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Jetzt NABU-Mitglied werden!Winzerglück in Steillage
Weinbau-Professor und Öko-Winzer Randolf Kauer im Porträt
Gegensätze ziehen sich an, heißt es. Randolf Kauer, Teilzeit-Winzer am Mittelrhein, scheint die alte Volksweisheit zu bestätigen, denn Wesen und Charakter des pragmatischen Mannes lassen sich zunächst kaum in Einklang bringen mit der mythenbehafteten Landschaft des Rheintals zwischen Bingen und Koblenz.
Auf 65 Kilometer windet sich hier der Rhein zwischen den schroffen Schieferfelsen von Hunsrück und Taunus hindurch; trutzige Burgruinen auf beiden Seiten des engen Flussbettes künden von Zeiten, in denen Raubritter die Gegend mit stählerner Faust beherrschten. Die Ruinen tragen Namen wie Stahleck, Stolzenfels oder Reichenstein und harmonieren malerisch mit der bizarren Felslandschaft, deren Krönung der Loreleyfelsen ist.
Welterbe-Charme mit Schrammen
Wie passt nun ein Mann wie Randolf Kauer, der im Hauptberuf Professor für Ökologischen Weinbau ist und an der Forschungsanstalt Geisenheim lehrt, in dieses Tal, das von Dichtern wie Kleist, Heine und Brentano mit schwärmerischer Poesie besungen wurde? Wie fügt sich ein nüchterner Wissenschaftler, der auf Versuchsflächen mit pilzresistenten Rebsorten experimentiert, in eine Landschaft, die als Idealbild der Rheinromantik gilt?
Die Antwort findet sich im Tal selbst. Denn schaut man genauer hin, zeigen sich zwischen dem Grün der Rebstöcke, die sich akkurat in Reih und Glied überall die Steilhänge hinaufziehen, immer wieder braune Flecken: aufgegebene Rebflächen, die von Gestrüpp und Buschwerk überwuchert sind. Knapp 500 Hektar umfasst das Weinbaugebiet Mittelrhein heute - vor 50 Jahren war es noch dreimal so groß.
Gämsen im Weinberg
Von Jahr zu Jahr werden es weniger Winzer, die die Plackerei im Steilhang auf sich nehmen. Anders Randolf Kauer: Bereits während seines Weinbau-Studiums pachtet er die ersten Weinberge; heute bewirtschaftet der Winzer gemeinsam mit seiner Frau Martina 3,3 Hektar Rebfläche in Steillage. Das bedeutet Handarbeit pur für Kauer und seine Helfer, denn Neigungen bis zu 70 Prozent schafft kein Traktor mehr. Wie Gämsen klettern sie durch die Weinberge, beschneiden und entlauben die Reben, ziehen Sitzpflug, Traubenwagen und Transportschlitten mit der Seilwinde den Fels hinauf, tasten sich zur Traubenlese in Trippelschritten und gebückter Haltung die rutschigen Schieferhänge hinab. Harte Arbeit, die an Schinderei grenzt und für den Winzer klares Bekenntnis zur Heimat ist: "Wir wollen, dass die Steillagen erhalten bleiben", sagt er lapidar.
Ohne Menschen wie Kauer stünde es schlecht um die Zukunft dieser einzigartigen Kulturlandschaft. Die Auszeichnung für das Obere Mittelrheintal als "Welterbe der Menschheit" im Jahre 2002 hat die Unesco nicht umsonst an die Bedingung geknüpft, der weiteren Verwahrlosung der Rebflächen sei Einhalt zu gebieten. Um diesen Mix aus Felsromantik, Burgruinen und Weinterrassen zu erhalten, braucht es zupackende Naturen mit der Fähigkeit, über den Tellerrand zu schauen; Menschen mit Realitätssinn, die dennoch fest in der Tradition des Tales verwurzelt sind. Menschen eben, die so sind wie Randolf Kauer.
Überlebenschance Spitzenweine
"Nur wenn Mittelrhein-Riesling den Sprung ins Segment der Spitzenweine schafft, hat Steillagen-Weinbau eine Chance", sagt der Winzer auf der Terrasse seines Hauses. Kauer, ein schlaksiger 45-Jähriger mit schütterem Haar, lebt mit seiner Frau und zwei Töchtern in Bacharach, einem 2.200-Einwohner-Städtchen mit mittelalterlichen Gassen und malerischen Fachwerkhäusern am linken Rheinufer. Sein Wohnhaus ist direkt an den Berg gebaut; die mit Oleander und Feigenbäumchen begrünte Terrasse liegt auf der Rückseite, wohl beschirmt zwischen Hauswand und schroff aufragendem Fels. "Schade, dass man nicht schmeckt, wie steil der Weinberg war", schiebt er nach und schwenkt kurz das Glas, in dem der Riesling hellgelb glitzert.
