In diesen Zeiten schöpfen wir besonders viel Kraft in der Natur. Werden Sie NABU-Mitglied und helfen Sie mit, damit wir die Natur auch in Zukunft genießen können.
Jetzt NABU-Mitglied werden!Rückenwind aus dem Parlament
Ein Blick in die Naturschutz-Geschichte
von Hans-Werner Frohn
Extra: Wilhelm Wetekamp, Vorkämpfer für Nationalparks
Naturschutz bedarf auch parlamentarischer Unterstützung. Trotz dieser Binsenwahrheit - schließlich betreibt der NABU seit Jahrzehnten parlamentarisches Lobbying - wird oft die Meinung vertreten, die Politisierung des Naturschutzes habe erst mit dem Generationen- und Konzeptionswechsel zu Beginn der 1970er-Jahre begonnen. Als Wolfgang Erz, damals Mitarbeiter des neu ernannten Bundesnaturschutzbeauftragten Bernhard Grzimek, 1970 erklärte, "Opas Naturschutz ist tot!" ging auch er fälschlich davon aus, die Großväter- und Väter-Generationen hätten ihre Arbeit immer als betont unpolitisch verstanden.
Tatsächlich hatten meinungsbildende Vertreter des staatlichen Naturschutzes wie Walther Schoenichen und Hans Klose - beide einst Direktoren der Reichsstelle für Naturschutz, dem heutigen Bundesamt für Naturschutz - in ihren Publikationen immer wieder Naturschutz in einer Sphäre weit oberhalb des Politischen, erst Recht des Partei-Politischen verortet. Sie kolportierten, dass vor allem starke Persönlichkeiten in Regierung und Verwaltung dafür gesorgt hätten, die Anliegen des Naturschutzes durchzusetzen. Schoenichen und Klose hatten aber Entscheidendes unter den Tisch gekehrt. Naturschutz fiel im nicht einfach vom Himmel. Trotz aller demokratischen Defizite konnten auch damals im Kaiserreich "große Männer" nicht einfach in einem politikfreien Raum Naturschutz als neue staatliche Aufgabe durchsetzen.
Es liegt was in der Luft...
Tatsächlich lag Naturschutz als neues Phänomen um 1900 gleichsam in der Luft. Seit den 1870ern entstanden Tier- und Naturschutzvereine. 1875 gründete sich der Deutsche Verein zum Schutze der Vogelwelt. 1899 konstituierte sich unter dem Vorsitz von Lina Hähnle der Bund für Vogelschutz, aus dem der heutige NABU hervorging. 1902 entstand in München der Isartalverein, 1904 der Bund Heimatschutz und 1909 fanden sich Befürworter eines großflächigen Naturschutzes im Verein Naturschutzpark zusammen.
Vor dem Hintergrund dieses zivilgesellschaftlichen Drucks musste sich der Staat dem neu entstandenen Politikfeld Naturschutz zuwenden. Da Naturschutz nach dem damaligen Verständnis zur kulturellen Sphäre zählte, und dieser Bereich Ländersache war, nahmen sich die Bundesstaaten des Kaiserreiches des Gegenstandes an. In Preußen als mit Abstand größtem deutschen Land gelang 1906 mit der Gründung der Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege der entscheidende Durchbruch.
Ringen um Konzepte
Dabei fand der Naturschutz in den Parlamentsfraktionen tatkräftige Unterstützer. Im preußischen Landtag herrschte ein grundsätzlicher Konsens, dass Naturschutz betrieben werden sollte. Über die Konzeption, die finanzielle und personelle Ausstattung, vor allem aber darüber, ob ein eigenes Gesetz einen rechtlichen Rahmen vorgeben solle, wurde allerdings heftig gerungen.
Im Parlament prallten zur Zeit des Kaiserreiches Positionen unversöhnlich aufeinander. Die Konservativen und das katholische Zentrum hielten vor allem Sonntagsreden. Die Nationalliberalen traten für einen zivilgesellschaftlich organisierten Naturschutz ein. Letztlich hielten lediglich die wenigen Linksliberalen die Fahne des Naturschutzes in Berlin hoch. Sie wurden damals nur von den Sozialdemokraten unterstützt, die Naturschutz aber vor allem als Teil der Sozialpolitik verstanden.
Die vermeintlich neue Erkenntnis der 1970er-Jahre, dass Naturschutz ohne politisches Lobbying nicht erfolgreich agieren kann, erweist sich also allenfalls als eine Wiederentdeckung.
Vorkämpfer für Nationalparks
Wilhelm Wetekamp (1859-1945)
Am 30. März 1898 störte Wilhelm Wetekamp sehr zur Verärgerung der Ministerialbürokratie die Routine der dritten Lesung des preußischen Kultusetats. Das Mitglied der Freisinnigen Volkspartei, hielt eine für die Entwicklung des Naturschutzes Weichen stellende Rede. Er beklagte, dass man es trotz der "vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus durchaus wünschenswerthen Meliorationen [
] nicht so weit kommen lassen [dürfe], daß die Natur vollständig vernichtet" werde. Während der preußische Staat seit längerem Denkmalpflege betreibe, fehle es an "Einrichtungen und Mitteln, um die Denkmäler der Entwickelungsgeschichte der Natur" zu erhalten.
Ein "Theil unseres Vaterlandes [müsse] in der ursprünglichen, naturwüchsigen Form" erhalten bleiben. Er forderte, dass "gewisse Theile der Erdoberfläche im natürlichen Zustande" erhalten werden sollten. Konkret regte er an, dass nach dem Vorbild der US-Nationalparke auch in Deutschland "Staatsparks" ausgewiesen werden sollten.
Im westfälischen Lippstadt aufgewachsen, hatte Wetekamp in Berlin, Jena und Breslau Biologie studiert und war anschließend in den höheren Schuldienst eingetreten. 1893 hatte er ein Landtagsmandat in Breslau errungen, das er bis zur Berufung zum Gründungsdirektor des Werner-Siemens-Realgymnasiums in Berlin-Schöneberg im Jahre 1903 innehalten sollte.
Als Linksliberaler vertrat er den Standpunkt, dass Naturschutz sich nicht von elitären Konzepten leiten lassen dürfe, die der breiten Bevölkerung den Zugang zur Natur verwehrten. 1899 legte er eine sehr sozial ausgerichtete Denkschrift für einen staatlich zu organisierenden Naturschutz vor: Mit der Ausweisung von Schutzgebieten vor allem in der Nähe von Großstädten gelte es, auch "ein dringendes soziales Bedürfnis anzuerkennen." Die Position fand angesichts des ansonsten im Naturschutz weit verbreiteten zivilisationsmüden Kulturpessimismus kaum Anklang.
Von 1907 bis 1922 amtierte Wetekamp als brandenburgischer Provinzialbeauftragter für Naturdenkmalpflege. 1922 zählte er mit zu den Gründungsmitgliedern des "Volksbundes Naturschutzes", der sich vehement dafür einsetzte, dass große Bevölkerungskreise im Sinne der Erholung an der Natur partizipieren sollten. Wetekamp war eine Persönlichkeit, die naturwissenschaftliche Interessen, pädagogische Leidenschaft und Einsicht in die Notwendigkeiten und Möglichkeiten politischen Handelns in Einklang brachte.