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Johann-Christoph Kornmilch beschäftigt sich seit seiner Kindheit mit den unterschiedlichen Wildbienen
Eine geübte Handbewegung, dann hat er sie: Zwischen Daumen und Zeigefinger hält Johann-Christoph Kornmilch eine Blutbiene, die erste an diesem Tag. Aber sein Blick schweift schon weiter, hat bereits ein anderes Exemplar ausgemacht, immer auf der Suche nach etwas Außergewöhnlichem, vielleicht einer besonders seltenen Wildbiene. Für eben diese ist Kornmilch der Experte im Nordosten. Kaum ein anderer beschäftigt sich bereits so lange und intensiv mit Stechimmen, den sogenannten Aculeata, zu denen unter anderem die Honigbienen, Hummeln, Wespen, Hornissen und Ameisen gehören. Vor allem die Gruppe der Bienen, die Apoidea, hat es dem gebürtigen Rostocker angetan. Er kann fast jede der 560 in Deutschland vorkommenden Wildbienenarten benennen, hat vermutlich alle 330 in Mecklenburg-Vorpommern ansässigen Arten schon einmal in der Hand gehalten.
Als Experte gefragt
Wegen eben dieser enormen Artenkenntnis hat es Johann-Christoph Kornmilch heute an diesen etwas eigentümlichen Ort verschlagen. Eine alte Kiesgrube soll einem Solarpark weichen, die strukturreiche Landschaft auf knapp 20 Hektar plan gemacht und mit Paneelen bebaut werden. Einigen aufmerksamen Anwohnern der Gegend war sofort klar, dass dann jedoch auch einer der letzten artenreichen Lebensräume in der von landwirtschaftlichen Monokulturen geprägten Landschaft Vorpommerns verloren sein würde. Sie wandten sich an Vogel-, Pflanzen- und Insektenspezialisten, um die Artenvielfalt von Fachleuten einschätzen zu lassen. So kam schließlich auch der Kontakt zum Wildbienenexperten Kornmilch zustande. Ein erster Blick über die Fläche lässt ihn erahnen, welcher Artenschatz sich hier verbergen mag. Etwa 60 verschiedene Wildbienenarten vermutet er. Und schon nach wenigen Metern erspäht er die ersten Exemplare: Blutbiene, Seidenbiene, Schmalbiene, Zottelbiene, Sandbiene, Filzbiene, Goldwespe, Sägehornbiene, Furchenbiene, Grabwespe. Unentwegt hält er ein neues Exemplar in der Hand, seinem geschulten Auge entgeht nichts. Dann fällt sein Blick auf etwas besonders Schönes, wie er sagt: eine Heide-Feldwespe, die ihre Nester freihängend an Pflanzenstängel baut und von der es in Mecklenburg-Vorpommern bisher nur wenige Nachweise gibt.
Schauspiel mit Bienenwolf
„Wir haben hier eine hervorragende Nahrungsfläche für Bienen“, so Kornmilch. Natternkopf, Habichtskraut, Vogelwicke, Ochsenzunge, Hauhechel – der Nahrungstisch ist reich gedeckt. Etwa 150 der hier vorkommenden Pflanzenarten sind zudem Rote-Liste-Arten, wie kürzlich eine Botanikerin bestätigt hat. Hinzu kommen die weitläufigen, nur spärlich bewachsenen Sandflächen, auf denen die verschiedenen Wildbienenarten ihre Nester gebaut haben. Besonders die senkrechten, beim Kiesabbau entstandenen Abbruchkanten sind bei den Bienen beliebt. Hier haben sie ihre Nester in die sandige Wand gebaut, unzählige Löcher sind zu erkennen. Johann-Christoph Kornmilch weiß sofort, welche Art es sich hier bequem gemacht hat: die Sandbiene Andrena flavipes, an einigen ihrer Nester fliegt auch die Wespenbiene Nomada fucata ein und aus, die dort als Schmarotzer lebt. Kornmilch ist fasziniert von dieser enormen Ansammlung an Nestern, das ist ihm anzusehen. Plötzlich zeigt er auf ein herbeischwirrendes Tandemgespann: Ein weiblicher Bienenwolf trägt eine Honigbiene heran, dahinter kommt schon der nächste mit seiner Beute, dann noch einer und noch einer. Dieses Schauspiel ist selbst für den Experten etwas Besonderes. Für ihn ist nun endgültig klar, welche Bedeutung dieses Areal für Wildbienen und Wespen hat. Er wird eine Artenliste erstellen und seine Beobachtungen vermerken, damit die engagierten Anwohner sie als Argumente für eine sorgfältige Umweltverträglichkeitsprüfung nutzen können. „Im Grunde müsste jedoch eine vernünftige Alternative für das Areal gefunden werden. Ohne menschliches Zutun würden die Sandflächen schnell verbuschen und ihre Attraktivität als Nistplatz für Wildbienen verlieren“, so Kornmilch.
Abgabe für Chemieeinsatz in der Landwirtschaft
Leider gibt es hier nur noch wenige adäquate Lebensräume für die geschützten Hautflügler. Vor allem die intensive Landwirtschaft mit ihrem unverhältnismäßigen Einsatz an Pestiziden bedrohe den Bestand der heimischen Wildbienen massiv. Der Verlust weiterer Arten sei nur noch durch ein Umdenken in der landwirtschaftlichen Praxis möglich. Viel mehr Offenflächen und Blühflächen mit heimischen Wildkräutern sowie eine starke Reduzierung von Ackergiften, nur so könne langfristig etwas gegen den Rückgang der Arten getan werden. „Wer doch weiterhin auf den starken Einsatz von Chemie setzt, müsste mit einer speziellen Abgabe belastet werden. Geld, welches dann zumindest für den Schutz wertvoller Flächen wie dieser hier eingesetzt werden könnte“, so Kornmilch. „Aber dieser Ansatz ist ja nicht neu, wird nur leider nicht umgesetzt.“
Verkauf von Bestäuberinsekten
Welche Folgen der Verlust von Insekten hat, können einige Obstanbauer schon heute in Form schlechter Ernteerträge spüren. Mit Nisthilfen haben sie begonnen, Wildbienen gezielt in ihren Pflanzungen anzusiedeln, um deren Bestäubung zu garantieren. Die passenden Modelle plus die richtigen Bienen dazu liefert auch Johann-Christoph Kornmilch. Schon als Junge, vor 30 Jahren, hat er begonnen, Wildbienen zu sammeln und zu züchten. Nach dem Biologiestudium in Rostock und Greifswald wurde daraus ein Geschäftsmodell. Heute züchtet er an vier Standorten im Land sowohl die Rote als auch die Gehörnte Mauerbiene als Bestäuberinsekten, die als Kokons vertrieben werden. Sie gelten als die besten Obstbestäuber überhaupt, weil sie eine besondere Vorliebe für Rosengewächse haben, zu denen auch Apfel, Birne, Kirsche und Co. zählen. Während eines mehrjährigen Forschungsprojekts hat Christoph Kornmilch ein komplettes Handbuch zur Nutzung der Roten Mauerbiene in Obstplantagen und Kleingärten erarbeitet, auf das sich heute sogar große Konzerne stützen. Die passenden Nistblöcke bietet Kornmilch in seinem Onlineshop ebenfalls an. Als freier Biologe ist er viel im Land unterwegs, erhält hin und wieder auch Anfragen für die Begutachtung von Wildbienenstandorten oder Hinweise auf interessante Vorkommen von Wildbienen, denen er seit seiner Kindheit verfallen ist.
Manuela Heberer
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