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Darum sind unser Engagement für Natur und Umwelt, unsere Grundwerte und die Zivilgesellschaft bedroht
Der NABU ist offen für ein breites Spektrum politischer und gesellschaftlicher Vorstellungen über die Zukunft unseres Landes. Was uns eint, ist die gemeinsame Sorge um den Zustand der Natur, der Arten, der Umwelt und des Klimas der Welt, in der wir leben. Wir grenzen in unserer Arbeit niemanden aus, dem es um eine wertegebundene Zukunft unseres Landes, um mehr individuelle Freiheiten oder um mehr soziale Gerechtigkeit in der Gesellschaft geht. Maßgeblich ist für uns die Orientierung an der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, so wie wir es in § 3 (2) der NABU-Bundessatzung festgelegt haben. Zentrales Kernelement unserer Grundordnung ist die Würde des Menschen und der Artikel 3 „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“ und „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“
Wir treten gemeinsam dafür ein, den demokratischen Rechtsstaat mit seinen Beteiligungs- und Kontrollmöglichkeiten zu verteidigen, aber auch die Demokratie weiterzuentwickeln, um sie attraktiver und damit widerstandsfähiger gegen ihre Feinde zu machen. Als Ehrenamtsorganisation wollen wir ein Vorbild für ein werteorientiertes, demokratisches Handeln in der Zivilgesellschaft sein.
Durch populistische Strömungen in unserer Gesellschaft sehen wir unsere fachliche Naturschutzarbeit, unsere Grundwerte und den NABU als Verband grundsätzlich gefährdet. Deshalb ist es uns wichtig, sich klar zu positionieren und zu begründen, warum populistische Deutungen im Widerspruch zu unseren Zielen stehen. Denn mitten in der Klima- und Naturkrise und angesichts vielfältiger Angriffe auf unsere Demokratie brauchen wir einen starken, demokratischen und solidarischen Zusammenhalt, um den notwendigen Wandel gemeinsam zu organisieren.
Inhaltsverzeichnis
1. Warum wir uns mit Populismus, Rechtspopulismus und Rechtsextremismus auseinandersetzen müssen
2. Darum ist die fachliche Naturschutzarbeit des NABU gefährdet
- Unsere Arbeit ist wissenschaftsbasiert
- Für komplexe Probleme gibt es keine einfachen Lösungen
- Beispiele rechtspopulistischer Positionen im Natur- und Umweltschutz
3. Darum sind populistische Strömungen mit den Grundwerten des NABU unvereinbar
4. Darum ist das rechtsstaatliche Prinzip für uns wichtig
- Angriff auf Beteiligungs- und Klagemöglichkeiten – Natur ohne Rechtsschutz?
- Der Rechtsstaat als Garant für unsere Verbandsarbeit
- Fehlentwicklungen in unserer Demokratie korrigieren
5. Handeln konkret – was wir tun
- Angebote des NABU
Fazit
1. Warum wir uns mit Populismus, Rechtspopulismus und Rechtsextremismus auseinandersetzen müssen
Die Umwelt- und Naturschutzarbeit des NABU umfasst auch die Auseinandersetzung mit politischen Botschaften und Zielen sowie die Kommentierung gesellschaftlicher Entwicklungen, die den NABU und seine Themen betreffen. Im Folgenden erläutern wir daher detaillierter, woraus wir unsere Position zum Populismus ableiten und warum wir uns als Umweltverband mit diesem Thema auseinandersetzen müssen.
