Europäischer Grauwolf in Deutschland - Foto: Heiko Anders
Die Wölfe der zentraleuropäischen Flachlandpopulation stehen vor sehr unterschiedlichen Herausforderungen. Während in Deutschland das Wachstum der freilebenden Wolfspopulation langsam abflacht, gibt es Wölfe in Belgien und den Niederlanden erst seit 2018/19. In Dänemark beweisen die Wölfe besondere Anpassungsfähigkeit an ihren Lebensraum. Und auch in Polen zeigt sich eine Besonderheit: Hier werden keine Wölfe gejagt, obwohl sie dort in Anhang V der FFH-Richtlinie gelistet sind, und somit eine gewisse „Nutzung“ unter strengen Auflagen möglich wäre.
Die Benelux-Staaten haben nach der Ankunft der jeweils ersten Wölfe direkt damit begonnen, Management-Pläne zu entwickeln und Interessengruppen zu informieren und mit einzubinden – 2018 in den Niederlanden, 2019 in Belgien. In den Niederlanden leben im Monitoringjahr 2020/21 ein Rudel, ein Paar und zwei sesshafte Einzeltiere, in Belgien ein Rudel und ein Paar. Interessant ist, dass in den Benelux-Staaten die Alpen- und die Zentraleuropäische Population aufeinandertreffen und sich mischen könnten. Das wäre aus Sicht des Artenschutzes wünschenswert. Zumindest ein sesshafter Einzelwolf in Limburg trägt den Haplotyp 22 – dieses genetische Merkmal ist typisch für Wölfe aus den Alpen. Ansonsten sind alle bekannten dortigen Wölfe aus Deutschland zugewandert.
Der Managementplan ist vor allem auf die Landwirtschaft und das Verhindern/Verringern von Nutztierrissen gerichtet. Dies geschieht unter anderem durch das Genehmigen von Fördergeldern für wolfsabweisenden Herdenschutz, die Verbreitung von sachlichen Informationen (z.B. Info-Abenden, Info-Broschüren etc.), Ausgleichzahlungen für Risse und die Zusammenarbeit mit dem „Wolf Fencing Team“.
Es gibt ein intensives Monitoring der Niederländischen und Flämischen Wölfe. In Flandern oder den Niederlanden gibt es keine Wolfsquote, es ist keine Jagd auf Wölfe zugelassen. Allerdings gibt es seit 2021 ein Protokoll für Wölfe mit problematischem Verhalten. Darin ist angegeben, unter welchen Umständen ein Wolf legal getötet werden dürfte. Dies war bis heute allerdings noch nicht nötig.
Durch den frühen Beginn von Informationsarbeit und Stakeholder-Gesprächen, sowie der Bereitstellung von Fördermitteln ist die Akzeptanz in den Ländern relativ hoch, auch wenn den Herausforderungen begegnet werden muss.
Quellen: Koen Driesen, Referent Natur und Wald (ANB) der Flämischen Regierung https://www.natuurenbos.be/de-wolf-in-vlaanderen, Ellen van Norren, Projektleiterin Zoogdiervereniging/Dutch Mammal Society www.zoogdiervereniging.nl www.wolveninnederland.nl, Länderübergreifende Karte der Benelux-Staaten und Deutschland: https://wolvesmap.zoogdiervereniging.nl/?locale=nl
Stand: April 2022
Die Akzeptanz von Wölfen in Deutschland ist nach wie vor hoch. Das zeigt eine repräsentative Umfrage, die der NABU anlässlich des Tages des Wolfes am 30. April in Auftrag gegeben hat. Insgesamt 77 Prozent der Befragten finden es erfreulich, dass Wölfe wieder hier leben. Mehr →
In Dänemark waren Wölfe für knapp 200 Jahre ausgerottet. Der erste neuere, sichere Nachweis eines (toten) Wolfes wurde 2012 erbracht. 2021 wurden 15 Wölfe gemonitort: Ein Rudel mir vier Welpen, zwei Paare und vier sesshafte Einzelwölfe. Die meisten dieser Wölfe sind über Schleswig-Holstein eingewandert aus Deutschland, nur wenige wurden in Dänemark geboren.
Dänemark – das Bermudadreieck für Wölfe?
Was direkt zu einer nun wissenschaftlich untersuchten Auffälligkeit führt: Wo sind die jungen Wölfe Dänemarks abgeblieben? Auffallend viele Wölfe, die in Dänemark nachgewiesen wurden, verschwanden schnell, ohne dass z.B. ein totes Tier gefunden oder es woanders nachgewiesen wurde. Eine Studie der Universität Aarhus bemisst daher die momentane Lebenserwartung von dänischen Wölfen auf nur zwei Jahre. Die Studie betrachtete 35 Wölfe, die in Dänemark nachgewiesen werden konnten: 2020 waren neun noch am Leben und nachweisbar, neun wurden tot gefunden, drei wanderten zurück nach Deutschland und kein Wolf starb durch einen Verkehrsunfall. Die verbleibenden 14 Wölfe verschwanden spurlos. Dänemark trägt schon seit längerem den Ruf des „Bermudadreiecks für Wölfe“. Die Forscher können sich die enorm hohe Ausfallrate der dänischen Wölfe nicht erklären, ohne vor allem illegale Abschüsse durch Einzelpersonen aus der Jagdszene zu vermuten, da Wölfe traditionell als Konkurrenten um Wild angesehen werden. Konflikte mit Nutztieren sind in Dänemark wesentlich seltener, da Weidetierhaltung vor allem von Schafen weniger stark verbreitet ist als z.B. in Deutschland.
