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Zur Biologie und Ökologie unserer heimischen Heuschrecken
Der erste Schritt ist noch recht einfach: zwei, vier, sechs Beine, dann muss die Heuschrecke wohl ein Insekt sein.
Innerhalb des riesigen Insektenreiches wiederum zählen die Zoologen die Heuschrecken zu den "Halbumwandlern", den so genannten Hemimetabola. Anders als zum Beispiel Fliegen oder Schmetterlinge machen die Heuschrecken nicht eine Verwandlung vom Ei über eine Larve und eine Puppe bis zum fertigen Insekt durch. Vielmehr schlupfen aus den Eiern Heuschreckenlarven, die sich dann Häutung für Häutung - der Chitinpanzer wächst ja nicht mit und muss immer wieder abgestreift werden - zur fertigen Schrecke entwickeln. Eine Heuschreckenpuppe gibt es also nicht und die Larven sehen den erwachsenen Heuschrecken schon echt ähnlich. Lediglich die Flügel fehlen noch.
Verwandtschaftsbeziehungen
Die engsten Verwandten der Heuschrecken sind die Fangschrecken - dazu gehört die bekannte Gottesanbeterin -, die Ohrwürmer und die Schaben. Zwar hüpfen die Heuschrecken rasch davon, wenn sie sich gestört fühlen, aber mit Schreckhaftigkeit hat der Name nichts zu tun. Er geht vielmehr auf "scricken" zurück, das althochdeutsche Wort für "springen".
Die Heuschrecken lassen sich noch einmal in Unterordnungen, Familien und Unterfamilien aufteilen. Die Grobeinteilung unterscheidet Langfühlerschrecken und Kurzfühlerschrecken, eine Unterscheidung, die auch für den nicht vorbelasteten Naturfreund gut nachvollziehbar ist. Die Fühler der Langfühlerschrecken, dazu gehören die Grillen und die Laubheuschrecken wie etwa das Heupferd, sind nämlich enorm lang, oft länger als der ganze restliche Körper. Bei den Kürzfühlerschrecken dagegen - darunter die zahlreichen Grashüpfer - sind die Fühler höchstens halb so lang wie der Heuschreckenkörper, oft sogar noch kürzer.
Heuschreckenleben vom Ei an
Wie schon erwähnt, beginnt das Heuschreckenleben im Ei. Zur Eiablage haben die Heuschreckenweibchen eine Legeröhre, die bei den Laubheuschrecken sehr eindrucksvoll wie ein nach oben geschwungenes Schwert aussieht. Je nach Art werden die Eier entweder in der Erde oder in Pflanzenstängel, Baumrinde beziehungsweise Blätter abgelegt. Brutpflege betreiben Heuschrecken in der Regel nicht, lediglich die Maulwurfsgrille legt eine spezielle Brutkammer an, wo sie die Eier und später die Junglarven bewacht.
Den Winter überdauern die meisten Arten ebenfalls in Eiform. Lediglich die Grillen und die Dornschrecken überwintern als Larven oder sogar als ausgewachsene Tiere. Die Heuschreckenlarven machen auf dem Weg zum Erwachsenensein fünf bis sieben, bei den Grillen sogar mehr als zehn Entwicklungsstadien durch. Jedes mal müssen sich die Larven hierfür häuten. Während viele Grillen bereits ab Mai (Feldgrille) oder Juni (Waldgrille) ausgewachsen sind, muss man bei den meisten anderen Schrecken hierfür bis mindestens Mitte Juli warten. Bei manchen Arten wie dem Grünen Heupferd oder dem Warzenbeißer zieht sich die Entwicklung allerdings sogar über mehrere Jahre hin.
Heuschreckenplagen im Mittelalter auch in Deutschland
Heuschrecken waren eine der legendären biblischen Plagen, die über Ägypten hereinbrachen, weil der Pharao das Volk Israel nicht ziehen lassen wollte. Auch bei uns sind Wanderheuschreckeneinfälle von Ungarn bis nach Süddeutschland hinein aus der Wärmeperiode des Hochmittelalters überliefert. Massenvermehrungen vor allem der Schönschrecke gab es in Deutschland zuletzt Anfang der 30er Jahre. Die chemische Industrie konnte damals bereits ihre volle Leistungsfähigkeit zeigen.