Der DUDEN definiert Populismus als von Opportunismus geprägte, volksnahe, oft demagogische Politik, die das Ziel hat, durch Dramatisierung der politischen Lage die Gunst der Massen (im Hinblick auf Wahlen) zu gewinnen. Die Bundeszentrale für politische Bildung formuliert: „Als Populismus bezeichnet man eine politische Grundhaltung, die in radikaler Opposition zu den herrschenden politischen und gesellschaftlichen Eliten steht und für sich selbst reklamiert, den „wahren“ Volkswillen zu erkennen und zu vertreten. Kern dieser Haltung ist die dichotomische Abgrenzung des moralisch guten, tugendhaften Volkes von den als korrupt und selbstsüchtig bezeichneten Vertretern des sogenannten Establishments.“
Wer jedoch mit der Konstruktion argumentiert, selbst derjenige zu sein, der für das vermeintlich machtlose Volk spricht und dessen Interessen gegen „die Eliten“ zu verteidigen, für den ist es nicht mehr weit, notfalls auch mit Gewalt oder einem Angriff auf die grundgesetzliche Verfasstheit unseres Staates zu agieren. Demokratische Prozesse werden dann in Frage gestellt oder grundsätzlich abgelehnt. Auch das überschreitet die Grenzen unserer Grundordnung.
Für den NABU sind vor allem Angriffe von rechtspopulistischer und rechtsextremistischer Seite ein Problem, wie wir nachfolgend zeigen. Rechtspopulismus und Rechtsextremismus sind inhaltlich anti-pluralistisch, anti-humanistisch, anti-aufklärerisch – und bei der Verfolgung ihrer Ziele offen oder versteckt anti-demokratisch. Zudem schüren sie permanent Ängste vor notwendigen Veränderungen. Als NABU suchen wir nach guten Lösungen für komplexe gesellschaftliche Fragen. Dafür brauchen wir Mehrheiten in demokratischen Prozessen. Wo diese Prozesse nicht gut funktionieren, kritisieren wir lösungsorientiert und schlagen Veränderungen vor. Einseitige Schuldzuweisungen helfen der Natur nicht.
2. Darum ist die fachliche Naturschutzarbeit des NABU gefährdet
Unsere Arbeit ist wissenschaftsbasiert
Für den NABU ist die inhaltliche Arbeit auf wissenschaftlicher Grundlage die Richtschnur seines Handelns. Erkenntnisse aus Forschung und Wissenschaft – selbst, wenn sie von einer großen Zahl von Wissenschaftler*innen anerkannt sind – werden jedoch von Populist*innen oftmals nicht nur geleugnet oder ignoriert, sondern ihnen wird häufig auch eine polemische Auslegung entgegengesetzt, unterstützt von „Fake News“, die abwegige Interpretationen liefern. Diese dienen jedoch nicht dazu, einen wissenschaftlichen Diskurs zu führen, sondern sollen kommunikativ unliebsame Ergebnisse diskreditieren. Mit einer vorurteilsfreien, logischen und an wissenschaftlicher Methodik orientierten Bewertung hat diese spezielle Auslegung der Realität wenig zu tun.
Für komplexe Probleme gibt es keine einfachen Lösungen
Vielen von uns fällt es zunehmend schwer, sich in einer immer komplexeren Welt zurechtzufinden. Da ist es leichter und sogar verständlich, dass Menschen sich angesprochen fühlen, wenn ihnen plakative und simple Antworten auf schwierige und drängende Zukunftsfragen angeboten werden. Aus diesem Grund üben die einfachen Antworten des Populismus auf die komplizierten Fragen unserer Gesellschaft eine große Anziehungskraft aus.
Besonders attraktiv können solche Vereinfachungen sein, wenn gleichzeitig die vermeintlich Schuldigen für das jeweilige Problem präsentiert werden. Und für Populist*innen sind das eben häufig Eliten oder für Rechtspopulist*innen Minderheiten.
Uns Naturschutzmacher*innen ist klar: Diese simplen, einseitigen Antworten greifen zu kurz. Und die Welt wird einfacher dargestellt, als sie ist. So verlockend es auch sein mag, in ein Schwarz-Weiß-Denken zu verfallen – die komplexen Probleme, vor denen wir stehen, wie zum Beispiel die Natur- oder Klimakrise, werden damit nicht gelöst.