Dänemark ist jedoch auch ein Beispiel für die Anpassungsfähigkeit von Wölfen: Wurde früher vermutet, sie bräuchten dichte Wälder als Lebensraum. Hier zeigen die dänischen Wölfe, dass sie auch in Ländern zurechtkommen, die nur zu 13 Prozent von Wald bedeckt sind.
Quellen: Dänisches Ministerium für Umwelt: Forvaltningsplan for ulv i Danmark (2014), Olsen et al.(2021): Statusrapport fra den nationale overvagning af ulv i Danmark – 3. Quartal 2021, Sunde et al. (2021): Where have all the young wolves gone? Traffic and cryptic mortality create a wolf population sink in Denmark and northernmost Germany
Stand: April 2022
In Deutschland kam es im Jahr 2000 erstmals wieder zu einer Verpaarung von freilebenden Wölfen. Seitdem steigt der Bestand kontinuierlich, das Wachstum flacht jedoch langsam ab. Im Monitoringjahr 2020/21 konnten 157 Rudel, 27 Paare und 19 sesshafte Einzeltiere festgestellt werden. Somit gibt es mittlerweile in allen Flächenbundesländern feste Wolfsvorkommen, der Schwerpunkt liegt nach wie vor im (Nord-)Osten und Niedersachsen. Ein Wolfsterritorium misst in Deutschland zwischen 150 – 250 km². Wölfe in Deutschland ernähren sich vorwiegend von Reh, Wildschein und Rotwild. Weidetiere machen ein bis zwei Prozent der Nahrung aus.
Europäischer Grauwolf in Deutschland Foto: Heiko Anders
Das Wolfsmanagement obliegt den Ländern. Somit unterscheiden sich auch die Modelle der Herdenschutzförderung, Kompensationszahlungen und Umgang mit problematischen Wölfen von Land zu Land. Grundsätzlich ist die Finanzierung von Herdenschutzmaterial im Vergleich zu den Nachbarstaaten gut aufgestellt – doch die Möglichkeiten der EU zur Unterstützung auch der laufenden Kosten sind nicht in allen Bundesländern ausgeschöpft. 2020 betrug die Förderung von Herdenschutz 9.401.690 Euro deutschlandweit, ein Vielfaches der Ausgleichszahlungen für Risse von 800.294 Euro im gleichen Zeitraum. Wölfe sind in Deutschland nach Anhang IV der FFH-Richtlinie streng geschützt und dürfen nicht bejagt werden. Genehmigungen zur Ausnahme des Schutzes können von den Ländern erteilt werden, wenn ein Wolf nachweislich zumutbaren Herdenschutz überwunden und Nutztiere angegriffen hat, und es keine annehmbare Alternative zum Abschuss gibt. Jährlich sterben etwa 100 Wölfe im Straßenverkehr, 2021 wurden 15 Wölfe illegal getötet (und gefunden). Die Akzeptanz für Wölfe in Deutschland ist auch nach 20 Jahren hoch: 76 Prozent sagen laut einer forsa-Umfrage aus 2021, Wölfe sollen hier leben können, auch falls es teilweise zu Problemen kommt.
Quellen: DBBW (2020/21): www.dbb-wolf.de, forsa-Umfrage zur Wolfsakzeptanz: www.nabu.de/tdw2021
Stand: April 2022
Polen nimmt in Europa eine Sonderposition ein: Es hat Anteil an gleich drei voneinander unabhängigen Wolfspopulationen. Hier gibt es Vorkommen der Baltischen, Karpatischen und der Zentraleuropäischen Flachlandpopulation. In Ostpolen waren Wölfe nie ganz ausgerottet, ein kleiner Bestand von 100 Tieren überlebte. Aus diesem Vorkommen wanderten immer wieder Wölfe nach Westen und etablierten dort eine eigene, lange Zeit isolierte Population, trotz starker Bejagung. Aus dieser wanderten in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts mehr als 40 Wölfe nach Deutschland, überlebten jedoch nie lange genug, um sich zu etablieren, bis schließlich im Jahr 2000 das erste Rudel in Sachsen gegründet wurde. Studien belegen, dass obwohl sich die Populationen in Ost- und Westpolen räumlich wieder annähern, sie genetisch ganz klar voneinander unterschieden werden können, und somit keine gemeinsame große Population darstellen. 2019 wurden in Westpolen ca. 95 Wolfsrudel festgestellt.
In Polen stehen Wölfe seit 1998 unter Naturschutz. Obwohl Polen beim EU-Beitritt Wölfe in Anhang V der FFH-Richtlinie hat listen lassen, was eine gewisse „Nutzung“ erlauben würde, ist der Wolf bis heute streng geschützt und keine jagdbare Art. Es gibt keine Quote oder Regulierung. Polen zeigt: ein geringerer Schutzstatus hat nicht automatisch Bejagung zur Folge. Ausnahmegenehmigungen zum Töten von Wölfen werden in besonderen Fällen erteilt, wenn diese trotz Schutzmaßnahmen wiederholt Nutztiere reißen. Illegale Bejagung und Wilderei-Fallen sind bis heute eine Gefahr für polnische Wölfe.
Quelle: Nowak & Mysłajek (2020): Recovery of wolves and their ecology in Western Poland in 2001-19 (Association for Nature “Wolf”), Reinhardt et al. (2013): Review of wolf management in Poland and Germany with recommendations for future transboundary collaboration (BfN-Skripten 356)
Stand: April 2022
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