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Jetzt spenden!Vom Kulturgut zum Sicherheitsrisiko
Unsere Alleen sind zunehmend gefährdet
Autofahren kann großen Spaß machen. Zum Beispiel, wenn man auf der Deutschen Alleenstraße von der Insel Rügen kommend nach Süden unterwegs ist: Man fährt zwischen geschlossenen Baumreihen unter schattigem Blätterdach; im Sommer freut man sich am rhythmischen Licht-Schattenspiel, im Herbst an der gelb-braun-roten Farbenpracht. Ein völlig neues Reisegefühl stellt sich ein und es schlägt sich nieder in einem gemächlichen Fahrstil. Denn die 2.500 Kilometer lange Alleenstraße, die im Nordosten Deutschlands beginnt, ist keine schnittige Rennpiste, sondern schlängelt sich buckelig durch die Landschaft; teilweise holpert man sogar über Kopfsteinpflaster – wer es eilig hat, ist hier falsch.
Braune Blätter schon im Sommer
In der ehemaligen DDR haben viele der alten Alleen die Zeiten überdauert. Gut 23.000 Straßenkilometer in Deutschland sind laut Bundesumweltministerium Alleen, über drei Viertel davon ziehen sich durch die neuen Bundesländer. Mit rund 12.000 Kilometern ist Brandenburg das alleenreichste Bundesland, auf dem zweiten Platz folgt Mecklenburg-Vorpommern mit knapp 4.500 Alleen-Kilometern. Wie grüne Adern ziehen sich die Baumreihen durch die Kulturlandschaft. Scheinbar unverrückbar stehen die oft jahrhundertealten Bäume am Straßenrand, so als könnte ihnen nichts und niemand etwas anhaben.
Doch der Schein trügt. Es begann in den 60er und 70er Jahren, als die Straßen breiter und gerader wurden: 50.000 Kilometer Alleebäume fielen damals in Westdeutschland der Motorsäge zum Opfer. Der stark zunehmende Autoverkehr tat und tut ein Übriges: Baumkronen wurden gekappt, damit auch Lkw durchpassen. Abgaswolken und der intensive Einsatz von Streusalz setzen den Bäumen zu, so dass sich bei vielen bereits im Sommer die Blätter braun färben. Bauarbeiten am Straßenrand schädigen die Wurzeln, und Landmaschinen, die zu wenig Abstand halten, hinterlassen ihre Spuren am Stammfuß. „Die meisten Alleebäume sind in einem schlechten Zustand“, sagt Ingo Lehmann, Vorsitzender der Alleenschutzgemeinschaft (ASG).
Bindeglieder in der Landschaft
Hinzu kommt die natürliche Alterung: Die meisten Alleen entstanden Mitte des 19. Jahrhunderts; viele der Bäume haben ihre Altersgrenze erreicht. Werde nicht gegengesteuert, setze in spätestens 40 Jahren ein großes Alleensterben ein, warnt Lehmann. Um den landschaftsprägenden Charakter der Alleen zu erhalten, müssten also altersschwache Bäume durch kontinuierliche Nachpflanzungen ersetzt werden. Das fordert auch Brandenburgs NABU-Chef Tom Kirschey: Für jeden gefällten Alleebaum müsse mindestens ein neuer zeitnah gepflanzt werden, sagt der Alleen-Experte. Nur dann sei ein ausgeglichener Altersaufbau zu erreichen. Er verweist auf das Beispiel Mecklenburg-Vorpommern, wo für jeden gefällten Baum ein Geldbetrag fällig wird, der in Baumpflege und Nachpflanzung fließt.
Gut angelegtes Geld, führt man sich vor Augen, welch großen ökologischen Wert Alleen haben. Sie bieten nicht nur einen Lebensraum für Insekten und Vögel, sondern vernetzen in Agrarlandschaften auch Biotope und sind deshalb unersetzlich für wandernde Tierarten. Auch gibt es Flechten, die fast nur an Straßenbäumen wachsen. Das grüne Blätterdach filtert gesundheitsgefährdenden Feinstaub aus der Luft und wandelt klimaschädliches Kohlendioxid in Sauerstoff um. Hinzu kommt die Bedeutung der Alleen als Kulturerbe mit weit in die Vergangenheit reichender Geschichte: Schon die alten Ägypter pflanzten Baumreihen an ihren Straßen und das Italien der Renaissance wurde von Alleen geprägt.
Seit 2000 gilt in Brandenburg, dass gefällte Bäume im Verhältnis eins zu eins nachgepflanzt werden müssen. Künftig aber sollen nach dem neuen „Alleenkonzept“ jedes Jahr eine feste Zahl von 5.000 Bäumen gepflanzt werden, ganz egal, wie viele gefällt werden. Aufgrund der Überalterung der Alleen werden es laut Infrastrukturministerium in den nächsten Jahren allein an den Bundes- und Landesstraßen bis zu 9.000 Alleebäume sein. Brandenburgs Alleen würden damit mittelfristig um ein Drittel abnehmen, erst ab 2030 würden sie rein rechnerisch wieder zunehmen – aber wer will garantieren, dass dann noch gepflanzt wird? Die heute verantwortlichen Politikerinnen und Politiker sind dann nicht mehr im Amt.
Die Naturschutzverbände haben deshalb bereits Ende 2009 eine Volksinitiative „Rettet Brandenburgs Alleen“ gestartet, für deren Erfolg bis Mitte August mindestens 20.000 Unterschriften zusammenkommen müssen. Im Juni lag der Zwischenstand bei 17.000 Unterschriften. Naturfreunde mit Wohnsitz in Brandenburg können sich jetzt noch rasch beteiligen. Die Liste gibt es online unter www.nabu-brandenburg.de (einfach auf das Alleenbild klicken).
Langsam fahren hilft!
Die Crux ist, dass die grünen Tunnel außer in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern gar nicht oder nur unzureichend durch Ländergesetze geschützt sind. Der ASG-Vorsitzende Ingo Lehmann fordert deshalb, den Alleenschutz bei Straßenbau und Unterhalt stärker zu berücksichtigen. Der Alleenbestand lasse sich bereits mit geringem Mehraufwand erhalten: Um die Straßen wintersicher zu machen, könne man beispielsweise anstelle von Tausalz auch Splitt streuen oder den Schnee mechanisch räumen. Außerdem müsse der Schwerlastverkehr reduziert und die Baumpflege optimiert werden.
Doch die zuständigen Behörden sehen Alleen eher als Hindernis bei ihrem Unterfangen, Straßen nach Bundesnorm zu verbreitern. Noch immer werden Alleebäume mit dem Argument gerodet, dadurch erhöhe sich die Verkehrssicherheit. Dabei wäre ein Tempolimit von 80 Kilometern pro Stunde ein weit wirksameres Instrument für Sicherheit auf der Landstraße.
von Hartmut Netz (Naturschutz heute 2010)
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