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Jetzt NABU-Mitglied werden!Eine nachhaltige Bioökonomie?
Der schwierige Spagat zwischen Utopie und Realität
Vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges und der dringenden Notwendigkeit die Klima- und Biodiversitätsziele zu erreichen, ist der Ausstieg aus Kohle, Erdöl und Gas unabdingbar. Die Ausweitung der Biomasseproduktion erscheint hier als logische Konsequenz. Von allen Seiten wächst die Nachfrage an biologischen Ersatzstoffen für unterschiedlichste Anwendungen: Gebraucht werden Nahrungs- und Futtermittel, Baumaterialien, Ausgangsstoffe für die chemische Industrie, Produkte des täglichen Bedarfs und natürlich Energie.
…doch nachhaltig ist das Ganze nicht. Die Moderatorin Christiane Grefe vertiefte die Frage, wie die Einhaltung der planetaren Grenzen zur Leitidee der Bioökonomie werden kann. Das jetzige politisch-ökonomische System scheint dafür nicht die geeigneten Rahmenbedingungen zu liefern.
Katharina Schwarz, Leiterin des Referats Natur- und Umweltangelegenheiten der Gentechnik und der Bioökonomie beim BMUV, wies in ihrem Eröffnungsstatement darauf hin, dass das Zeitalter der Breitennutzung fossiler Rohstoffe vorbei sei. Die Kosten für die Nutzung der fossilen Rohstoffe seien für aktuelle und kommende Generationen zu groß. Die Bioökonomie könne vor diesem Hintergrund einen Beitrag zur Transformation zu einem nachhaltigeren System leisten. Doch dafür ist eine kluge Steuerung unerlässlich, damit Fehlinvestitionen und Pfadabhängigkeiten vermieden werden können.
Impulsvorträge
Anschließend stellte Vivienne Huwe, NABU-Referentin für Bioökonomie, die Inhalte und Ziele des BMUV-geförderten Projektes „Vorreiter für eine zukunftsfähige Bioökonomie – Lösungsideen für eine nachhaltige, naturverträgliche und zirkuläre Bioökonomie“ vor. Sie machte deutlich, weshalb innovative politische und wirtschaftliche Steuerungsinstrumente dringend notwendig seien, damit mehr Biodiversitäts- und Klimaschutz-fördernde Unternehmungen in den Mittelpunkt unseres Wirtschaftens gestellt werden können.
Impulsvortrag Vivienne Huwe
Danach referierte Dr. Bartosz Bartkowski, Umweltökonom am Helmholtz Zentrum für Umweltforschung, über einen möglichen institutionellen Rahmen der Bioökonomie. Er betonte, dass die Bioökonomie grundsätzlich das Potenzial aufweist, drei drängenden gesellschaftlichen Kernherausforderungen entgegenzutreten: Klimaschutz, Klimaanpassung und Biodiversitätskrise. Mit den richtigen Weichenstellungen könnten durch die Bioökonomie multifunktionale und resiliente Landschaften geschaffen werden, die verschiedene Funktionen gleichzeitig erfüllen: Nahrungsmittelproduktion, Bereitstellung von Materialien für die stoffliche Nutzung, Platz für Erholung, biodiverse Lebensräume und Rückzugsorte. Dafür müsse ein institutioneller Rahmen geschaffen werden, der nicht nur eine Anpassung der Eigentumsrechte, sondern auch die Inwertsetzung von öffentlichen Gütern umfasst. Der Boden ist zwar ein privates Gut, leistet jedoch einen bis jetzt nicht monetarisierten Beitrag für wichtige Allgemeingüter wie Klima und Biodiversität. Notwendig sei daher ein Politik-Mix aus Ordnungsrecht, Anreizen und weichen Instrumenten.
Impulsvortrag Dr. Bartosz Bartkowski
Über ökonomische Instrumente für den Ressourcenschutz sprach Dr. Klaus Jacob, Politikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin. Als einen zentralen Hebel sieht er die Einführung von Umweltsteuern am Anfang oder am Ende der Wertschöpfungskette. Jedoch kann dies zu Problemen bei der Wettbewerbsfähigkeit oder bei der ökologischen Zielgenauigkeit führen. Prinzipiell seien ökonomische Instrumente für den Schutz biologischer Ressourcen noch nicht auf der tagespolitischen Agenda. Im Gegenteil: Die Biomasse-Nutzung soll perspektivisch gesteigert werden, um den Verbrauch fossiler Rohstoffe reduzieren zu können. Hier muss sorgsam geprüft werden, wie Vermeidungsreaktionen ausfallen werden, wenn abiotische Materialien über den CO2-Preis verteuert werden.