90 Prozent seiner Steillagen hat Kauer mit Riesling bestockt, denn nur aus dieser Rebsorte lassen sich am Mittelrhein Spitzenweine keltern. Das Kleinklima im Tal begünstigt die spätreifende Rieslingtraube. Tagsüber heizt die Sonne den Schiefer auf, nachts strahlt der Fels die Wärme wieder ab. Hitze, Kälte, schroffen Fels und das Glitzern des Schiefers - all das soll man in seinen Weinen spüren: "Qualität entsteht im Weinberg", sagt Kauer. "Der Kellermeister kann nur wenig dazu tun." Seine Rebhänge bewirtschaftet er deshalb nach ökologischen Kriterien: keine Pestizide, kein chemisch-synthetischer Dünger, keine Fräse, die den Boden zerstört. "Nur wer seinen Weinberg als lebenden Organismus begreift, wird auf Dauer Spitzenweine erzeugen", lautet das Credo des Winzers. Seine Beharrlichkeit hat sich gelohnt: Die Riesling-Spätlese 2004 aus der Lage Oberdiebacher Fürstenberg wurde auf der Fachmesse für Ökologischen Landbau in Nürnberg mit dem Internationalen Weinpreis ausgezeichnet.
Zwischen Lehrsaal und Weinberg
Zeit für seine Weinberge hat Kauer nur am verlängerten Wochenende, denn von Montag bis Donnerstag ist er Professor an der Fachhochschule Geisenheim, eine der ältesten Lehr- und Forschungsstätten für Wein- und Gartenbau in Deutschland. Jeden Morgen lenkt er seinen klapprigen roten Subaru zur Anlegestelle, lässt sich von der Fähre über den Rhein setzen und fährt weiter nach Geisenheim, wo er seinen Studenten beibringt, wie man einen Weinberg ökologisch bewirtschaftet. Erst am Freitag gehts dann wieder in die Steillagen.
Den Spagat zwischen Professur, Weinberg und Familie schafft Kauer nur, weil er seinen Betrieb wie eine "private Kleingenossenschaft" führt: Freunde und Bekannte der Familie bewirtschaften die Rebflächen, nur Düngung und Rebschutz behält sich der Winzer vor.
Kontrolliertes Nichtstun
Herzstück des Weinguts ist der Kreuzgewölbekeller, wo Kauer den im Kelterhaus gewonnenen Rebensaft veredelt. Der hallenartige Raum wurde vor über hundert Jahren in den Berg getrieben; acht silbrig glänzende Edelstahltanks stehen hier unten, flankiert von nacktem Fels.
Ansonsten ist das Gewölbe nahezu leer - Minimalismus pur: "Die Kunst des Kellermeisters besteht aus kontrolliertem Nichtstun", sagt Kauer, die rechte Hand in die Seite gestemmt, die linke in der Tasche seiner Jeans vergraben. "Man darf nur nicht hektisch werden", fügt er hinzu und hinter den Gläsern seiner randlosen Brille blitzt der Schalk, denn natürlich gehört mehr dazu: Große Weine zu machen, ist kein Zufall sondern Handwerk par excellence - auch im Keller. Die Kunst des Weglassens ist Teil davon: Kauer-Weine werden weder filtriert noch geschönt. So entstehen schlanke, feingliedrige Tropfen von fruchtiger Eleganz, säurebetont und mit mineralischem Charakter - abgefüllt in Flaschen sind sie flüssiges Konzentrat des Mittelrheintals.
Hartmut Netz
Ökoweine finden
- Weingut Dr. Randolf Kauer, Mainzer Straße 21, 55422 Bacharach, Tel. 0 67 43-22 72, Fax -9 36 61, weingut-dr.-kauer@t-online.de, www.weingut-dr-kauer.de.
- Der Großteil der deutschen Ökowinzer ist im Anbauverband Ecovin organisiert. Infos zu allen Winzern und zu Bioweinhändlern im Internet unter www.ecovin.org. Eine Broschüre über ökologischen Weinbau gibt es kostenlos bei Ecovin, Stichwort "In bio veritas", Wormser Straße 162, 55276 Oppenheim.
- Prämierte Ökoweine mit Bezugsadresse findet man unter www.eco-winner.de.
- Buchtipp: "Ökologische Weingüter in Deutschland. Der Weinreiseführer für den besonderen Genuss" von Julia Schrader mit 120 Winzer-Porträts. Hoffmann Verlag 2003, 22 Euro, ISBN 3-935834-04-7.