Im Folgenden nennen wir einige Beispiele, wie sich rechtspopulistische Gruppierungen, wie die AfD, zu Themen des Natur- und Umweltschutzes positionieren.
Beispiele rechtspopulistischer Positionen im Natur- und Umweltschutz
Klimaschutz
Maßnahmen des Klimaschutzes lehnt der Rechtspopulismus ab. Klimaschutz wird als „wirtschaftsschädlich“, „unnötig“ und „sozialschädlich“ dargestellt. Rechtspopulist*innen setzen auf ein weitgehend unbegrenztes wirtschaftliches Wachstum – hier zeigt sich eine deutliche Schnittmenge mit dem Neo-Liberalismus, der sich auf die Marktkräfte verlässt und staatliche Eingriffe ablehnt. „Auf breiter Front“ soll laut Programmatik dereguliert und „Bürokratie abgebaut“ werden. Zu erwarten ist, dass vor allem Umwelt- und Naturschutzauflagen massiv betroffen wären.
Pestizide
Der Schutz der Umwelt vor Pestizideinträgen, zum Beispiel durch Glyphosat, wird abgelehnt. Die EU-Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln „gehört ersatzlos abgeschafft“.
Landwirtschaft
Das Natur-Wiederherstellungsgesetz der EU (Nature Restoration Law) wird abgelehnt, weil es angeblich „radikal in die Eigentumsfreiheit der Bauern“ eingreift. Statt rechtlicher Vorgaben sollen lediglich finanzielle Anreize geschaffen werden.
Aus ähnlichen Gründen klagte die AfD gegen das bayerische Volksbegehren „Rettet die Bienen“. Sie hatte gefordert, die aus dem Volksbegehren resultierenden Gesetze und damit viele Regelungen für Naturschutz, Artenschutz und Landwirtschaft für nichtig zu erklären. Neben formalen Mängeln sah die AfD das Grundrecht auf Eigentum verletzt, da den Landwirt*innen vorgeschrieben würde, was sie auf ihrem Land machen sollen. Der bayerische Verfassungsgerichtshof wies die Klage in allen Punkten zurück. Die Auflagen für die Landwirtschaft zum Schutz der Tier- und Pflanzenwelt seien „legitim und verhältnismäßig“.
Düngeverordnung
Regelungen zum Eintrag von Düngemitteln zur Sicherung der Qualität unserer Gewässer werden weitestgehend abgelehnt oder unter starken wirtschaftlichen Vorbehalt gestellt: „Die verschärfte neue Düngeverordnung widerspricht (…) der guten landwirtschaftlichen Praxis und gefährdet den Anbau von Kulturpflanzen mit hohem Nitratbedarf, wie z. B. Kartoffeln, Getreide und Mais. Die AfD fordert die Revision der Düngeverordnung, die Aufhebung der pauschalen Reduktion der Düngemengen und die präzise Ermittlung von Eintragsquellen nach dem Verursacherprinzip unter Beachtung von Kostenwirksamkeit und Verhältnismäßigkeit.“
Umweltstandards
Das EU-Lieferkettengesetz zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards wird als unnötiges „Bürokratiemonster“ bezeichnet und abgelehnt.
Ökologisch bauen
Öko-Standards für ein umwelt-, natur- und klimafreundliches Bauen werden abgelehnt, ebenso wie die kommunale Wärmeplanung (WPG) und das Gebäudeenergiegesetz (GEG). Deren relevante Auswirkungen auf den Klimaschutz werden ignoriert.
Verkehr
Die Verkehrswende hin zu einer umweltfreundlichen Mobilität wird als „Umerziehung“ abgelehnt, ebenso wie die Einrichtung von Sonderfahrspuren für klimafreundliche Mobilitätsformen und Tempo-30-Zonen. Populist*innen fordern „Freie Fahrt für freie Bürger“ und lehnen alle Beschränkungen aus anderen Gründen als der Verkehrssicherheit ab.
