Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir war auch schon beim ersten NABUsalon 1999 dabei. - Foto: NABU/Guido Rottmann
Gönn Dir Vielfalt
NABUsalon brachte 250 Entscheider*innen zusammen
21. Juni 2022 – Es war ein besonderer NABUsalon: Nach drei Jahren konnte erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie das traditionelle Abendevent in der NABU-Bundesgeschäftsstelle wieder stattfinden. Rund 250 hochrangige Gäste folgten der Einladung von Deutschlands größtem Umweltverband zu Austausch, Diskussion und kreativen Kaltgetränken. Unter ihnen die Bundesminister*innen Steffi Lemke, Cem Özdemir und Klara Geywitz sowie mehrere Landesminister*innen, zwei Dutzend Abgeordnete des Deutschen Bundestags, Staatssekretär*innen sowie Botschafter*innen. Sie alle stießen – getreu dem Motto des Abends – gemeinsam auf mehr Vielfalt an.
Eröffnet wurde der Abend von NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Angesichts gleich vierer globaler Krisen und deren Wechselwirkungen sagte er, dass sicherlich nicht allen Umweltschützer*innen derzeit zum Feiern zumute sei. Dennoch sei es wichtig, gerade jetzt zusammenzukommen. Die Natur- und Klimakrise, der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und Corona sollten nicht gegeneinander ausgespielt werden, mahnte er. Stattdessen müssen alle Krisen miteinander gedacht und miteinander gelöst werden.
NABU-Präsident Krüger: In diesem Jahrzehnt können wir noch gegensteuern
Ins selbe Horn stieß auch die Moderatorin des Abends, RBB-Journalistin und Schauspielerin Britta Steffenhagen. Sie wandte sich direkt und emotional an die anwesenden Minister*innen: „Seid fröhlich – und vor allem: handelt“. Umweltpolitik sei kein Einzelthema, sondern eines, das elementar für alle Menschen ist. Jeder und jedem müsste – bestenfalls auch humorvoll – vermittelt werden, dass jedes Grad, jede Ziffer hinter dem Komma entscheidend sei für die eigene Zukunft. Und adäquate Handlungen seien in jedem Fall keine Tankgutscheine.
Für NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger, seit Ende 2019 im Amt, war es aufgrund der Pandemie sogar der erste Salon als Verbandsspitze. Er machte deutlich: „Diese Krisen werden nicht mehr weggehen. Doch dieses Jahrzehnt ist es, in dem wir noch gegensteuern können!“ Der NABU sei gesprächs-, diskussions- und streitbereit für die Sicherung unserer Lebensgrundlagen. Der Koalitionsvertrag stimme hoffnungsfroh. Wichtige Schritte seien gegangen, etwa höhere Energieeffizienz in Neubauten. Doch vieles würde fehlen: etwa eine umfassende Solardachpflicht oder energetische Sanierungen für den Altbestand. Auch das Holz wieder verstärkt als Brennstoff genutzt werden soll, sei eine ökologische Katastrophe. Ebenso mahnte Krüger die leichtfertig verschleppten Chancen im Verkehrsbereich an: „Warum diskutieren wir noch den Neubau von Autobahnen? So wird das nichts mit dem Klimaschutz in Deutschland.“
Zu sprechen kam der NABU-Präsident auch auf den „Elefant im Raum“ – den naturverträglichen Ausbau der Windenergie. Er betonte, dass der NABU den schnellen Ausbau der Erneuerbaren ausdrücklich begrüßt. Doch noch stünden zu viele Hemmnisse dem Ausbau in den Bundesländern im Weg, Planungs- und Genehmigungsbehörden seien personell schlecht ausgestattet. Die Belastungen für Natur und Landschaft seien bereits enorm. Daher müssten die bisherigen Gesetze dringend nachgebessert werden: Beispielsweise müsse der Abstand zur Wohnbebauung angepasst werden, statt wertvolle Landschaftsschutzgebiete zu öffnen. Wichtig sei, die Biodiversitätskrise nicht gegen die Klimakrise auszuspielen und sich an wissenschaftlichen Fakten zu orientieren statt kurzfristig und politisch motivierte Entscheidungen.
Cem Özdemir: Schon beim ersten Salon dabei
Dank äußerte NABU-Präsident Krüger auch in Richtung Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). Es sei wichtig gewesen, angesichts des Kriegs in der Ukraine und der Getreideknappheit nicht die ökologischen Vorrangflächen und Brachen für intensiven Anbau zu öffnen. Aus Sicht des NABU seien die Flächen für Biogas- oder Futtermittelanbau hingegen kritisch zu bewerten und verschärfen die Flächenknappheit für Nahrungsmittel.
