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Jetzt NABU-Mitglied werden!Bioökonomie in planetaren Grenzen
NABU-Talk: Ideen für eine naturverträgliche Umsetzung
Nicht nur die Politik sucht nach Lösungen, um den Verbrauch fossiler Ressourcen zu reduzieren. Dabei gewinnt die Verwendung von biologischen Ressourcen, die sogenannte Bioökonomie, zunehmend an Bedeutung. Doch Bioökonomie auf einen einfachen Austausch der fossilen Rohstoffbasis zu beschränken, führt in eine Sackgasse.
Mit einem Begrüßungsstatement eröffnete Dr. Steffi Ober (stellvertretende Fachbereichsleiterin Klima- und Umweltpolitik des NABU) die Veranstaltung und betonte, wie wichtig es sei, Bioökonomie und Ressourcenschutz zusammen zu denken. Ober zufolge brauchen wir neue Ideen, wie wir die Planetaren Grenzen in unsere Art des Produzierens und Konsumierens übersetzen können. Neue Wege unseres Wirtschaftens und unseres Umgangs mit Ressourcen müssten auf diese Weise entstehen. Sie verwies dabei auf die kürzlich veröffentlichte NABU-Position zur Bioökonomie und das ergänzende NABU-Ideenheft mit Praxisbeispielen zur Umsetzung einer zukunftsfähigen Bioökonomie.
Im Rahmen des von Christiane Grefe moderierten NABU-Talks wurde diskutiert, welchen Beitrag konkrete Beispiele aus der bioökonomischen Praxis zu aktuellen Herausforderungen wie der Klimakrise, Ressourcenknappheit und dem Ernährungswandel leisten können. Dafür kamen drei Akteur*innen zu Wort, die unterschiedliche Lösungsansätze verfolgen:
- ZirkulierBAR: Die Rohstoffpotenziale menschlicher Ausscheidungen nutzen und in regionalen Nährstoffkreisläufen gewinnbringend einsetzen.
- GemüseheldInnen: Graue Stadtlandschaften blühen auf. Eingefahrene Ernährungs- und Konsummuster durch soziales Miteinander ändern.
- Baumfeldwirtschaft: Keyline-Design, Agroforst: Multifunktionale und biodiverse Strukturen in unserer Landwirtschaft etablieren.
Details zu den Projekten aus der Praxis finden sie hier:
Impulsvorträge aus der Praxis
Dr. Ariane Krause: Mit Rohstoffen aus Trockentoiletten Kreisläufe schließen
Dr. Ariane Krause, Projektkoordinatorin von zirkulierBAR, erklärte, wie Nährstoffe aus verzehrten Lebensmitteln zurückgewonnen und der Landwirtschaft wieder zugeführt werden können. Dafür werden menschliche Ausscheidungen in Trocken-Trenntoiletten separat voneinander gesammelt (Urin & Fäzes). Auf dem Wertstoffhof in Eberswalde können diese in gesundheitlich unbedenkliche, nährstoffreiche und schadstoffarme Recyclingdünger für Landwirtschaft und Gartenbau umgewandelt werden. Dieser Ansatz bietet Kommunen eine wassersparende und ressourcenschonende Alternative zu wasserabhängigen Abwasser- und Klärsystemen.
Die Vorteile solcher Systeme liegen auf der Hand: Regionale Nährstoffkreisläufe können dazu beitragen, Emissionen zu senken, Trinkwasser einzusparen und stark nachgefragte Ressourcen wie Phosphor zurückzugewinnen. Eigentlich eine Win-Win-Situation – doch bislang weder im Licht der Politik noch der Öffentlichkeit. Um diese einmaligen Chancen nutzen zu können, braucht es viel mehr politisches Engagement: Beispielsweise müssen Abfallrecht und Düngemittelverordnung angepasst werden, um die Recyclingdünger auf den Markt zu bringen.
Auch Kommunen müssen überzeugt werden, dass sie – statt in teure Abwassersysteme zu investieren – wo immer möglich auf diese Trennsysteme setzen. Deshalb bietet das Projekt schon heute überzeugende Konzepte an, die im Landkreis Barnim in einem Reallabor erprobt werden. Daneben sind in Leipzig, Köln und Darmstadt bereits öffentliche Trockentrenntoiletten im Einsatz und die Verwertung wird in ersten Schritten umgesetzt. Deutschlandweit verfolgen mehr als 20 interessierte Kommunen die Forschungsfortschritte.
