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Der Schauspieler Rolf Becker im Porträt
Man könnte meinen, der grauhaarige Mann mit randloser runder Brille würde beim Koppel-Kindergarten im Hamburger Stadtteil St. Georg seinen Enkel abholen wollen. Um seine Beine wuseln zahlreiche Kinder und der Lärmpegel ist gewaltig. Gelassen und höflich begrüßt er anwesende Eltern und Erzieher und schaut sich suchend um. Übermütig läuft ihm der vierjährige Anton entgegen. "Hallo Papa!", ruft dieser fröhlich und drückt sich fest an den Hals seines Vaters. Rolf Becker lacht herzlich und in solchen Momenten strahlen seine blauen Augen noch ein bisschen mehr.
Bei den allermeisten Menschen in Beckers Alter - er wurde letztes Jahr 70 - sind die Sprösslinge selbstverständlich aus dem Haus. Man genießt die Annehmlichkeiten eines Lebens ohne tägliche Arbeit und betreut allenfalls liebevoll den Nachwuchs der eigenen Kinder.
Aber Lebensvorstellungen, so scheint es, werden bei Rolf Becker und seiner zweiten Frau, der Schauspielerin Sylvia Wempner, eben den Umständen angepasst. „Ich wollte, obwohl ich schon in Rente war, durchaus noch die eine oder andere Rolle spielen, vor allem aber die freie Zeit nutzen, um aufzuarbeiten. Doch dazu kam es nicht. Anstatt meinen Kindern Ben und Meret aus erster Ehe, und Max und Emil aus zweiter, mein Leben aufzuschreiben und Großvater zu sein, wickelte ich plötzlich selbst wieder ein eigenes Baby“, erzählt Becker.
Großvater wird wieder Vater
Anton, der ihnen vor vier Jahren von dem „Projekt Findelbaby“ anvertraut worden war, sollte eigentlich nur vorübergehend in Pflege genommen werden. Nach einer langen und zermürbenden Auseinandersetzung mit dem Jugendamt adoptierten Sylvia Wempner und Rolf Becker ihn schließlich selbst - auch um ihm ein Leben im Heim zu ersparen. Für Becker, seine Frau und den damals elfjährigen Sohn Emil keine einfache Entscheidung. „Aber ohne Anton konnten wir uns das Leben nach kurzer Zeit gar nicht mehr vorstellen! Um auch unserem Kleinsten eine Zukunft zu bieten, arbeite ich heute mehr als zu meinen besten Zeiten.“
Rolf Becker ist jemand, der solche Herausforderungen annimmt. Egal, ob als Schauspieler auf den renommiertesten deutschen Bühnen, in Filmen und Fernsehspielen oder als Synchronsprecher. Ob als Gewerkschaftler seit 1958, wo er heute im Fachbereich Medien bei ver.di ebenso beharrlich ist wie bei der Unterstützung politisch Benachteiligter, ob auf Reisen nach Nicaragua oder als kritischer Vater auf Elternabenden. Kostenlose Auftritte bei wohltätigen Veranstaltungen finden auch im dicht gedrängten Terminkalender noch Platz, weil es für ihn wichtige gesellschaftliche Beiträge sind. Becker redet nicht nur, er macht, ohne seinen „Promi-Bonus“ offensiv zu nutzen. Trotzdem versucht er authentisch und bescheiden zu bleiben. „Wenn wir uns vergegenwärtigen, was um uns herum geschieht“, sagt der Schauspieler, „und uns bemühen, die Ereignisse in ihrem Zusammenhang zu verstehen, dann ergibt sich die Notwendigkeit des Handelns von ganz allein.“
Am Anfang war Natur
Als Rolf Becker letzten Sommer auf Einladung des NABU-Wasservogelreservates Wallnau auf Fehmarn eine Märchenlesung für Kinder machte, war er sofort begeistert von der vielfältigen Vogelwelt und entpuppte sich als ornithologisch äußerst beschlagen. „Ich kann überhaupt nicht verstehen, warum ich erst letztes Jahr Mitglied beim NABU geworden bin“, wundert sich Becker, „denn was diese Organisation für Naturschutz und Umweltbildung leistet, ist wirklich aller Unterstützung wert.“
Beckers Interesse für die Natur kommt nicht von ungefähr. Aufgewachsen ist er während des Krieges auf dem großelterlichen Bauernhof im schleswig-holsteinischen Osterstedt. Das Leben im Zyklus mit der Natur und mit der Verantwortung für die Umwelt hat sein Bewusstsein für viele Fragen des Natur- und Umweltschutzes geprägt. Becker, der die Möglichkeit selber Bauer zu werden zugunsten der Schauspielerei ausgeschlagen hat, kann am Beispiel der in Schleswig-Holstein weitgehend verschwundenen Knicklandschaften aus dem Stehgreif Fehlentwicklungen in der Landwirtschaft aufzeigen.
