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Jetzt spenden!„Stuttgart 21“ ist überall
Verschwendung von Steuermilliarden für Großprojekte
Bertolt Brecht hat einmal gesagt: „Wo unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht“. Die Folge dessen sehen wir seit Wochen in der baden-württembergischen Landeshauptstadt, wo – hierzulande jenseits der Proteste gegen die Atomenergie eher ungewohnt – Zehntausende auf die Straße gehen, um ihren Unmut gegen eines der größten europäischen Infrastrukturvorhaben deutlich zu machen: Stuttgart 21. Die Menschen fühlen sich von den Verantwortlichen in Politik und bei der Deutschen Bahn AG veräppelt, nicht ernst genommen und übergangen. Die Projektbetreiber sind unnachgiebig entschlossen, das Milliardenprojekt, notfalls gewaltsam, durchzuziehen. Dabei übersehen sie, dass die Stuttgarter Bürgerschaft diese weitreichende Frage selbst entscheiden will. Sie übersehen auch, dass sich die Zeiten geändert haben und sich das Volk nicht mehr alles gefallen lässt.
Worum geht es bei Stuttgart 21?
„Stuttgart 21“ ist ein Verkehrs- und Städtebauprojekt zur Neuordnung des Eisenbahnknotens Stuttgart. Kernstück ist die Umwandlung des Stuttgarter Hauptbahnhofs in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof. Das Projekt ist seit Jahren umstritten. An zahlreichen Demonstrationen beteiligten sich zehntausende Bürger. Ein Alternativkonzept wird unter dem Namen Kopfbahnhof 21 diskutiert.
Es ist wie im Science-Fiction Klassiker „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams. Dort wird die Erde gesprengt, weil sie einer Hyperraum-Expressroute durch unser Sonnensystem im Weg ist. Der kurze verzweifelte Protest der Erdenbürger, sie hätten von den Plänen nichts gewusst, wird von den außerirdischen Sprengmeistern kurzerhand mit der Begründung abgewürgt, dass die Baupläne doch lange genug auf dem Planeten Alpha Centauri zur Einsicht ausgelegen hätten und dennoch kein Einspruch erfolgt sei. Nun sei es zu spät für Änderungen.
Auf Stuttgart 21 übertragen heißt das: nur weil nicht schon vor Jahren zehntausende Bürger bei Oberbürgermeister, Ministerpräsident und Bahnchef vorstellig geworden sind, heißt dies noch lange nicht, dass sie dem Projekt still zustimmten. Vielen Bürgern fehlt im Alltag ganz einfach die Zeit und Energie für langwierigen Widerstand. Hier sind sie auf die Entscheider aus den Kommunen angewiesen, die gesellschaftlich, ökologisch und ökonomisch verantwortlich handeln sollten. Demokratisch legitimiert war das Projekt nie, denn eine umfangreiche Bürgerbefragung hat es nicht gegeben.
Der Protest war dennoch immer offenkundig. Seit Jahren haben Bürgerbewegungen, Umweltverbände und viele andere Akteure gegen das Mega-Projekt argumentiert. Verschiedene Studien stellten die Notwendigkeit, Machbarkeit und Finanzplanung in Frage. Auch der Bundesrechnungshof – nicht gerade als unseriöse, verfilzte Institution bekannt – hat die geplante Tieferlegung des Bahnhofs in der Stuttgarter Innenstadt massiv gerügt.
Die Art und Weise, wie die politische Zustimmung zu diesem wie auch anderen Großvorhaben zustande kam, folgt einem immer wiederkehrenden politischen System: Erst preisen Baulobbyisten die Segnungen für die Wirtschaft. Dann werden Prognosen geschönt, Zahlen zurechtgebogen und Gutachten frisiert, um den politischen Entscheidern die Zustimmung abzuringen. Am Ende bezahlt dann der ahnungslose Bürger mit Steuer-Milliarden die volkswirtschaftlichen und ökologischen Schäden. Sollte die geplante Feste Fehmarnbeltquerung zwischen Deutschland und Dänemark, eine 19 Kilometer lange Brücken- oder Tunnelkonstruktion zwischen den Inseln Fehmarn (D) und Lolland (DK), tatsächlich kommen, würde sie Stuttgart 21 als Europas größtes Infrastrukturvorhaben beerben. Ein Projekt, das verkehrspolitische, ökonomische und ökologische Risiken in sich vereint, das ebenfalls vom Bundesrechnungshof wegen drohender Kostenverdoppelung massiv gerügt wurde und das ohne wesentliche Bürgerbeteiligung durch den Deutschen Bundestag gepeitscht wurde.
Es gibt zwar einen Staatsvertrag zwischen Deutschland und Dänemark, der aber hat eine Ausstiegsklausel. Auf Fehmarn darf und muss es nicht so weit kommen, dass wie in Stuttgart bereits die Bagger anrollen. Spätestens mit dem symbolträchtigen Abriss des ersten Steins am Denkmal geschützten Gebäude des Stuttgarter Hauptbahnhofs haben nämlich die Bürger ihre Pflicht zum Widerstand entdeckt. Die Politiker auf Bundes- und Länderebene sind nun aufgefordert, endlich den Mut aufzubringen, sich auch bei fortgeschrittenem Planungsstand von diesem und vom schädlichen Großprojekt an der Ostsee zu verabschieden. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein ökologischer und ökonomischer Schrecken ohne Ende.
Der NABU hat unter www.Nein-zur-Beltquerung.de im Internet eine Protestkampagne zur Fehmarnbeltquerung gestartet. Mehr als 10.000 Menschen aus allen Teilen Europas haben sich bereits gegen das Projekt ausgesprochen und angekündigt, eine Brücke im Falle der Realisierung zu boykottieren.
Von Dietmar Oeliger