Alter: 70
Arbeitsschwerpunkt: Biotopschutz, Artenschutz, Öffentlichkeitsarbeit, Politik
Heimat: Tutschfelden (Baden-Württemberg)
Beruf: Rentner
Naturschutz vor der Haustür
Einsatz auf allen Ebenen – Naturschutzmacher Weis sorgt für Wirbel in Tutschfelden
Es ist Mitte März und es weht ein kalter Wind. Obwohl wir uns auf den Weg nach Deutschlands Florida gemacht haben, müssen wir feststellen, dass die Sonne und damit auch die warmen Temperaturen leider auch im südlichen Baden-Württemberg noch auf sich warten lassen. Dafür ist Tutschfeldens Flora und Fauna der von Berlin einen Schritt voraus. Wir sind überwältigt von der Vielfalt der Vögel: Rotmilan und Mäusebussard über uns in der Luft, Singdrossel, Wacholderdrossel und Sperber neben uns im Gras und Gebüsch.
Rüdiger Weis tritt in die Bremsen seines Kleinwagens, in dem er statt Gerät für Naturschutzarbeit heute seine Gäste vom NABU-Bundesverband kutschiert. „Ein Kiebitz! Dort unter den Obstbäumen!“, ruft er erfreut und will Fotografen Eric Neuling die Chance geben, den selten gewordenen Vogel aus der Nähe zu fotografieren.
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Allmählich wird es Frühling im Breisgau und somit auch im Garten von Rüdiger und Liselotte Weis - Foto: NABU/Eric Neuling
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Rüdiger Weis hat den Überblick, wie der Naturschutz in der Region das ganze Jahr über hinweg voranzubringen ist - Foto: NABU/Eric Neuling
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An einer Schauwand für Nistkästen zeigen Informationstafeln, die er selbst erstellt, welchen Vögeln man helfen kann - Foto: NABU/Eric Neuling
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In diesen Kunstnestern in der Rhein-Gemeinde Weisweil können Mehlschwalben ihre Jungen großziehen - Foto: NABU/Eric Neuling
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Der Kiebitz, den wir auf unserer Fahrt entdecken, findet durch die intensivere Landwirtschaft nicht nur hier immer weniger Lebensräume - Foto: NABU/Eric Neuling
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Diese Adresse macht ihrem Namen alle Ehre, denn wo Familie Weis wohnt, finden auch Wildbienen ein Zuhause - Foto: NABU/Eric Neuling
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Um Bienen zu helfen, müssen nicht immer Löcher gebohrt werden. Auch geshnittenes und gebundenes Schilf wird zu einem tollen Bienenhotel - Foto: NABU/Eric Neuling
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Wo ist der Igel? Im Laubhaufen bei Familie Weis, wo er den Rest des Winters verschläft - Foto: NABU/Eric Neuling
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Wenn das Eis geschmolzen ist, tummeolmn sich in diesem naturnah angelegten Teich Frösche und Molche - Foto: NABU/Eric Neuling
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Unsere nächste Station ist die Kirche von Tutschfelden, die auf Initiative von mit einer NABU-Plakette als Lebensraum Kirchturm ausgezeichnet wurde - Foto: NABU/Eric Neuling
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Dieses Schild, das Rüdiger Weis am Naturlehrpfad aufgestellt hat, informiert über Schlehen und andere Sträucher am Hang - Foto: NABU/Eric Neuling
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Abbruchkanten sind willkommene Lebensräume wärmeliebender Tiere wie Wildbienen oder Reptilien. Auf dem Trockenrasen blühen auch Orchideen - Foto: NABU/Eric Neuling
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Hier hat der Golfclub Breisgau, mit dem Rüdiger Weis zum Thema Naturschutz in engem Kontakt steht, eine künstliche Steilwand für Uferschwalben geschaffen- Foto: NABU/Eric Neuling
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Um Politiker und Gemeindevertreter zu erreichen, informiert Rüdiger Weis sich selbt und die anderen mit aktuellen Studien - Foto: NABU/Eric Neuling
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In der Scheune von Familie Weis hatte im letzten Jahr ein ganzes Hornissenvolk Platz zum Leben - Foto: NABU/Eric Neuling
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Der Besuch bei Familie Weis zeigte uns, was jeder einzelne erreichen kann, wenn man sich engagiert - Foto: NABU/Eric Neuling
Rüdiger Weis hat den Blick eines Naturschützers. Er entdeckt nicht nur seltene Tiere und Pflanzen, sondern hat auch ein Auge für die großflächigen Herausforderungen für die heimischen Tiere und Pflanzen. Fast in jedem Dorf gibt es ein Neubaugebiet, Wirtschaftsbetriebe in Weis‘ Heimat verbrauchen zehnmal so viel Fläche wie vergleichbare Betriebe in Berlin, wo Fläche an sich teurer ist. Von Jahr zu Jahr schwinden wieder ein paar Obstbäume und schaffen Platz für die Intensivlandwirtschaft. „Schauen Sie hier: Da ärgert sich der Bauer, dass er wieder eine Kurve um die letzten Obstbäume herumfahren muss.“, erklärt Weis. Oft gibt es keine Nachfolge für pensionierte Obstbauern und der Verkauf der Fläche für Maisanbau gehört immer mehr zum Alltag. An anderer Stelle können wir sehen, wie die intensiv genutzten Agrarflächen bis an die Flüsse heran bewirtschaftet werden. Von gesetzlich festgelegten Pufferzonen ist hier nichts zu sehen und doch scheint den Bauern kein Riegel vorgeschoben zu werden. Rüdiger Weis nimmt die Entwicklung wahr und ist sich über deren Folgen bewusst. Lebensräume verschwinden nach und nach. Den folgenden Verlust der Artenvielfalt will der Naturschützer nicht hinnehmen.