Umwelt aus dem Blick verloren
Später, in den Trümmerlandschaften Bremens, wurde Beckers Bewusstsein für Natur und Umwelt phasenweise verschüttet. Als Jugendlicher städtisch sozialisiert, besuchte er in den Nachkriegsjahren dort das Gymnasium und lebte fernab von der Familie bei fremden Leuten. Ein Lebensabschnitt, der letztlich auch seine eigene Berufswahl beeinflusste. „Die Zerstörung der ethisch-moralischen Grundlagen durch den Krieg sowie die daraus resultierenden politischen, gesellschaftlichen und sozialen Probleme Nachkriegsdeutschlands haben für viele Jahre einfach die Diskussionen bestimmt.“
Da lag ein Fehler drin, sagt er, einer, den er nicht als Einziger gemacht habe. Die gesellschaftliche Entwicklung von Umweltfragen zu trennen sei ein Versagen, welches die Entfremdung des Menschen von der Natur noch beschleunigt habe. „Dass der Mensch nicht mehr im Einklang mit der Natur lebt, ist weltweit ablesbar. Ob bei der Zerstörung des Regenwaldes, bei der Überfischung oder beim Bau von Brücken, die den Vogelzug behindern.“ Natur ist ihm ein Anliegen und man merkt, dass er lange fortfahren könnte.
Zurück zu den Wurzeln
Als Rolf Becker Mitte der 80er Jahre die Naturfilmerin Beatrice Nolte vom NDR traf, offenbarten sich ihm lokale, regionale und internationale Naturwelten, die er anfänglich mit damals typischen sachlich-strengen Kommentaren unterlegte. Zeigestockmentalität, nennt er das heute. Doch die fragende, staunende und einfühlsame Bildsprache der Filmemacherin gab Beckers Auseinandersetzung mit dem Thema Umwelt schnell neuen Schwung und gipfelte in einem veränderten Sprechstil. „Ich wurde selbst zum leisen Beobachter, tastete mich heran und veränderte durch die Sprechertätigkeit auch wieder meine Haltung zur Natur.“
Jenseits von weltweiten Dreharbeiten nahm er sich fortan mehr Zeit, Naturschauspiele zu beobachten. Seine Augen leuchten, wenn er über Spaziergänge in der Umgebung seines kleinen Ferienhauses in der Lüneburger Heide erzählt, wenn er spielende Nilpferde in den abgelegenen Schluchten des Gambia-Flusses im Senegal beschreibt oder über den Pflanzenreichtum des afrikanischen Kontinents redet. Und man nimmt ihm die tiefe Betroffenheit ab, wenn er die immense Zerstörung und Ausbeutung der Natur durch die Industrienationen in der dritten Welt anprangert, die er besonders in den Regenwaldzonen Mittelamerikas erlebt hat.
Deswegen knüpft Rolf Becker an eine Große Koalition hinsichtlich eines erfolgreichen, auch globalen Naturschutzentwurfes noch weniger Erwartungen als an die vorangegangene Rot-Grüne. „Wenn ich die einseitige Ausrichtung unserer Politik thematisiere, findet das nicht nur Zustimmung. Dabei beschreibe ich eigentlich nur, was ist“, sagt er, und es klingt nicht einmal resigniert. Denn, wenn sein jüngster Sohn an seinen Beinen hängt und bettelt, „Papa, Papa, lass uns endlich auf den Spielplatz gehen!“, dann weiß er einmal mehr, warum sein Engagement auch zukünftig notwendig ist.
Malte Siegert
aus Naturschutz heute, Ausgabe 1/2006