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Jetzt NABU-Mitglied werden!Hell wie der lichte Tag
Für Tiere kann nächtliches Kunstlicht tödlich sein
Es geschah an einem nebligen November-Abend: Angelockt vom Flutlicht einer Burgruine setzten über der hessischen Kleinstadt Ulrichstein mehrere tausend Kraniche zur Landung an. Überall im Stadtgebiet gingen die Vögel nieder; landeten auf Straßen, Häusern und Garagen; prallten gegen Fenster, Autos und Lichtmasten. Vier Stunden lang hielten sie Polizei und Feuerwehr in Atem. Sechs Tiere wurden verletzt, 14 starben. Erst nachdem die grellen Burglichter und die Lampen hell erleuchteter Straßenzüge gelöscht wurden, sammelten sich die Kraniche und stiegen wieder auf zu ihrem Flug ins Winterquartier.
Allnächtliche Lichtverschmutzung
Warum waren die Kraniche entgegen ihrem normalem Verhalten ausgerechnet auf den Straßen einer Kleinstadt gelandet? Vogelkundler vermuten, dass die durch den Nebel irritierten Vögel das Flutlicht der Burgruine für eine große Wasserfläche hielten, die sie ansteuerten, um dort zu rasten. Gerade bei schlechter Sicht ziehe der nächtliche Lichtschein über den Städten Zugvögel magisch an. Aber auch vereinzelte Lichtquellen wie Leuchttürme oder illuminierte Hochhäuser können ihnen zum Verhängnis werden: Bei Niedrigflug werden die Tiere geblendet, nehmen Hindernisse in der Flugbahn nicht mehr wahr und fliegen oft direkt auf das erleuchtete Bauwerk zu - beim Aufprall im vollen Flug haben sie keine Chance.
Die Vögel sind Opfer eines Phänomens, für das das Wort "Lichtverschmutzung" geprägt wurde. Denn längst hat der Mensch die Nacht zum Tag gemacht: Straßenlampen, Leuchtreklamen und der Lichtschein unzähliger Wohnhäuser lassen den Himmel über den Städten erglühen. Es bilden sich Lichtglocken, die selbst aus dem All noch zu erkennen sind. Berge werden angestrahlt, Kirchen mit Licht in Szene gesetzt, Autobahnauffahrten taghell ausgeleuchtet und Sportstadien mit Licht regelrecht geflutet. Skybeamer bündeln das Licht und jagen es kilometerweit in den Himmel, als Werbung für Diskotheken und Freiluft-Veranstaltungen.
Kulturgut Sternenhimmel
Die Erde ist zum Lichtermeer geworden, in dem die Sterne verblassen und die Nacht ertrinkt. Großstädte erstrahlen nachts um ein Vielfaches heller als der Sternenhimmel. "Wie viele Sterne sehen wir noch?", fragte im Jahre 2001 das Wiener Institut für Astronomie die Öffentlichkeit. Weit über tausend Österreicher zählten nach: In klaren Nächten waren rund 450 Sterne zu erkennen - bei einer ähnlichen Befragung 50 Jahre zuvor waren es noch 4.500 gewesen. Kein Wunder, dass der funkelnde Sternenhimmel auf einer UN-Konferenz zum schützenswerten Kulturgut erklärt wurde.
Dessen ungeachtet nimmt die Lichtverschmutzung weiter zu: In Deutschland soll die jährliche Zuwachsrate sechs Prozent betragen. Dabei braucht der Mensch die Nacht, denn nur bei Dunkelheit produziert die Zirbeldrüse den Botenstoff Melatonin, der für einen erholsamen Schlaf sorgt. Stadttypischer Lichteinfall durch Straßenlaternen, flackernde Leuchtreklame oder das Flimmern des Autoverkehrs verhindert jedoch die Melatonin-Ausschüttung und der Wach-Schlaf-Rhythmus wird gestört. "Der Schlaf wir unruhiger und weniger tief", sagt Jürgen Zulley, Schlafforscher an der Universität Regensburg. Bei chronischen Störungen kann es zu Leistungsabfall kommen, die Gefahr von Depressionen steigt. Da bleibt nur: Rollo runter.
Tod in der Lichtfalle
Im Gegensatz zum Menschen, der sich gegen Lichtsmog schützen kann, sind Insekten dem Kunstlicht wehrlos ausgeliefert. Allnächtlich gehen Milliarden von Mücken, Fliegen, Käfern und Nachfaltern in die tödliche Lichtfalle. Beim abendlichen Spaziergang kann man ganze Schwärme sehen, wie sie im rauschhaften Bann um den milchigen Schein der Straßenlaternen kreisen bis sie in der Hitze verbrennen oder nach endlosen Rundflügen erschöpft verenden. "Künstliche Lichtquellen tragen zum allgemeinen Artenschwund bei", sagt Arno Schanowski, Biologe am Bühler NABU-Institut für Landschaftsökologie und Naturschutz.
Dabei ließe sich die städtische Lichtverschmutzung problemlos mindern: Ein Drittel der hiesigen Straßenlampen sei veraltet, schätzt das Bundesumweltministerium. Noch immer würden häufig die ineffizienten, weißleuchtenden Quecksilberdampf-Hochdrucklampen verwendet. Stromsparender arbeiten Natriumdampf-Hochdrucklampen, deren hellgelbes Licht weit weniger Insekten anlockt, denn ihre Lichtausbeute ist doppelt so hoch. Noch effizienter und insektenschonender sind die gelborange leuchtenden Natriumdampf-Niederdrucklampen. Doch die werden selten eingesetzt, sagt Arno Schanowski: "Farben sind kaum zu erkennen, doch es reicht, um sicher von Haus zu Haus zu gelangen." Der NABU-Biologe fordert, mit Licht generell sparsamer umzugehen: "Die insektenfreundlichste Lampe ist die, die erst gar nicht brennt."
Hartmut Netz (Naturschutz heute 2008)
Kunstlicht im Garten
- Lichtplanung: Ist die geplante Lampe unbedingt nötig, dient sie der Sicherheit? Im naturnahen Garten ist Kunstlicht tabu.
- Lichtstärke: Die Lichtstärke der Situation anpassen; für gute Sicht ist gleichmäßige Ausleuchtung wichtiger als große Helligkeit. Möglichst Energiesparlampen einsetzen.
- Lichtkegel: Gute Lampen senden ihr Licht ohne Streuverlust nach unten auf den Gartenweg. Kugelleuchten, die in alle Richtungen strahlen, blenden und sind deshalb ungeeignet.
- Insektenschutz: Je geringer der blauviolette Anteil des Lichts, desto weniger Insekten werden angelockt. Ideal sind UV-arme Leuchtmittel oder Birnen mit UV-Filter-Glas. Lampen mit geschlossenem Korpus verhindern, dass Insekten eindringen und verbrennen.
- Leuchtdauer: Am Haus und im Garten ist Dauerlicht überflüssig. Ein Bewegungsmelder schaltet nur dann ein, wenn Licht gebraucht wird.
- Lichtverschmutzung: Mehr darüber unter www.lichtverschmutzung.de.
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