In diesen Zeiten schöpfen wir besonders viel Kraft in der Natur. Werden Sie NABU-Mitglied und helfen Sie mit, damit wir die Natur auch in Zukunft genießen können.
Jetzt NABU-Mitglied werden!Die große Liebe
Zu Besuch bei Schmetterlingskundler Rainer Ulrich
Auf diesen feinen Unterschied legt Rainer Ulrich wert: „Ich bin vielleicht schmetterlingsverrückt – ganz bestimmt sogar“, schmunzelt er, „aber ich bin kein Schmetterlingsidiot!“
Sein Hausgarten legt davon beredt Zeugnis ab. Als Maren und Rainer Ulrich ihr Haus in Wiesbach im Zentrum des Saarlandes kauften, bestand das Gartengrundstück vor allem aus Rasen und Bodendeckern. Über die Jahre haben die Ulrichs daraus ein kleines Paradies entwickelt, mit einer Artendichte, wie es die Natur selbst gar nicht fertigbringen würde. 46 Tagfalterarten leben hier zeitweise, 25 haben sich sogar fortgepflanzt, aber auch Mauer- und Zauneidechsen und sogar Gelbbauchunken und damit gleich drei EU-weit geschützte, sogenannte FFH-Arten.
Unken im Garten
„Mein zweites Lieblingstier“ nennt Rainer Ulrich die Gelbbauchunke. Doch seine große Liebe gehört nun mal den Schmetterlingen und das fing früh an. Der junge Rainer ist ein guter Fußballer, aber auch naturbegeistert. Mit 14 Jahren, in einer Zeit lange, lange vor dem Internet, beginnt er systematisch auf Karteikarten seine Schmetterlingsbeobachtungen zu notieren. Das Thema wird ihn nicht mehr loslassen. Sind es zunächst Häufigkeitserhebungen, geht Ulrich bald der Frage nach, warum manche Arten zurückgehen. Offensichtlich spielt das Vorhandensein – und Verschwinden – der Falterfutterpflanzen eine wichtige Rolle.
Nur zu kartieren, reicht ihm nicht, er will auch etwas bewirken: „Wer Bescheid weiß, hat auch Verantwortung.“ Mit 24 gründet Rainer Ulrich eine NABU-Gruppe und bringt mit seinen Forderungen und Ideen bald, so gehört sich das, „den Bürgermeister zur Weißglut“.
Später, als Biologiestudent, schreibt er über die Ill und ihre Nebenbäche seine Examensarbeit. In dieser Zeit, bei der Biotopkartierung, lernt er auch den Bliesgau kennen und lieben. Seit 2009 ist das Hügelland im Südosten des Saarlandes, begrenzt von Lothringen und Rheinland-Pfalz, Biosphärenreservat. Während sich viele Regionen unter dem Druck der Nutzungsintensivierung stark veränderten, haben sich die Lebensräume im Bliesgau nach Ulrichs Eindruck kaum verschlechtert. „Die Leute dort sind stur, sie halten an ihren kleinen Parzellen fest, bis sie tot umfallen.“
Überraschungsfund Mörtelbiene
Die kleinteilig vernetzte Landschaft ist und bleibt ideal für Schmetterlinge und andere Insekten. Besonders stolz ist Rainer Ulrich, dass ihm im Bliesgau – wo sonst – seine wichtigste Entdeckung gelang: Kein Schmetterling, sondern eine Wildbiene, die Schwarze Mörtelbiene. Die anspruchsvolle Art befliegt blütenreiche Salbei-Glatthaferwiesen, benötigt außerdem eine freie Nistwand und Zugang zu Baumaterial. Aus Deutschland war die Mörtelbiene nur von drei Standorten in Baden-Württemberg bekannt. Erst beim Sichten von Fotos gelang der überraschende Nachweis.
Schon lange hat der pensionierte Sport- und Biologielehrer seine Tätigkeit auf das ganze Saarland ausgedehnt, ist NABU-Landesbeauftragter, hält unermüdlich Vorträge, auch über das Saarland hinaus. Heute ist das kleine Bundesland die am besten untersuchte Schmetterlingsregion.
Verarmte Landschaft
Ulrichs Untersuchungen zeigen aber auch, dass innerhalb von 40 Jahren ein Drittel der Tagfalterarten verschwunden ist. Nicht nur bunte Wiesen werden weniger, im Wald sind die Tagfalter ebenfalls auf dem Rückzug. Die Wälder wachsen immer dichter zu, sie sind „langweilig geworden“, Strukturen verschwinden, die typischen Lichtwaldarten sucht man vergebens. Auch der Klimawandel macht sich bemerkbar. Für die Raupen des seltenen Großen Eisvogels etwa sind milde und damit feuchte Winter Gift. Die Art zieht sich in den kälteren Osten und in die Höhenlagen zurück.
„Kein Wunder, dass bei Dir so viele Arten im Garten sind“, meinte einmal ein Bekannter, „Du wohnst ja auch direkt am Ortsrand.“ Schön wäre es. Aus dem Wintergarten blickt Ulrich über die leergeräumte Landschaft: „Letzte Naturtankstelle vor der Autobahn. Da draußen ist für Schmetterlinge nichts zu holen.“ Viel besser ist es zur anderen Seite, in den Ort hinein, auch nicht. „Die meisten Leute haben Verlegenheitsgärten, hier und anderswo. Laub wird als Dreck angesehen, man will sich keine Arbeit machen“, stellt Ulrich fest.
Dabei wäre es so einfach, etwas für Schmetterlinge, fürs eigene Naturerleben und für das der Kinder zu tun. „Pflanzen Sie drei Kohlpflanzen im Garten. Das kostet einen Euro und macht keine weitere Arbeit. Ich garantiere, dass sie bald Besuch von Kleinem und Großem Kohlweißling bekommen, die dort ihre Eier ablegen.“
Helge May
Aus „Naturschutz heute“ 2/2016
Bücher von Rainer Ulrich: „Schmetterlinge: entdecken und verstehen“ (2015), „Der Kosmos Schmetterlingsführer“ (Neubearbeitung 2016), „Tagaktive Nachtfalter“ (2018), „Wer flattert hier? 132 Schmetterlinge beobachten und bestimmen“ (2022), alle erschienen im Kosmos-Verlag.
Rainer Ulrichs Gartentipp
Für Gartenbesitzer, die bei sich zuhause Schmetterlinge erleben wollen, hat NABU-Experte Rainer Ulrich eine Schmetterlingsspirale entworfen. Gebaut wird sie wie eine normale Kräuterspirale, bepflanzt aber mit Hornklee sowie weiteren Saug- und Futterpflanzen. Mehr →
Thomas Schmidt erklärt, wie aus einem grünen Rasen eine Schmetterlingswiese wird, welche Zierpflanzen bei Faltern besonders beliebt sind und wie man Schmetterlingen und ihren Raupen vom zeitigen Frühjahr bis in den Herbst hinein genug Nahrung bietet. Mehr →
Kornblume, Wiesensalbei und Nickendes Leimkraut: Mit der richtigen Pflanzenauswahl locken wir Insekten in unsere Gärten und bieten Hummeln, Schmetterlingen oder Wanzen ganzjährig Nahrung. Mehr →