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Waldumbau und Flächenentwicklung im Biesenthaler Becken
Unter der großen Eiche am Waldrand lehnt Andreas Krone an der Pritsche eines Geländewagens. Er klappt einen Ordner auf, sein Finger wandert über eine Gebietskarte. „Hier könnten wir lang gehen, am Fließ entlang und dann in den Bruchwald.“
Andreas Krone ist Leiter der NABU-Schutzgebietsbetreuer im Biesenthaler Becken, einem rund 1.000 Hektar großen Naturschutzgebiet, wenige Kilometer nördlich von Berlin. Hier übernahm die NABU-Stiftung Nationales Naturerbe vor zehn Jahren erste Teile eines inzwischen 316 Hektar großen Gebiets mit unterschiedlichen Waldstücken – vom Kiefernforst bis zum Buchenmischwald, vom Moor bis zum See finden sich hier auf engstem Raum beinahe alle Wald- und Bodentypen. Und um all jene Flächen kümmert sich Andreas Krone ehrenamtlich mit seinen zehn Schutzgebietsbetreuern.
Probleme mit der Traubenkirsche
An diesem Morgen trifft er sich mit seinem Schutzgebietsbetreuer-Kollegen Detlef Selle und mit Klaus Meier-Giesecke, Förster im angrenzenden Berliner Forst. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach einem Baum, der Probleme bereitet: der Spätblühenden Traubenkirsche. Wo sie wurzelt, wächst kaum anderes mehr. Aus diesem Grund bekämpfen die Berliner Forsten, die im Land Brandenburg große Wiesen- und Waldflächen besitzen, die Traubenkirsche seit einiger Zeit. Auch die NABU-Aktiven wollen sich nun auf ihrem Gebiet einen Überblick verschaffen: Wie weit hat sich die Traubenkirsche ausgebreitet? Und mit welchen Maßnahmen kann sie eingedämmt werden? Schließlich droht sie ein entscheidendes Projekt im NABU-Gebiet zu gefährden: den Umbau des Waldes hin zu einem naturnahen Buchenmischwald, in dem sich zahlreiche Tier- und Pflanzenarten heimisch fühlen und ungestört entwickeln können.
In Gummistiefeln schlagen sich die drei ihren Weg ins Unterholz. „Arme hoch!“ ruft Andreas Krone, es geht durch mannshohe Brennnesseln. Der ehemalige Berliner ist inzwischen guter Kenner des Gebiets und so etwas wie ein NABU-Urgestein. Lange Zeit war er im Bundesfachausschuss Feldherpetologie aktiv und leitete die NABU-Gruppe Niederbarnim. Was ihn an seiner neuen Aufgabe reizt? „Ich habe mich gefreut, direkt vor der Haustür ein Schutzgebiet zu haben“, lacht der Biesenthaler. „Der Reiz für mich liegt darin, nicht nur nach dem Rechten zu sehen, sondern die Flächen auch aktiv zu entwickeln. Dazu auf NABU-eigenen Flächen tätig zu sein, hat für mich etwas sehr Konkretes.“
„Fast wie im Urwald“
Inzwischen sind die drei Männer im feuchten und schwer zugänglichen Bruchbereich angekommen. Mücken umkreisen sie. „Fast wie im Urwald“, sagt Andreas Krone und blickt sich um. „Und das Schöne ist: Es wird auch so bleiben!“ Dem Wald möchten Andreas Krone und sein Team die richtigen Impulse geben, damit er sich selbstständig und standortgerecht entwickeln kann. Dazu gehört auch, die Traubenkirsche im Blick zu behalten. Sie wurde einst aus Amerika importiert, um wertvolles Holz zu liefern. Doch der Plan schlug fehl: Ihre Stämme wuchsen krumm, wurden buschartig – und damit unbrauchbar als Nutzholz.
„Hier haben wir ein gutes Beispiel“, sagt Förster Meier-Giesecke und bleibt vor einem krummen Baum stehen. Unter dem buschartigen Gebilde blitzt beinahe blanker Boden. „Wenn man die Kirsche stehen lassen würde, wäre es schwer, Naturwald zu etablieren. Es kämen nur Traubenkirschen nach und nichts anderes mehr.“ Erst wenn der geplante Buchenwald nahezu geschlossen sei, wäre das Wachstum eingedämmt. „Das ist aber ein langfristiger Prozess, den wir hier anstoßen“, weiß auch Andreas Krone. „Vieles auf dem Weg dorthin ist für uns einfach nicht leistbar oder finanzierbar. Das muss die Natur selbst regeln.“ Mindestens 30 Jahre wird es dauern, bis die nächste Bewuchsschicht groß genug ist, damit Andreas Krone und Detlef Selle keine Kontrollgänge mehr machen müssen. „Das werden wir dann aber an die kommende Generation übergeben müssen“, sagt er.
Sinnvolles Hobby Schutzgebietsbetreuung
Denn seine Stützen im Team sind, wie er schmunzelnd sagt, vor allem „rüstigen Rentner“. Wie sein heutiger Begleiter, Detelf Selle. Der gelernte Brauer und Mälzer studierte später Gärungstechnologie und war stets beruflich stark eingebunden. Vor drei Jahren ging er in Rente, mit großer Angst vor einem Loch, das ihn danach erwarten könnte. „Ein richtiges Hobby hatte ich nie“, sagt er. „Ich brauchte aber eine sinnvolle Aufgabe, die etwas bringt“, sagt er. Und so fand er, der zuvor noch nie etwas mit Naturschutz zu tun hatte, zum NABU.
An einem Gatter stoppt Detlef Selle. In diesen Holz-Karrees hat er seine Aufgabe gefunden: Seit einigen Jahren pflanzt und kontrolliert er Jungbäume im NABU-Gebiet – vorrangig Buchen und Eichen. Sie stehen, geschützt vor den hungrigen Mäulern des Wildes, in Gattern. An acht Stellen des Waldes führt Detlef Selle ein Verbiss-Monitoring durch: Er kontrolliert, wie sich der Bestand der Bäume ohne das Knabbern des Wildes entwickelt. In trockenen Zeiten rettet er auch mal die Zöglinge mit einem Eimer Wasser.
Für die nächste Generation
Detlef Selle macht eine jener Aufgaben, für die Fleiß und Durchhaltevermögen erforderlich sind – und auch ein entsprechendes Zeitbudget. „Für regelmäßige Aufgaben, wie Gebietskontrollen, findet man nur schwer Leute“, weiß auch Andreas Krone. „Einfacher ist es mit konkreten Arbeitseinsätzen, wie Pflanzaktionen. Damit kann man viele Menschen erreichen, die bereit sind, sich einen Tag lang für die Natur einzusetzen.“
Im vergangenen Jahr veranstaltete die Gruppe eine regelrechte Mammut-Pflanzaktion: Innerhalb eines Tages setzten sie zusammen mit Wikiwoods, der lokalen Agenda Biesenthal und weiteren Helfern 3.500 Eichensetzlinge. „Solche Aktionen sind gut, um die Leute zu motivieren“, sagt Andreas Krone und schaut bereits voraus auf kommende Projekte. Mit ihnen will das Team der Schutzgebietsbetreuer jene Früchte säen, die der nächsten Generation und ihnen selbst eine naturnahe Zukunft vor der eigenen Haustür ermöglichen.
Iris Barthel