Tierschutz
Die populistischen Forderungen zum Tierschutz klingen zunächst sehr weitreichend: Grausame oder unnötige Tierversuche werden strikt abgelehnt. Die artgerechte Haltung von Tieren soll in der Landwirtschaft, im Zoo, im Zirkus, in Delphinarien und in der Haustierhaltung durchgesetzt werden. Es fällt jedoch auf, dass die vermeintlich weitreichenden Forderungen häufig lediglich das bereits bestehende Recht wiedergeben. Neue oder darüberhinausgehende Maßnahmen sind kaum vorgesehen.
Umwelt- und Naturschutz sind also nur dann für den Rechtspopulismus bedeutsam, wenn sie in das populistische Weltbild passen.
3. Darum sind populistische Strömungen mit den Grundwerten des NABU unvereinbar
In ihren Satzungen bekennen sich NABU und NAJU zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland.
Der NABU sieht seine Tätigkeit als „verbindendes Element zwischen Nationalitäten, Kulturen, Religionen und sozialen Schichten. Er bietet den Mitgliedern unabhängig von Geschlecht, Abstammung, Hautfarbe, Herkunft, Alter, Glaube, sozialer Stellung oder sexueller Identität einer Heimat.“ (NABU-Satzung in der Fassung vom 22. November 2022). Dieser Bezug auf den Kern unserer Verfassung ist zugleich das Wertegerüst, auf dem der NABU steht. Für die Menschenrechte einzutreten, sich also gegen Diskriminierung, Fremdenhass und Menschenfeindlichkeit zu stellen und Betroffene zu schützen, ist eine wichtige verbandliche Aufgabe. Mitglieder, die ein damit nicht vereinbares Verhalten zeigen, können folgerichtig aus dem Verband ausgeschlossen werden.
Eines der Merkmale des Rechtspopulismus, nämlich die Ausgrenzung von Menschen, widerspricht demnach unseren humanistischen Grundwerten. Der NABU wendet sich gegen ein Gesellschaftsbild, das auch seine Mitglieder und Mitarbeiter*innen, die die Vielfalt der Gesellschaft abbilden, drastisch in ihren Rechten beschneidet.
Auch aus seiner Geschichte heraus begründet, in der es zu einer zwar verzögerten, aber letztlich doch vollständigen Gleichschaltung des Verbandes sowie dem Ausschluss jüdischer Mitglieder kam, bekennt sich der NABU heute uneingeschränkt zu den individuellen Grundrechten aller seiner Mitglieder, Funktionsträger*innen und Mitarbeitenden.
Der NABU ist laut seiner Satzung zur Überparteilichkeit verpflichtet. Jedoch ist diese Unabhängigkeit von politischen Parteien selbstverständlich an Werte gebunden. Und ebenso selbstverständlich beziehen wir eindeutig Stellung, wenn diese Werte – egal von wem – angegriffen werden.
4. Darum ist das rechtsstaatliche Prinzip für uns wichtig
Angriff auf Beteiligungs- und Klagemöglichkeiten – Natur ohne Rechtsschutz?
Ja, Demokratie ist in ihrer Entscheidungsfindung manchmal langsam. Für manche Interessengruppen und für uns gelegentlich auch zu langsam. Aufgrund der Erfahrung, dass nicht ausreichend durchdachte Strategien viel Unheil vor allem im Natur- und Umweltschutz angerichtet haben, sind die Schutzrechte für Natur und Umwelt beschlossen worden. Das kostet manchmal Zeit, verringert aber die Risiken von Fehlentscheidungen.
