den Wolfsmanagementplänen oder den entsprechenden Förderrichtlinien der Länder geregelt. Voraussetzung ist, dass sogenannte Rissgutachter*innen die toten Nutztiere untersuchen und feststellen, dass es sich beim Verursacher tatsächlich um einen Wolf gehandelt hat, oder dies nicht ausgeschlossen werden kann. Erst dann zahlt das Land den Marktwert des Tieres.
Einheitliche Regelungen für die Förderung von Herdenschutzmaßnahmen, die Rissbegutachtung und den Schadensausgleich gibt es nicht. Der NABU nimmt die Sorgen der Nutztierhaltenden sehr ernst und setzt sich zum Beispiel auf politischer Ebene für eine umfangreiche Unterstützung ein. Neben dem Material für Zäune und dem Kauf von Herdenschutzhunden muss vor allem der Arbeitsaufwand für deren Betreuung und Pflege erstattet werden. 2021 wurde das Bundeszentrum Weidetiere und Wolf eingerichtet, das sich derzeit im Aufbau befinden. Hintergrundinformationen zu Zielen und Aufgaben des BZWW erfahren Sie hier www.bzww.de.
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