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Jetzt NABU-Mitglied werden!Diskussionsveranstaltung – „Wie wird der Bundesverkehrswegeplan klima- und naturverträglich?“
Der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) legt mit der Verkehrsinfrastruktur für viele Jahre fest, wie Mobilität gestaltet wird. Er muss so umgestaltet und neu priorisiert werden, dass er den Weg in eine naturverträgliche und klimaneutrale Zukunft weist. Aus Sicht von NABU und BUND ist es damit unausweichlich, dass bei der anstehenden Bedarfsplanüberprüfung deutliche Anpassungen vorgenommen werden, damit der Bundesverkehrswegeplan die Mobilitätswende unterstützt und nicht das System Auto weiter festigt. Am 9. Februar 2023 hatten beide Verbände deshalb zu einer Diskussionsveranstaltung eingeladen, die auch online verfolgt werden konnte.
Zu Beginn der Veranstaltung ordnete Dr. Philine Gaffron vom Institut für Verkehrsplanung und Logistik der TU Hamburg die aktuelle Lage zum Bundesverkehrswegeplan ein und zeigte Handlungsnotwendigkeiten und -möglichkeiten der Verbesserung und sagte, dass die laufende Bedarfsplanüberprüfung eine große Chance für eine umfassende Neubewertung aller Projekte sei. Dabei müssten transparente Nachhaltigkeitskriterien und Klimaschutzanforderungen beachtet werden, damit die Projekte zukunftsweisend würden.
„Klimacheck“ für neue Straßenbauprojekte: Vorbild Österreich?
Es folgte ein Vortrag von Günther Lichtblau, Leiter Klimaschutz des österreichischen Umweltbundesamtes. In Österreich wurden vor gut einem Jahr alle neuen Straßenprojekte individuell auf ihre Zukunftsfähigkeit mittels eines „Klimachecks“ geprüft. Neben bekannten Kriterien wie der Verkehrssicherheit und wirtschaftlichen sowie regionalen Bedürfnissen, standen dabei erstmals der Schutz von Klima und Umwelt sowie die Eindämmung des Flächenverbrauchs im Zentrum. Das Ergebnis ist, dass alle geprüften Projekte den Zielen des Klima- und Bodenschutzes zuwider laufen und deshalb entweder vorerst nicht weiterverfolgt oder auf Alternativen geprüft werden.
„Es ist unabdingbar, diesen Weg zu beschreiten. Wir werden Klimaschutz betreiben müssen, es bleibt uns ja überhaupt nichts anderes übrig“, sagte Lichtblau und führte weiter die Herangehensweise in Österreich aus. „Sie müssen an so ein Projekt herangehen nicht mit im Gedanken ,Ich will eine Straße bauen und wie schaut die aus, wo liegt die?‘. Sondern der grundlegende Gedanke muss sein: Was hab ich für ein Mobilitätsbedürfnis in dieser Region und wie kann ich das klimakompatibel decken? Und vielleicht purzelt doch eine Straße heraus am Ende, mag sein, aber aller Wahrscheinlichkeit nach purzelt jede Menge öffentlicher Verkehr raus, sehr viel Radverkehr, sehr viel Fußverkehr.“
Den Bundesverkehrswegeplan zeitnah an die Ziele des Klima- und Naturschutzes anpassen
Moderiert von Jana Kugoth diskutierten im Anschluss die beiden Vortragenden mit dem Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesumweltministerium (BMUV), Christian Kühn, dem NABU-Präsidenten Jörg-Andreas Krüger und dem BUND Vorsitzenden Olaf Bandt. Einen „Zwischenruf“ gab es von der rheinland-pfälzischen Klimaschutz- und Mobilitätsministerin Katrin Eder, die an lokalen Beispielen wie dem Naturschutzgebiet Mainzer Sand deutlich machte, wie dringend der BVWP überarbeitet werden muss. Aber auch, wie komplex die Herausforderungen sind, wenn Verwaltungen vor Ort und eine Landesregierung bereits eine minimierte Ausbauversion wollen und das nicht gegen den Willen des Bundesverkehrsministeriums durchgesetzt bekommen. Die Ministerin sprach sich für eine Priorisierung von Schieneninfrastruktur und die bevorzugte Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken aus.
Wie das Bundesumweltministerium sich aktiv in die Neugestaltung des Bundesverkehrswegeplans noch in dieser Legislatur einbringen werde, fragte das Bündnis Verkehrsinitiativen – ein Zusammenschluss von mehr als 80 einzelnen Bürgerinitiativen, die bundesweit jeweils vor Ort gegen Projekte des Fernstraßenbaus vorgehen. Der Parlamentarische Staatssekretär im BMUV, Christian Kühn, sagte, das Thema würde von seinem Haus in jeder Sitzung angesprochen, aber federführend sei das Verkehrsministerium.
Die Veranstaltung zeigte, dass nicht nur die teils seit Jahrzehnten klar und anerkannten Zahlen und Fakten, sondern auch viele Stakeholder dafür sprechen, den BVWP zeitnah an die Ziele des Klima- und Naturschutzes anzupassen, auch wenn es dabei Zielkonflikte zu lösen gibt. Oder wie es Günther Lichtblau treffend formulierte: „Wir haben ein hohes Zielwissen, aber noch wenig Transformationswissen.“ Umso bedauerlicher war es, dass kein*e Vertreter*in des zuständigen Verkehrsministeriums der Einladung gefolgt war, um die Herangehensweisen zu beurteilen und zu diskutieren.