Der Populismus deutet die notwendigen Aushandlungsprozesse legitimer Interessenperspektiven als Handlungsunfähigkeit des demokratischen Staates, oftmals verbunden mit einer Schuldzuweisung an die Eliten, die den Staat nur für eigene Zwecke missbrauchen. Er „bewundert“ populistische Autokratien wie China oder Russland, wo zum Beispiel Infrastrukturprojekte in kurzer Zeit durchgesetzt werden, ohne durch Beteiligungsmöglichkeiten einer rechtsstaatlichen Demokratie überprüft werden zu können. Effizienter ist das aber nur dann, wenn Geschwindigkeit das einzige Kriterium ist. Berücksichtigen wir jedoch, dass das Ringen um einen Kompromiss zwischen gegenläufigen ökonomischen und gesellschaftlichen Interessen auch dazu führt, dass das Ergebnis tragfähiger ist und mehr Perspektiven berücksichtigt, wird der demokratische Entscheidungsprozess den sich ständig ändernden Rahmenbedingungen besser gerecht.
Gerade rechtsstaatlichen Elemente wie die Beteiligungs- und Klagerechte von Verbänden werden vom Rechtspopulismus diskreditiert, um sie einseitig zu „reformieren“, sprich: die Zugangsmöglichkeiten rechtlich einzuschränken. Dadurch soll eine unabhängige rechtliche Kontrolle von Regierungs- und Verwaltungsentscheidungen ausgehebelt werden – ein fundamentaler Angriff auf die sinnvolle Gewaltenteilung und Beteiligungsmöglichkeiten in einer Demokratie.
Der NABU hat in der Vergangenheit seine Beteiligungsrechte genutzt, um bestehende Mängel in Planungsverfahren aufzuzeigen. In vielen Fällen hat dies zu deutlichen Verbesserungen von Planungen geführt. So konnten Schäden an Ökosystemen und der biologischen Vielfalt abgewehrt oder zumindest in ihren Auswirkungen begrenzt werden. Die Erfolgsbilanz zeigt, dass die Umweltverbände ihre Klagemöglichkeiten effektiv nutzen, um Vollzugsdefizite abzubauen. Bei der Auswahl der Fälle wurde besonders auf die Erfolgsaussichten geachtet und vor allem bei gut belegbaren Vollzugsdefiziten geklagt. Entsprechend sind im langjährigen Mittel etwa 40 Prozent der Klageverfahren erfolgreich. Gute Beispiele für fachlich notwendige Klagen sind die NABU-Klagen gegen die A20, gegen das LNG-Terminal auf Rügen und gegen einen Windpark in Mecklenburg-Vorpommern.
Der Rechtsstaat als Garant für unsere Verbandsarbeit
Mit der institutionellen Gleichschaltung von Verfassungsorganen und Medien ist im autokratisch-populistisch regierten Russland seit dem Jahr 2015 auch die Arbeit von internationalen NGOs drastisch eingeschränkt, bis hin zu deren Verbot als „unerwünschte ausländische Organisation“. Hiervon betroffen ist auch die internationale Arbeit des NABU.
Doch auch in der EU zeigt sich ein Trend bei rechtspopulistischen Regierungen, die inhaltliche Ausrichtung und die Meinungsäußerungen von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zu beeinflussen. Damit wenden sie sich klar gegen ein Markenzeichen der Demokratie und gegen ein wichtiges Mittel für die Bevölkerung, ihre Interessen unabhängig vom Regierungshandeln vertreten zu können.
- Beispiel Ungarn: Hier müssen sich NGOs seit 2021 einer Prüfung durch den staatlichen Rechnungshof unterziehen, wenn ein bestimmter Zuwendungsbetrag aus dem Ausland überschritten wird. Aktuelle Pläne sehen ein zentrales „Büro zum Schutz der Souveränität“ vor, das auch gegen NGOs vorgehen soll, die sich mit politischen Äußerungen bei Wahlen positionieren.
- Beispiel Polen: 2017 verabschiedete das polnische Unterhaus ein umstrittenes Gesetz zur Arbeit von NGOs, das mit einem neuen „Nationalen Freiheitsinstitut“ die Finanzzuweisungen durch die Regierung steuern soll, die in Polen traditionell für Verbände eine stärkere Rolle spielen.
