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Über den Boom der Begräbniswälder
Still ist es hier. Nur das Laub knistert unter dem Schritt. Mächtige Eichen und Buchen säumen den Weg; dazwischen Ahorn, Birken und Lärchen. Morsche Stämme und abgestorbene Kronenreste zeugen von unberührter Natur. Auf den zweiten Blick fallen die postkartengroßen Tafeln ins Auge, die einige der alten Bäume am Stamm tragen: Das 19 Hektar große Waldstück vor den Toren Saarbrückens ist ein Begräbniswald und die Tafeln markieren die letzten Ruhestätten Verstorbener.
Der Begräbniswald wurde im Jahre 2005 eingeweiht. Das Waldstück ist Teil eines Naturschutzgebietes zwischen Netzbach- und Steinbachtal, wo der Wald ungehindert von menschlichen Eingriffen wuchern und wachsen darf wie die Natur es will. Im Lauf der Zeit entsteht hier unter Beteiligung des NABU ein „Urwald vor den Toren der Stadt“ – ein Konzept, dass nicht nur die Natur, sondern auch die Ruhestätten der Verstorbenen auf alle Ewigkeit schützt. Mehrere bedrohte Vogelarten und der stark gefährdete Hirschkäfer haben hier bereits eine Zuflucht gefunden. Naturschutz und alternative Begräbniskultur gehen hier eine fruchtbare Verbindung ein.
Blumenschmuck verboten
Begräbniswälder – auch Friedwälder oder Ruheforste genannt – boomen schon seit einigen Jahren. Die Idee stammt aus der Schweiz: Noch zu Lebzeiten sucht sich der Interessent einen Baum aus, zu dessen Füßen er beerdigt sein will, und erwirbt ein Nutzungsrecht für die Dauer von 99 Jahren. So lange darf der Baum nicht gefällt werden. Schlägt der Blitz ein, wird an gleicher Stelle nachgepflanzt. Ein Grab unter einem „Gemeinschaftsbaum“ kommt auf 500 bis 800 Euro. Ein Baum für die ganze Familie kostet zwischen 2.700 und 6.350 Euro – je nach Standort, Art und Alter des Baumes. Am beliebtesten sind Buchen. Neben Gemeinschafts- und Familienbäumen bieten die einschlägigen Unternehmen auch „Freundschafts“- und „Partnerbäume“ an.
Im Todesfall wird die Leiche eingeäschert und in einer biologisch abbaubaren Urne zwischen den Wurzeln zur letzten Ruhe gebettet. Zum Schutz vor Wild werden die Urnen in 80 Zentimeter Tiefe beigesetzt. Ob die Trauerzeremonie nach christlichen Riten oder konfessionsneutral gestaltet wird, bleibt den Hinterbliebenen überlassen. Blumenschmuck und Grabpflege sind jedoch verboten – der naturnahe Charakter der Begräbniswälder soll erhalten bleiben: „Wer möchte, kann einen Farnwedel ans Grab legen, aber Rosen gehören nicht in den Wald“, sagt Hans-Adam von Schutzendorff von der Friedwald GmbH im hessischen Griesheim, die in Deutschland insgesamt 41 Begräbniswälder betreibt.
Das pflegeleichte Grab
Die Firma, die sich für ihre Begräbniswälder die Bezeichnung „Friedwald“ hat schützen lassen, profitiert vom Wandel in der Bestattungskultur. War früher die Sargbestattung in Deutschland nahezu selbstverständlich, werden heute rund die Hälfte aller Verstorbenen eingeäschert und in der Urne beigesetzt, schätzt die Verbraucherinitiative Aeternitas. Begräbniswälder verstehen viele Menschen als zeitgemäße Ergänzung althergebrachter Bestattungskonventionen. Da Baumgräber nicht gepflegt werden müssen, kommen sie einer Gesellschaft entgegen, die geprägt ist von zunehmender Mobilität und nachlassender Ortsgebundenheit. Oft wohnen die Hinterbliebenen ganz woanders als der Verstorbene. Hinzu kommt, dass ein Baumgrab billiger ist als eine traditionelle Sargbestattung, denn die Kosten für Grabstein und Grabpflege entfallen.
Und der Friedhofszwang, der vorschreibt, dass Verstorbene nur auf kirchlichen oder kommunalen Begräbnisstätten beerdigt werden dürfen? Die Friedwald GmbH und ihr direkter Konkurrent, die Ruheforst GmbH aus dem hessischen Erbach, kooperieren mit Gemeinden, die als Träger für den jeweiligen Begräbniswald auftreten. Damit ist dem Bestattungsgesetz Genüge getan. Friedwald und Ruheforst übernehmen im Gegenzug das Marketing, um den Begräbniswald überregional bekannt zu machen.
Inzwischen ist der Markt für Naturbestattungen groß genug für einen dritten Anbieter: Die Gedenkwald GmbH aus Prien am Chiemsee betreibt bislang jedoch nur einen einzigen Gedenkwald in der Nähe von Bad Aibling. Aber auch konventionelle Friedhöfe bieten Baumbestattungen an, beispielsweise die Waldfriedhöfe in Stuttgart und München.
Werden und Vergehen
In der christlichen Kirche sind die Baumbestattungen umstritten. Besonders schwer tun sich die Katholiken. Immer wieder verweigern Priester eine Waldbestattung. Sie stoßen sich vor allem am Fehlen christlicher Symbole und daran, dass Blumen, Kerzen und Monumente, mit denen die Hinterbliebenen bei traditionellen Bestattungen ihre Verbundenheit mit dem Toten bezeugen, im Begräbniswald verboten sind. Die hessische Landeskirche fürchtet, durch Baumgräber könnten die Verstorbenen noch stärker aus Welt der Lebenden verdrängt werden.
Die Evangelischen sehen das entspannter. Im bayerischen Iphofen betreibt die evangelische Landeskirche in Kooperation mit der Friedwald GmbH sogar einen eigenen Begräbniswald. Im Unterschied zu anderen Friedwäldern markiert ein gut sichtbares Holzkreuz den Eingang. Eine Lichtung im Wald dient als Versammlungsplatz für die Hinterbliebenen, bevor die Urne beigesetzt und die sterblichen Überreste des Verstorbenen in den ewigen Kreislauf des Werdens und Vergehens übergehen.
Hartmut Netz, Naturschutz heute 2011
Die „Verbraucherinitiative Bestattungskultur“ informiert über alle Belange des Bestattungswesens: Tel. 02244-92537, info@aeternitas.de, www.aeternitas.de. Direkte Anbieter-Infos: www.friedwald.de, www.ruheforst.de, www.gedenkwald.de und www.naturbestattungen.de.