Machen Sie der Natur ein Geschenk.
Spenden Sie für den Natur- und Artenschutz!
Klimafreundliche E-Mobilität auf dem Land
Fraunhofer-Studie: Laden am Arbeitsplatz hat höchste Einsparpotentiale
Rund 48 Millionen Autos sind derzeit in Deutschland zugelassen. Sie sind die Hauptquelle der Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors. Dieser wiederum ist für mehr als 20 Prozent der Emissionen in Deutschland verantwortlich – Tendenz steigend, obwohl die Klimaschutzziele der Bundesregierung einen erheblichen Rückgang erfordern. Das primäre Ziel einer ökologischen Verkehrspolitik muss daher sein, durch den Ausbau von öffentlichem Verkehr und die Förderung des Rad- und Fußverkehrs die Abhängigkeit vom Auto insgesamt zu verringern. Gerade in ländlichen Regionen ist dies eine große Herausforderung, die viel politischen Willen, Expertise und Personal erfordert.
So ist zunächst davon auszugehen, dass das Auto noch etliche Jahre eine zentrale Funktion bei der Mobilität in ländlichen Räumen spielen wird. Zu lange wurde die Entwicklung attraktiver Alternativen sträflich vernachlässigt. Umso wichtiger ist es, die Emissionen des Straßenverkehrs so weit wie möglich zu reduzieren. Das Potenzial ist groß, weil die gefahrenen Wege länger als in der Stadt sind. Die effizienteste und daher klimafreundlichste Antriebsart ist die Batterie. Der NABU hat daher den Institutsteil Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer-Instituts für angewandte Informationstechnik (FIT) beauftragt, zu untersuchen, wie eine ressourcenschonende Elektrifizierung des Individualverkehrs auf dem Land aussehen sollte.
Die zentralen Fragestellungen der Studie:
- Was sind die zentralen Einflussgrößen auf einen ressourcenschonenden Ausbau der Elektromobilität auf dem Land, und welche Spannungsfelder und Chancen ergeben sich daraus?
- Wie viel CO₂ lässt sich durch die Anwendung von unterschiedlichen Ladeszenarien einsparen?
Die Ergebnisse – wesentliche Einflussfaktoren
Um Elektromobilität auf dem Land ressourcenschonend aufzubauen und somit möglichst viele Treibhausgasemissionen einzusparen, zählen im Wesentlichen die folgenden Einflussfaktoren:
- Strommix
- Ladezeitpunkt
- Ladestandort
- Ladedauer
- Notwendigkeit des Aufbaus von Speicherkapazitäten
Dass der Strommix der größte Einflussfaktor auf die Treibhausgasemissionen des Ladens sein würde, war abzusehen. Neu hingegen ist, wie stark das Ladeszenario auf die Emissionen wirkt. Hier kommt die Studie zum Ergebnis, dass sich Emissionen beim Laden über die Mittagszeit am Arbeitsplatz an Tagen mit viel erneuerbarer Sonnen- und Windenergie um fast die Hälfte reduzieren lassen gegenüber dem Laden am Abend zuhause. In einem stilisierten Jahr mit einer für Deutschland typischen Witterung ließen sich, unter Annahme einer vollständigen Elektrifizierung, nur über das Ändern des Ladeszenarios aller Autos im ländlichen Raum etwa drei Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente einsparen. Zur Einordnung: Der gesamte innerdeutsche Flugverkehr verursachte im vergangenen Jahr 2,5 Millionen Tonnen CO₂. Die großen Effekte ergeben sich vor allem aus den schwankenden Anteilen von erneuerbaren Energien im Stromnetz zu verschiedenen Tageszeiten, sowie durch Möglichkeiten der direkten Stromabnahme, wenn Arbeitgeber Photovoltaik-Anlagen auf dem Dach nutzen.
Speichertechnologien können bei der Flexibilisierung und Netzstabilität eine wichtige Rolle spielen. Allerdings sind sie, genau wie die Autobatterie, sehr ressourcenaufwändig. Insofern ist bereits jetzt so zu planen, dass eher möglichst viele große zentrale Speicher entstehen, als viele kleine.
Die Studie kommt weiterhin zu dem Ergebnis, dass E-Autos durch bidirektionales Laden – also die Fähigkeit, Strom auch wieder ins Netz einzuspeisen – selbst zu Energiespeichern werden, die zur Netzstabilität beitragen.
Woher kommt das Einsparpotenzial?
Ganz ohne Frage ist der Strommix die wesentliche Einflussgröße, wie viel CO₂ sich beim Laden des E-Autos einsparen lässt. In der folgenden Abbildung ist zu sehen, dass in der Hochrechnungen bei einem hohen Anteil von erneuerbaren Energien im Netz (1a) nur etwa ein Fünftel an CO₂-Äquivalente pro Woche pro Autoladung benötigt werden, im Vergleich zu einem minimalen Anteil von erneuerbaren Energien im Netz (1c).
Die wesentliche Neuerung, die sich durch die Studie ergibt, ist, wie viel Einfluss das Ladeszenario (Ladezeitpunkt, Ladestandort, Ladedauer) auf die CO₂-Emissionen hat. Aus der Abbildung oben zeigt sich bereits, dass das Zuhauseladen um 16 Uhr bei einem mittleren Anteil an erneuerbaren Stromquellen im Netz weniger Treibhausgasemissionen verursacht als das Laden um 18 Uhr (1b: dunkelblau vs. hellblau). Grund dafür ist, dass nachmittags mehr erneuerbarer Strom im Netz vorhanden ist.