Und selbst in Deutschland gibt es bedenkliche Entwicklungen: Ein offensichtliches Beispiel ist das diskreditierende Vorgehen der AfD gegen unliebsame Organisationen der Zivilgesellschaft. Aber auch bei einigen Reaktionen von Behörden – wie die grundrechtlichen Übergriffe des LKA Bayern gegen Klimaaktivist*innen oder die verfassungsrechtlich zweifelhafte Kritik des sächsischen Rechnungshofes an zivilgesellschaftlichen Förderprogrammen der Landesregierung – ist die Frage berechtigt, ob dieses Verhalten nicht auch den Grundstein für ein verschärftes Vorgehen gegen kritische NGOs legen soll und hierfür die rechtlichen Möglichkeiten und Grenzen auslotet. Es steht zu befürchten, dass auch ein Verband wie der NABU einem deutlichen öffentlichen und institutionellem Druck ausgesetzt wäre, wenn eine populistische Partei an die Regierung käme.
Deshalb besteht unsere Aufgabe darin, uns klar gegen Angriffe auf Organisationen der Zivilgesellschaft zu stellen, damit die im Grundgesetz garantierte Organisations- und Meinungsfreiheit – auch für NGOs wie dem NABU – nicht gefährdet wird.
Fehlentwicklungen unserer Demokratie korrigieren
Ja, es gibt Schwächen in einigen demokratischen Prozessen, die dringend behoben werden müssen. Insofern hat die von vielen gesellschaftlichen Akteur*innen – und nicht nur von Populist*innen – geäußerte Kritik an der derzeitigen Ausgestaltung der liberalen, rechtsstaatlichen Demokratie einen wahren Anteil. Populist*innen bieten für diese Schwächen aber keinerlei Verbesserungen an, sondern nehmen sie zum Anlass, die Demokratie an sich zu diskreditieren. Wir hingegen sind davon überzeugt, dass sich eine lebendige Demokratie in einer ständigen Aushandlung und Weiterentwicklung ihrer Ziele und Methoden befinden sollte.
5. Handeln konkret – was wir tun
Wenn wir uns erfolgreich mit dem Populismus auseinandersetzen wollen, müssen wir uns unserer gemeinsamen Werte bewusst sein und diese auch nach außen vertreten. Darüber hinaus gilt es, das ehrenamtliche politische Engagement nachhaltig zu stärken, einen fragwürdigen Umgang des Populismus mit wissenschaftlichen Erkenntnissen immer wieder zu entlarven und den eigenen Umgang mit der Vielfalt gesellschaftlicher Bevölkerungsgruppen respektvoll und sensibel zu gestalten.
In unserer täglichen Naturschutzarbeit ist es unerlässlich, populistischen Äußerungen und Tendenzen auch in den eigenen Reihen offen und engagiert entgegenzutreten. Darüber hinaus sollten wir mit gutem Beispiel vorangehen und andere gesellschaftliche Gruppen sowohl in der öffentlichen Darstellung unserer Arbeit als auch durch eine stärkere Teilhabe an unseren Aktivitäten und Prozessen einbeziehen. Unsere Werbung für ein Engagement im Naturschutz soll alle Bevölkerungsgruppen ansprechen, nicht nur diejenigen, die sich bereits im NABU verortet fühlen.
Angebote des NABU
- Positionspapier: „Position zum Umgang mit der AfD“ (März 2024),
- Hintergrundpapier ‚NABU und Populismus‘
- „Kein Blattbreit der Rechten“ – Weiterbildungs- und Informationsangebote der NAJU und Kontakt zum verbandsinternen Kompetenznetzwerk,
- Bildungsangebote auf der Lernplattform NABU-Wissen (Stichwort „Politik und Verwaltung“).
Fazit: Es lohnt sich zu kämpfen!