Was ist erlaubt? Wo verstoßen Landwirte gegen Naturschutzrecht? Auf unserer Fahrt fotografiert Weis eine Fläche, die kürzlich geflämmt (abgebrannt) wurde. „Ich bin froh, dass wir dies gesehen haben. Flämmen ist hier verboten“, sagt er bei der Beweisaufnahme. Weis scheut nicht davor zurück, die Bürgersprechstunden von Landtags- und Bundestagsabgeordneten zu nutzen und politische Entscheidungsträger egal welcher Partei über die Missstände in der Region aufzuklären. Hierbei nutzt er seinen Ordner, der prall gefüllt ist mit Zeitungsartikeln, Fotos, wissenschaftlichen Arbeiten, Statistiken und Diagrammen, die Probleme wie Lebensraum- und Artenverlust schnell verdeutlichen. Stolz zeigt er auch die Klarsichtfolie mit aufgedrucktem Totenkopf, die bei der Präsentation vor Politikern nicht fehlen darf. Seine Frau begleitet ihn bei diesen Terminen. „Das macht immer einen guten Eindruck!“, haben beide festgestellt.
Weis nutzt seine Erfahrungen aus seinem früheren Berufsalltag im Außendienst und weiß, dass man beim Verkauf hartnäckig sein muss. Das Talent zum Verkaufen verschafft ihm auch beim Zusammentrommeln von Aktiven einen Vorteil. Wie erreicht Rüdiger Weis, dass bei seinem liebsten Projekt der Biotoppflege sage und schreibe 50 Ehrenamtliche aktiv beteiligt sind? „Die habe ich alle angerufen!“, lacht er.
Naturschutz macht am meisten Spaß, wenn man die Arbeit mit Gemütlichem verbindet. Seine Frau unterstützt Weis tatkräftig bei der Beschaffung von Brezeln, Fleischkäse und Getränken, die nach getaner Arbeit noch unter freiem Himmel von versammelter Mannschaft verköstigt werden. Aus der Liebe zum Skat entwickelte sich schnell ein Skat-Club zugunsten des Naturschutzes. Alle zwei Wochen wird um kleine Beträge gezockt, die in das Projekt Biotoppflege fließen.
Rüdiger und Liselotte Weis lassen es sich gut gehen und teilen ihre Freude über die Natur gerne mit anderen. Der Bienenfresser, den sie vom eigenen Garten aus beobachten, wird selbstverständlich fotografiert und zu einer laminierten Info-Tafel umgearbeitet, die beim Tag der offenen Gartentür Nachbarn und Freunden präsentiert wird. Gleiches gilt für die Gottesanbeterin, den Teichmolch oder die Orchidee. In ihrem Garten Gift zu spritzen, ist ein unmöglicher Gedanke für das Ehepaar. Sie bemühen sich, andere Gartenbesitzer von der Giftspritze abzuhalten und mehr auf das natürliche Gleichgewicht zu setzen. Und wenn dann zum Nachdenken angeregt wurde, haben Rüdiger und Liselotte Weis wieder einen kleinen Erfolg erzielt. Doch trotzdem gibt es noch viel zu tun!
Wenn in ihrem Garten der Grünfink brütet, die Teichfrösche unter dem Wasserschlauch duschen oder der Huflattich blüht, werden Rüdiger Weis und seine Frau für ihren Einsatz belohnt. Wenn die Orchideen dank Biotopflege wieder am Wegesrand gedeihen oder der Wiedehopf die Bruthöhle am Naturlehrpfad annimmt, dürfen auch Spaziergänger die Vielfalt der Natur entdecken. Durch „Naturschutz vor der Haustür“ wird die kleine Gemeinde Tutschfelden an immer mehr Stellen zu einem natürlichen, bunten und artenreichen Lebensraum. (aro)