Vergleicht man darüber hinaus das Laden am Nachmittag zuhause mit dem Laden zur Mittagszeit, im Normalfall also am Arbeitsplatz (Dunkelblau vs. Türkis-gestreift), so zeigt sich, dass durch den hohen Anteil von erneuerbarer beziehungsweise. Photovoltaik-Energie die Emissionen nahezu auf die Hälfte reduziert werden. Auch hier ist der Grund, dass mehr erneuerbare Energien im Netz sind oder der Strom der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des Unternehmens direkt abgenommen werden kann.
Klarer Gewinner: Charge@Work zur Mittagszeit
Wenn man diese Ergebnisse auf ein beispielhaftes Jahr mit durchschnittlichen Witterungsverhältnissen hochrechnet, lassen sich unter der Annahme einer vollständigen Elektrifizierung für alle Fahrzeuge im ländlichen Raum pro Jahr etwa drei Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente einsparen – allein durch die Verschiebung des Ladezeitpunktes von Charge@Home um 18 Uhr auf Charge@Work um 12 Uhr. Dieses Einsparpotenzial entspricht mehr als einem Prozent der gesamten Emissionen der Energiewirtschaft in Deutschland und übertrifft sogar die aktuellen Emissionen des innerdeutschen Flugverkehrs (2,5 Millionen Tonnen CO₂) – und das ohne Komforteinbußen.
Die Studie belegt: Das Laden am Arbeitsplatz in Verbindung mit einer Photovoltaik-Anlage bietet gleich mehrfach Vorteile: Wie die Grafik zeigt, ist die Ladezeit kompatibel mit dem besten Zeitpunkt zur direkten Stromerzeugung über die Photovoltaikanlage. Es müssen somit weniger energie- und ressourcenintensive Zwischenspeicher gebaut werden. Zudem steht die Ladeinfrastrukur am Arbeitsplatz gleich mehreren E-Pkw zur Verfügung. Auch dies ist weniger ressourcenintensiv im Vergleich zu dem Fall, dass alle Besitzer*innen dieser Autos eine eigene Photovoltaik-Anlage und einen Speicher nur zu Ladezwecken installieren. Aus der Perspektive der Energieversorgung ist ein Solardach auf dem Einfamilienhaus dennoch sinnvoll. Das Laden am Arbeitsplatz ist ressourceneffektiv, indem sehr viele Mobilitätsbedürfnisse abgedeckt werden, da an Werktagen die Fahrt zur Arbeit zwei Drittel der Gesamtfahrleistung in Deutschland ausmacht.
Politische Empfehlung
Aus Sicht der Studie sollten folgende Punkte umgesetzt werden, um die Treibhausgas-Einsparpotentiale von Elektromobilität auf dem Land zu realisieren:
- Um den Anteil von erneuerbaren Energien am Ladevorgang zu maximieren, muss Charge@Work gezielt in der Ausbauplanung von Ladeinfrastruktur berücksichtigt und durch entsprechende Abschreibungsmodelle und/oder staatliche Förderprogramme unterstützt werden, zum Beispiel im Masterplan Ladeinfrastruktur II.
- Ebenfalls sollte Charge@Work im Bereich der öffentlichen Verwaltung beziehungsweise öffentlicher Gebäude flächendeckend ausgerollt werden.
- Steuerrechtliche Hürden und Unsicherheiten bei der Abrechnung des Ladestroms (geldwerter Vorteil) müssen abgebaut werden, um das Laden am Arbeitsplatz und damit den Umstieg auf Elektrofahrzeuge attraktiv zu gestalten (Informationen für Arbeitgeber, Steuerliche Abrechnung, Dienstwagenregelung).
- Es bedarf klarer rechtlicher Rahmenbedingungen für bidirektionales Laden, also die Nutzung der Fähigkeit, Strom sowohl aus dem Netz zu entnehmen, aber auch wieder einzuspeisen. Dies könnte beispielsweise durch Produktstandards für E-Fahrzeuge und Stecker umgesetzt werden.
Die Studie zur Elektromobilität wurde im Rahmen des Projektes „Innovation und Vorsorge“ des Umweltbundesamts erarbeitet.
Zum Download
Der NABU möchte sich als Verband mit rund 2.000 lokalen Gruppen in die Debatte um die Zukunftsfähigkeit ländlicher Räume einbringen und natur- und klimaverträglichen Mobilitätslösungen zum Durchbruch verhelfen. Wie kann die Mobilitätswende fernab der Metropolen gelingen? Mehr →
Deutschland hat seine selbst gesteckten Klimaziele erneut verfehlt. Das zeigt der UBA-Emissionsbericht für 2021. Nun ist sofortiges Handeln gefragt. Angesichts der Natur- und Klimakrise, aber auch der Folgen der aktuellen Ukraine-Krise, können wir uns kein weiteres Zögern erlauben. Mehr →
Durch den Angriff Russlands auf die Ukraine wird deutlich: Wir müssen nicht nur die Erneuerbaren durchdacht ausbauen, sondern auch sparsamer mit unserer Energie umgehen. Wie das im Alltag gelingt, aber auch was die Politik nun tun muss, zeigen wir hier: Mehr →