Bekämpft werden Heuschrecken mancherorts aber immer noch. Vor allem die unterirdisch lebende Maulwurfsgrille- zugegebenermaßen keine Schönheit - gilt vielen Gartenbesitzern als wurzelfressender Schädling. Tatsächlich aber ernährt sich die Maulwurfsgrille auch fleischlich, was sie deshalb sogar zu einem ausgesprochen nützlichen Mitbewohner macht. In vielen Regionen Deutschlands ist die Maulwurfsgrille heute fast ausgestorben. Auch viele anderen Schrecken sind Allesfresser. Lediglich die Sichelschrecken und Kurzfühlerschrecken wie die Grashüpfer leben streng vegetarisch. Die kleine Eichenschrecke dagegen lebt ausschließlich von Insekten - vor allem Blattläuse haben es ihr angetan.
Umgekehrt sind viele große und kleine Tiere hinter den Heuschrecken her. Die Menge der verfügbaren Heuschrecken ist zum Beispiel für viele Vogelarten entscheidend für die erfolgreiche Jungenaufzucht. Auch Igel, Spitzmäuse und Maulwürfe, sogar Marder, Füchse und Wildschweine erbeuten Heuschrecken. Spinnen wie der prachtvollen Wespenspinne gehen Heuschrecken immer wieder ins Netz. Dabei macht die Wespenspinne auch vor absoluten Raritäten nicht halt, wie das Beispiel des einzigen deutschen Vorkommens der Schiefkopfschrecke im Bodenseegebiet zeigt. Selbst Heuschreckenriesen wie das Heupferd gehen der Wespenspinne ins Netz. Manche Grabwespen sind ebenfalls auf Heuschrecken abonniert, wobei die gelähmten Schrecken vor allem als Nahrungsvorrat für die Wespenlarven dienen.
Heuschrecken-Lebensräume: Von der Höhle bis zum Wald
Auch wenn viele Menschen Heuschrecken vor allem von Wiesen kennen, sind die Lebensraumansprüche der Arten höchst unterschiedlich. Es gibt kaum ein Lebensraum, der nicht besiedelt wird: Spezialisten wie der Kiesbank-Grashüpfer leben ausschließlich auf Kiesbänken der Alpenflüsse. Sogar einen Untertage-Spezialisten gibt es: Erst vor wenigen Jahren gelangen Nachweise der Gehörnten Höhlenschrecke in einer Marmorhöhle im Fichtelgebirge, im Elbsandsteingebirge und schließlich auch in vom NABU mitbetreuten Fledermaushöhlen bei Mayen.
Andere Arten wie die Ödlandschrecken haben ihre Nische auf offenen, trockenen Sanden oder Felsen gefunden, wieder andere wie die Gemeine Dornschrecke, die Strauchschrecke, die Waldgrille oder die Eichenschrecke und die Säbelschrecken sind ausgesprochene Waldarten. Auch der Siedlungsraum des Menschen wird besiedelt, mehr dazu gibt es im Kapitel Heuschrecken in Haus und Garten.
Manche Arten wie das Heimchen oder die Gewächshausschrecke sind sogar auf den Menschen angewiesen, weil sie im mitteleuropäischen Klima im Freien nicht den Winter überstehen könnten. Überhaupt sind die meisten Heuschrecken wärmebedürftig, weil ihre Ursprungsgebiete eben in wärmeren Klimaten liegen. Im Detail gibt es allerdings zahlreiche Unterschiede, sowohl was die Ansprüche der erwachsenen Tiere betrifft, als auch die der Eiablagesubstrate und Larven-Lebensräume. Heuschrecken sind deshalb gute Anzeiger für die Umwelt- und Lebensraumqualität.
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