Philina Schmidt: Essbare Stadtlandschaften für Klimaschutz und Ernährungssouveränität
Philina Schmidt von den GemüseheldInnen Frankfurt berichtete über ihr Konzept des gemeinschaftlichen Gärtnerns. Die GemüseheldInnen gärtnern für eine blühende und essbare Stadtlandschaft, die das Klima schützt und Ernährungssouveränität schafft. Dabei setzen sie auf das ehrenamtliche Engagement freiwilliger Bürger*innen. So entstehen Gemeinschaftsgärten, in denen nicht nur Obst und Gemüse angebaut werden, sondern auch wichtige Orte des Lernens, Erlebens und sozialen Miteinanders. Die GemüseheldInnen zeigen, wie in (Groß-)Städten lokale Nahrungsmittelproduktion mit artenreichen Rückzugs- und Erholungsorten kombiniert werden kann. Dies leistet einen Beitrag für suffizientere und ökologisch-tragfähige Konsummuster.
Von der Politik wünschen sich die GemüseheldInnen vor allem mehr langfristig nutzbare Flächen, die von Bürger*innen gestaltet werden dürfen. Und von ihren Mitmenschen wünschen sie sich „mehr Mut selbst anzupacken und einfach mal zu machen“.
Dr. Philipp Gerhardt: Die Schaffung von Klimalandschaften
Zuletzt stellt Dr. Philipp Gerhardt sein Unternehmen Baumfeldwirtschaft vor, das monotone Landwirtschaftsflächen in lebendige und strukturreiche Landnutzungssysteme verwandelt. Durch die Integration von Bäumen und Hecken, die Kohlenstoff binden, Humus aufbauen, Wind- und Erosionsschutz bieten und somit die Wasserrückhaltefähigkeit des Bodens verbessern, können die Folgen der Klimakrise verringert werden.
Starkregen und Dürreperioden begleiten schon heute merklich die Klimakrise. Durch diverse Gehölzstreifen strukturierte Klimalandschaften halten bei Starkregen das Wasser in der Landschaft, weisen bei Hitze deutliche Kühlungseffekte auf und stellen somit insgesamt artenreichere und stabilere Produktionssysteme dar. Eigentlich eine Win-Win-Lösung für alle. Doch wird auch dieser Ansatz bisher viel zu wenig genutzt, da die europäischen wie nationalen Agrar-Förderungen für Landwirt*innen nicht flexibel genug sind. Für den dringend notwendigen Umbau hin zu einer klimaangepassten Landwirtschaft braucht es deutlich höhere finanzielle Unterstützung.
Weitere interessante Praxisbeispiele finden sich in unserem NABU-Ideenheft.
Biotechnologie-Zukünfte
In der Bioökonomie spielen neben dem Wandel in der Landwirtschaft, der Änderung von Konsum- und Produktionsgewohnheiten und sozialen Innovationen auch biotechnologische Lösungen immer wieder eine Rolle. Es gibt sie für verschiedenste Bereiche: Materialien, Chemikalien, alternative Proteine oder Recyclingstrategien kommen nicht ohne sie aus. Doch wie nachhaltig sind diese neuen Technologien und welche Rolle spielen sie in einer zukunftsfähigen Bioökonomie? Eine Antwort kann die Technikfolgenabschätzung geben, die das Institut für Technikfolgenabschätzung Wien im Auftrag des NABU durchführte. Die Chancen und Risiken neuer Technologien wurden in Umfragen und einem Stakeholderdialog intensiv beleuchtet.
Institut für Technikfolgenabschätzung Wien: Ergebnisse des Workshops
Fazit der Veranstaltung
Der NABU-Talk stellte Lösungen für eine Bioökonomie in planetaren Grenzen vor, die eine funktionierende Kreislaufwirtschaft umsetzen, artenreiche Biotope ermöglichen, den Verbrauch fossiler Ressourcen reduzieren und die Auswirkungen der Klimakrise begrenzen können. Mangelnde öffentliche Aufmerksamkeit, bürokratische Hürden und fehlende finanzielle Ressourcen bremsen vielversprechenden Ansätze aus. Damit diese Innovationen umgesetzt und verbreitet werden können, muss die Politik diese Chancen erkennen und konkrete Gesetze sowie bestehende Förderregime ändern. Und wir alle können nachhaltige Innovationen voranbringen, indem wir darüber kommunizieren und ihre Umsetzung unterstützen.
Unsere Beispiele machen Lust auf Wandel und Zukunft – ein Win-Win für uns alle.
Wir danken allen Referent*innen und Teilnehmer*innen für ihren wertvollen Input. Ein besonderer Dank geht auch an das BMUV, das unser Projekt zu einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Bioökonomie förderte.