So sandte auch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir einen Gruß in die Ukraine. Er wisse, dass viele Natur- und Umweltschützer*innen in der Ukraine aktiv sind. Er sei den Menschen dankbar, die hier „unsere Freiheit verteidigen“. Gemeinsam müsse man für Vielfalt kämpfen, auch wenn es nicht immer einfach sei – er selbst kenne das seit seiner Geburt, wenn auch auf andere Art und Weise, sagte er augenzwinkernd. Ihm sei es ein wichtiges Anliegen gewesen, die ökologischen Vorrangflächen – oder „Vielfaltsflächen“, wie er sie nennt – zu erhalten. „Wenn wir jetzt Hunger gegen Biodiversität ausspielen, sorgt das nur dafür, dass sich die Ursachen von Hunger noch weiter verstärken.“ Er mahnte an, Landwirt*innen auf der ganzen Welt zu helfen, auch durch Bildung, Saatgut, durch die Rettung von Nachernten, durch Infrastruktur und Öffnung der Märkte. Dies seien die Schlüssel gegen den Hunger weltweit. Ebenso wie der Erhalt gesunder Böden. Sein Ministerium werde sich zudem für den Aufbau von Mischwäldern einsetzen.
Mehr Eindrücke vom Abend
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Bundesumweltministerin Steffi Lemke mit ihrer Rede auf dem NABUsalon 2022. - Foto: NABU/Guido Rottmann
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Bauministerin Klara Geywitz unterschreibt im Gästebuch. - Foto: NABU/Guido Rottmann
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Bei sommerlichen Temperaturen diskutierten rund 250 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft über Lösungen der Menschheitskrisen. - Foto: NABU/Susann Paufler
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Grüne-Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer mit NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger. - Foto: NABU/Susann Paufler
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Bundesumweltministerin Steffi Lemke und Künstlerin Steffi Gendera. - Foto: NABU/Susann Paufler
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NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller mit den Schauspieler*innen Rüdiger Joswig und Claudia Wenzel. - Foto: NABU/Susann Paufler
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Jürgen Trittin (Grüne) unterschreibt das zu versteigernde Live-Painting. - Foto: NABU/Susann Paufler
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Bundestagsabgeordnete Bettina Hoffmann mit NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller und NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger. - Foto: NABU/Susann Paufler
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Weitere Gäste waren Schauspieler*innen Janina Hartwig und Andreas Hoppe. - Foto: NABU/Susann Paufler
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Bundesumweltministerin Steffi Lemke und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir beim NABUsalon 2022. - Foto: NABU/Susann Paufler
Steffi Lemke: Vier Milliarden für den Naturschutz
Cem Özdemir betonte die Kraft, die in der engen Zusammenarbeit von Bundesumwelt- und Bundeslandwirtschaftsministerium liege. So zeigte sich Steffi Lemke (Grüne) auch belustigt, dass der Vegetarier Cem Özdemir ausgerechnet Bundeslandwirtschaftsminister geworden und sie als Agrarwissenschaftlerin nun Umweltministerin sei. „In der neuen Bundesregierung sind wir mit großer Aufbruchsstimmung und Euphorie gestartet“, sagte sie. Der Krieg in der Ukraine hätte diese zunächst gebremst, doch der politische Wille zur Transformation sei in der Bundesregierung da. Ein wesentlicher Meilenstein sei das Bundesprogramm für natürlichen Klimaschutz, das mit vier Milliarden Euro ausgestattet sei. „Das wird ein Paradigmenwechsel“, so die Ministerin. Wichtig sei, dass das Geld nun im Moor, in den Auen, im Wald ankomme und konkrete Maßnahmen für den natürlichen Klimaschutz umgesetzt werden. „Wir brauchen diese Unterstützung vor Ort, um Erfolge zu erzielen“, sagte sie auch in Richtung NABU.
So waren alle Redner*innen einhellig der Meinung, dass der Naturschutz essenziell sei zur Lösung der Klimakrise. Denn gesunde Moore, Wälder, Auen und Meere speichern enorme Mengen an Kohlenstoff und können so wertvolle Beiträge für die Vielfalt der Natur und die Rettung unserer Lebensgrundlagen leisten.
Tatort-Schauspielerin ChrisTine Urspruch setzt sich für Moore ein
Für einen der wichtigsten natürlichen Verbündeten im Kampf gegen die Klimakrise setzt sich auch die Schauspielerin ChrisTine Urspruch ein. Die aus dem Münsteraner Tatort bekannte Rechtsmedizinerin Silke Haller – besser bekannt als „Alberich“ – setzt sich künftig gemeinsam mit dem NABU für die Moore ein. Sie erhielt die Urkunde als NABU-Moorbotschafterin von NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Besonders die Moorfrösche, die sich zur Balzzeit blau färben, haben es ihr angetan.
Mit blauen Getränken – benannt nach Arten wie Sumpfohreule oder Knäkente – ging es auch in den Abend über. An einem Wackelturm der Biodiversität könnten die Gäste ihre Geschicklichkeit unter Beweis stellen. Begleitet von Teresa Bergman und Band feierten die Gäste bis tief in den Abend hinein.
Der Bundestag hat ein Wind-an-Land-Gesetz verabschiedet. Damit wird die Ausweisung von zwei Prozent der Landesfläche in den Bundesländern geregelt. Einheitliche Flächenausweisung hat Potenzial, aber es kommt auf die Umsetzung an. Mehr →
Der NABU als Deutschlands größter Umweltverband setzt sich für Frieden ein. Mit Projekten in Russland und der Ukraine kommen Herausforderungen auf uns zu. Zudem müssen Deutschland und die EU krisenfest werden – Klima- und Naturschutz sind dabei entscheidend. Mehr →