Ja, die populistische Einflussnahme und die Anfeindungen insbesondere aus rechtspopulistischen Kreisen sind real. Die daraus resultierende Gefahr können und wollen wir nicht kleinreden. Aber wir wollen Mut machen: Nicht wegzusehen, sondern genau hinzuschauen, wenn Populist*innen und Rechtspopulist*innen ihre Stimme erheben!
Aus unserer Geschichte haben wir gelernt, genau dann nicht unpolitisch und werteungebunden zu sein, wenn die Demokratie in Gefahr ist, sondern mit allen demokratischen und rechtsstaatlichen Mitteln aufzuklären, zu motivieren und zu begeistern. Für unsere Lebensgrundlagen, die eine intakte Natur und ein stabiles Klima ebenso beinhalten wie das demokratische und friedliche Miteinander einer vielfältigen und weltoffenen Gesellschaft.
Alles andere? Nicht mit uns!
Sie haben Fragen oder Anregungen? Oder Sie wollen uns von Ihren Erfahrungen berichten? Dann schreiben Sie uns – wir freuen uns auf den Austausch mit Ihnen:
Bitte beachten Sie: E-Mails mit beleidigenden, rassistischen oder menschenverachtenden Äußerungen werden nicht beantwortet und kommentarlos gelöscht.
Lust auf Weiterlesen?
Unsere Literaturempfehlungen:
Wer sich schnell einen guten Überblick verschaffen möchte, der sei insbesondere auf das sehr kostengünstige, thematisch breit gefächerte Angebot der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) oder den entsprechenden Landeszentralen hingewiesen.
Die folgende Literatur dürfte dabei für die hier angesprochenen Themen oder darüberhinausgehend von Interesse sein. Die Vorschläge stellen lediglich eine Auswahl aus einem sehr großen Angebot dar:
- Bronner, G. (2020): Fake News & Verschwörungstheorien. Verlagshaus Jacoby & Stuart, Berlin.
- Crouch, C. (2022): Postdemokratie revisited. bpb
- Kraske, M. (2020): Der Riss – Wie die Radikalisierung im Osten unser Zusammenleben zerstört. Ullstein.
- Kraske, M. (2021): Tatworte – Denn AfD und Co. meinen, was sie sagen. Ullstein.
- Kumkar, N.C. (2023): Alternative Fakten. bpb.
- Lewandowski, M. (2022): Populismus – eine Einführung. Zentralen für politische Bildung. Springer VS.
- Ludwichowski, Ingo (2024): Der NABU in Zeiten des Populismus. NABU-Hintergrundpapier.
- Lübbe-Wolff G. (2023): Demophobie – Muss man die direkte Demokratie fürchten? Rote Reihe, Klostermann.
- Mau, S., Lux, T. & L. Westheuser (2023): Triggerpunkte – Konsens und Konflikt in der Gegenwartsgesellschaft. Edition Suhrkamp.
- Mudde, C. & CR Kaltwasser (2019): Populismus – Eine sehr kurze Einführung. bpb.
- Münkler, H. (2022): Die Zukunft der Demokratie. Zentralen für politische Bildung. Christian Brandstätter Verlag, Wien.
- NABU (2024): Position zum Umgang mit der AfD, NABU-Positionspapier.
- Prantl, H. (2017): Gebrauchsanweisung für Populisten. ECOWIN.
- Schäfer, A. & Zürn, M. (2021): Die demokratische Regression – Die politischen Ursachen des autoritären Populismus. bpb.
- Schroeder, W., Greef, S., Elsen, J.T., Heller, L. & Inkinen, S. (2022): Einfallstor für rechts? Zivilgesellschaft und Rechtspopulismus in Deutschland. Campus-Verlag; auch erhältlich über die bpb.
- Sommer et all. (2022): Rechtspopulismus vs. Klimaschutz? bpb.
- Stegemann, B. (2017): Das Gespenst des Populismus. Theater der Zeit.
- Verheyen, Roda & Alexandra Endres (2022): Wir alle haben ein Recht auf Zukunft – eine Ermutigung. dtv.
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