Impulsvortrag Dr. Klaus Jacob
Podiumsdiskussion
Christiane Grefe moderierte die anschließende Podiumsdiskussion. Neben Dr. Bartkowski und Dr. Jacob bereicherten Jun.-Prof. Lisa Biber-Freudenberger, Umweltwissenschaftlerin von der Universität Bonn und von Dr. Dennis Eversberg, Soziologe von der Universität Jena das Podium mit ihren Ansichten. Es drehte sich um die Fragen, welche politischen Maßnahmen für ein nachhaltigeres und sozial-gerechteres Wirtschaften notwendig sind und ob das Konzept der Bioökonomie dafür der richtige Schlüssel ist:
Jun.-Prof. Lisa Biber-Freudenberger wies auf die Diskrepanz hin, die zwischen den Zielen der Bioökonomie und den Grenzen der Ressourcennutzung steht. Die Entkopplung von Konsum und negativen Begleitfolgen kann nur bedingt durch ökonomische Instrumente aufgefangen werden. Ihr zufolge kann der Preis allein nicht regulieren. Stattdessen muss die Politik Bedingungen für soziale Gerechtigkeit schaffen. Weniger Konsum erfordere eine andere Definition von Lebensqualität. Dafür sei die Kombination von ökonomischen Maßnahmen und gesellschaftlicher Transformation erforderlich. Die Priorität müsse sein, dass „alle auf dem Planeten ein gutes Leben haben“. Ihr zufolge sind Regulierungen ein wichtiges Instrument, die basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, demokratisch errungen werden müssten.
Dr. Dennis Eversberg zufolge ist die Bioökonomie ein zwingender Bestandteil der Degrowth-Debatte. Unsere Ökonomie, und somit auch die Bioökonomie, müsse ein Weniger ermöglichen. Dazu müssen wir als Gesellschaft aber unsere Bedürfnisse und Wünsche verändern. Dr. Eversberg spricht sich für eine demokratische Ökonomie und eine sozial-ökologische Transformation aus, in der viele Menschen partizipieren können. Es sollte demokratisch ausgehandelt werden, was getan wird anstatt dass allein die Preise den Kurs bestimmen. Dafür braucht es neue Eigentumsformen, bei denen nicht die Aktionär*innen, sondern die Beschäftigten mehr Einfluss haben. Dieser kulturelle Wandel müsse von einer Mehrheit initiiert werden, sodass gezeigt werden könne, dass eine andere Realität möglich sei.
Dr. Jacob betonte, dass nachhaltiges Wirtschaften auf Suffizienz, Kreislaufwirtschaft und Effizienz beruhen müsse. Die verschiedenen Maßnahmen der Ressourcenschonung dürften nicht, so wie in der aktuellen Debatte, nur auf Effizienz beruhen, sondern müssten vielmehr ineinandergreifen. Aber wir müssten auch darüber nachdenken, Obergrenzen zu definieren, damit wirklich weniger Ressourcen verbraucht werden. Eine Ausweitung der Kaskadennutzung sei in diesem Zusammenhang sehr sinnvoll. Doch das müsste durch politische Maßnahmen geregelt werden.
Dr. Bartkowski spricht sich für eine grundsätzliche Reduktion und Substitution von fossilen Rohstoffen durch biobasierte Rohstoffe aus. Doch stellt er dabei infrage, ob wir überhaupt über genug Biomasse verfügen, um die fossilen Rohstoffe zu ersetzen. Er schlägt in diesem Zusammenhang eine Priorisierung der Nutzung von fossilen Rohstoffen vor. Darüber hinaus betont Dr. Bartkowski die Herausforderungen, die mit einer Anpassung des Ordnungsrechts einhergehen. Das Ordnungsrecht führt zu immer mehr kleinteiligen Verboten und Grenzwerten. Ihm zufolge seien Anreizinstrumente hingegen viel flexibler.
Wir danken allen Referent*innen und Teilnehmer*innen ganz herzlich für ihren wertvollen Input. Ein besonderer Dank geht auch an das BMUV, das unser Projekt zu einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Bioökonomie fördert.
FAZIT
Die Veranstaltung lieferte ein spannendes Spektrum an Möglichkeiten, wie wir als Gesellschaft ein nachhaltigeres Wirtschaften erreichen können. Doch wo setzt man an?
Ausgehend vom Status-Quo müssen regulatorische und politische Stellschrauben identifiziert werden, wie der Verbrauch an Biomasse gedrosselt und umweltverträglicher gestaltet werden könnte – beispielsweise mit verlässlichen Umweltsteuern, Anreizsystemen und Verboten? Offensichtlich reicht das allein nicht aus. Noch fehlen uns die richtigen politischen Instrumente, um eine ganzheitliche sozial-ökologische Transformation, die eine neue Definition von Teilhabe und Lebensqualität impliziert, in die Wirklichkeit umzusetzen.
Unsere Suche nach Lösungsansätzen für eine systemische, nachhaltige Bioökonomie wird im Rahmen unseres Projektes weiter vertieft und wir freuen uns auf Eure und Ihre Begleitung!
Wir danken unserer Moderatorin sowie allen Referent*innen und Teilnehmer*innen ganz herzlich für ihren wertvollen Input. Ein besonderer Dank geht auch an das BMUV, das unser Projekt zu einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Bioökonomie fördert.