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Antriebe der Zukunft
Wie wird der Verkehr klimaneutral?
Beim Pkw scheint das Rennen gelaufen. Dümpelten die Zulassungszahlen batterieelektrischer Autos jahrelang bei wenigen tausend Exemplaren, schnellten sie 2021 erstmals hoch auf fast 356.000 und damit auf 13,6 Prozent der Neuzulassungen. Ein Trend, der sich in der ersten Hälfte dieses Jahres fortsetzte. Der Siegeszug des batteriebetriebenen Elektromotors ist offenbar nicht mehr zu bremsen. Zumindest bei Pkw. Doch gilt das auch für Lkw, für Züge, Schiffe und Flugzeuge?
Nicht ständig nachladen müssen
Der Weg zur Klimaneutralität führt nicht zwangsläufig über batterieelektrische Antriebe. Im Schwerlastverkehr etwa ist die Lage noch unübersichtlich. Während MAN, die Lkw-Tochter des VW-Konzerns, auf batterieelektrische Lkw setzt und ab 2024 E-Laster in Serie produzieren will, geht man bei Daimler Truck einen anderen Weg: „Je weiter die Strecke und je schwerer die Fracht, desto mehr spricht für den Wasserstoff-Lkw“, bringt Daimler-Truck-Chef Martin Daum die Konzernstrategie auf den Punkt. Der Lkw-Bauer entwickelt aktuell einen Wasserstoffschwerlaster, der mit einer Tankfüllung 1.000 Kilometer weit fahren soll. Der E-Lkw von MAN muss dagegen bereits nach 500 Kilometern zum Nachladen an die Steckdose.
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Batterie- und Wasserstoffantrieb? Wer vom E-Auto spricht, meint für gewöhnlich ein Fahrzeug mit batteriegespeistem Elektromotor. Doch auch unter der Haube eines Wasserstoff-Lkw arbeitet ein Elektromotor. Dieser wird jedoch von einer Brennstoffzelle gefüttert, die mit getanktem Wasserstoff Strom erzeugt.
Schwere Lkw mit schweren Batterien?
Vorteil Batterie: Die Infrastruktur für die Versorgung batterieelektrischer Fahrzeuge steht in Teilen bereits; die für Wasserstoff ist allenfalls rudimentär vorhanden. Nachteil Batterie: das hohe Gewicht. „Geht man davon aus, dass ein Lkw mit einer Nutzlast von 40 Tonnen pro Kilometer 1,5 bis 2 Kilowattstunden Strom braucht, wiegt allein die Batterie schon zehn Tonnen“, sagt Eric Sax, Experte für Autonomes Fahren am Karlsruher Institut für Technologie: „Das ist wirtschaftlich unattraktiv.“
Das hohe Gewicht limitiert auch den Batterieeinsatz im Schiffs- und Flugverkehr. Aufgrund geringer Reichweiten haben batterieelektrische Antriebe nur im küstennahen Schiffsverkehr eine Zukunft. Für große Frachtschiffe und Überseestrecken müssen andere Lösungen her. Die dänische Reederei Mærsk, Weltmarktführer in der Containerschifffahrt, experimentiert mit Methanolantrieben. Methanol, ein vielproduzierter Industriealkohol, wird aus Synthesegas gewonnen, einem Gemisch aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid, das bislang allerdings meist aus fossilen Rohstoffen erzeugt wird.
Wasserstoff per Ökostrom?
Auch die Luftfahrt steht bei der Entwicklung klimaneutraler Antriebe noch am Anfang. Zwar soll in Norwegen 2025 das erste batterieelektrische Flugzeug den Linienbetrieb aufnehmen, doch nur auf Kurzstrecken. „Mehr als 60 Sitze und Reichweiten bis zu 1.000 Kilometern sind mit Batterieantrieb nicht drin“, sagt Jens Friedrichs, Leiter des Instituts für Flugantriebe und Strömungsmaschinen an der TU Braunschweig.
Als Hoffnungsträger für Mittel- und Langstrecken gelten Wasserstoff und damit verbundene Technologien. Wasserstoff lässt sich auf drei Arten einsetzen: Als Kerosinersatz, der in der Turbine direkt verbrennt; als Energieträger, mit dem, ähnlich wie beim Wasserstoff-Lkw, eine Brennstoffzelle elektrischen Strom für einen Elektromotor erzeugt; oder als Rohstoff, aus dem in Reaktion mit CO2ein synthetischer Treibstoff entsteht. Alle drei Antriebsarten sind, so der Wasserstoff mittels Grünstrom erzeugt wurde, klimaneutral.
Zwar entsteht bei der Verbrennung synthetischer Treibstoffe, auch E-Fuels genannt, genauso viel CO2 wie bei fossilen Antrieben. Doch entzieht man das für die Reaktion mit Wasserstoff nötige CO2, das beim Verbrennen wieder frei wird, der Atmosphäre, ist der CO2-Kreislauf geschlossen. Stammt der eingesetzte Wasserstoff zudem aus erneuerbaren Quellen, sind mit diesem Verfahren gewonnene Kraftstoffe wie Benzin, Diesel oder Kerosin weitgehend klimaneutral.
Klimaschäden nicht bloß verlagern
Der Nachteil von E-Fuels: Ihr Wirkungsgrad beträgt lediglich 15 bis 20 Prozent. Das treibt den für die Klimaneutralität nötigen Wasserstoff- und damit den Grünstrombedarf in schwindelerregende Höhen. Im Straßenverkehr sei deshalb die direkte Nutzung von Elektrizität in Form von E-Motoren wirtschaftlich sinnvoller als der Einsatz von E-Fuels, heißt es in einer Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung: „Wasserstoffbasierte Kraftstoffe sollten besser Sektoren vorbehalten bleiben, die nicht elektrifiziert werden können“, schreiben die Forscher. „Etwa der Luftfahrt oder bestimmten industriellen Prozessen wie der Stahlerzeugung.“
Optionen für klimaneutralen Verkehr gibt es also genug. Doch egal ob Brennstoffzelle, Methanolantrieb oder E-Fuels: Alle diese Technologien verharren bis auf Weiteres im Stadium der Verheißung. Damit betriebene Verkehrsmittel sind per se zwar klimaneutral, verlagern den Klimaschaden jedoch lediglich in die Produktion der Antriebsenergie. Denn sie alle hängen am Tropf der erneuerbaren Energien. Der hiesige Strommix stammt jedoch noch immer zur Hälfte aus fossilen Quellen, und Wasserstoff und Methanol werden bislang vor allem aus Erdgas gewonnen – alles andere als klimaneutral.
Hartmut Netz, aus „Naturschutz heute 3/2022