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Jetzt NABU-Mitglied werden!Papier ist kein Naturprodukt
Chemikalieneinsatz im gesamten Produktionsprozess
Papier wird gerade verstärkt als ökologische Alternative insbesondere zu Kunststoff beworben. Als Begründung dient in der Regel allein die Tatsache, dass Papier auf Basis nachwachsender Rohstoffe (vor allem Holz) hergestellt wird und es biologisch abbaubar ist. Hinter der Produktion von Papier aus Holz stehen jedoch chemische Prozesse und die Herstellung ist mit ökologischen und sozialen Problemen verknüpft. Darüber hinaus ist Papier angesichts der vielen Chemikalien, die im Herstellungsprozess und zur Veredelung eingesetzt werden, kaum nur ein Produkt der Natur. Auch die braune Optik, die Papier oft ein „grünes Image“ gibt, ist nicht immer natürlich: Ein großer Teil der Papiersorten wird für die Optik erst braun gefärbt, sonst sähe das Papier je nach Sorte – eher wenig ansprechend – gräulich oder auch gelblich aus.
Wofür werden Chemikalien benötigt?
Bereits das Herauslösen der Zellulosefasern aus dem Holz ist ein chemisch intensiver Prozess, für den große Mengen an Lösemittel-Chemikalien benötigt werden. Hinzu kommt das Bleichen des Zellstoffs mittels unterschiedlicher chemischer Stoffe, vor allem Chlorverbindungen. Schließlich kommen bei der Papiererzeugung noch diverse chemische Zusatz- und Hilfsstoffe zum Einsatz, um die Eigenschaften des Papiers zu optimieren – je nachdem, welches Produkt aus dem Papier hergestellt werden soll.
Kategorien von Chemikalien bei der Papierherstellung
- Lösemittel-Chemikalien, zum Herauslösen der Faser aus dem Holz.
- Prozess-Chemikalien bspw. zur Verbesserung des Produktionsprozesses (Retentionsmittel, Entschäumer). Sie werden größtenteils ausgewaschen und verbleiben im Prozesswasser. Es ist aber nicht auszuschließen, dass auch Rückstände im Papier verbleiben.
- Funktionelle Chemikalien beeinflussen die Eigenschaften bzw. Qualität des fertigen Papierprodukts (u.a. Leimungsmittel, optische Aufheller, Nassfestmittel). Ziel ist, das Papier zum Beispiel fettabweisend, feuchtigkeitsresistent, nassfest oder beschreibbar zu machen. Auch kann man sie einsetzen, um Papier stabil und reißfest zu machen.
- Weiteres Veredeln des Papiers (auch „Ausrüsten“ genannt) durch u.a. Druckfarben, Kleber, Kunststoffbeschichtungen.
Chemikalien sorgen für einen reibungslosen Ablauf des Herstellungsprozesses, so beispielsweise Retentionsmittel – in der Regel Aluminiumverbindungen oder synthetische wasserlösliche Polymere. Diese dienen ausschließlich dazu, dass Zusatzstoffe im fertigen Papier zurückgehalten und nicht ausgespült werden. Aus optischen Gründen wird auch der Weißegrad des Papiers durch optische Aufheller erhöht. Zudem kommen Fixiermittel, Flockungsmittel, Biozide, Nassfestmittel sowie Farbstoffe zum Einsatz.
Darüber hinaus werden Papiere in aller Regel beschichtet, bedruckt, verklebt oder anderweitig (chemisch) behandelt, um die Eigenschaften zu verbessern oder bestimmte Funktionen erst zu ermöglichen. Letztlich besteht Papier bis zu 35 Prozent aus Füllstoffen, insbesondere Kreide, sowie – in geringerer Menge – auch aus anderen chemischen Zusatz- und Hilfsstoffen.
Ohne Nassfestmittel oder Kunststoffbeschichtungen könnte zum Beispiel feuchte Tiefkühlware nicht in Papierkartons angeboten werden. Auch gäbe es keine Coffee-To-Go-Becher aus Papier und Papiertragetaschen wären nicht reißfest genug. In To-Go-Verpackungen wurden bei Marktchecks in Dänemark und Großbritannien sehr kritische Chemikalien gefunden, die sogenannten PFAS (per- und polyfluorierte Chemikalien). Diese werden in den Verpackungen zur Fettabweisung und zur Nassfestigkeit eingesetzt, stehen jedoch im Verdacht, krebserregend zu sein. Ob solche Chemikalien genutzt werden, können Verbraucher*innen im Gegensatz zu einer Kunststoffbeschichtung nicht sehen.
Problem PFAS (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen)
PFAS (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) ist eine Chemikaliengruppe, die laut Umweltbundesamt (UBA) inzwischen mehr als 4.700 verschiedene Stoffe umfasst (ein anderer Name für diese Chemikaliengruppe ist PFC). Sie können sich über Luft und Gewässer weltweit verteilen. Das Problem ist, dass sie sich kaum abbauen und sich in Tieren, Pflanzen und im Menschen anreichern und gesundheitsschädigend wirken. PFAS werden in vielfältigen Produkten eingesetzt: Feuerlöschschäume, Outdoortextilien, Bratpfannen oder auch in Fett abweisenden Lebensmittelverpackungen (siehe UBA-Broschüre zu PFAS).
In verschiedenen Marktchecks wurde nachgewiesen, dass PFAS auch in Einweggeschirr und To-Go-Verpackungen aus Papier eingesetzt werden.
Weitere Infos:
- „TOWARDS SAFE AND SUSTAINABLE FOOD PACKAGING – European consumer organisations call for action on single-use tableware made of alternatives to plastic”, Marktcheck der europäischen Verbraucherschutzorganisation BEUC (2021)
- “Forever chemicals in the food aisle: PFAS content of UK supermarket and takeaway food packaging”, Studie der schottischen Umwelt-NGO Fidra (2020)
- Kampagne von Fidra gegen PFAS: www.pfasfree.org.uk
- “Fast food packaging contains unwanted fluorinated substances”, Artikel zur Erhebung des Danish Consumer Council THINK Chemicals (2017)
Wie folgenreich der Einsatz solcher Chemikalien in der Papierindustrie mitunter ist, zeigte sich, als im Jahr 2013 bekannt wurde, dass zwischen 2006 und 2008 über 100.000 Tonnen Papierschlämme gemischt mit Kompost als Düngemittel auf den Feldern Süddeutschlands landeten. Papierschlämme sind chemisch belastete Abfälle aus der Papierproduktion, welche seit 2005 nicht mehr deponiert werden durften. In der Folge wurden die Schlämme unter dem Deckmantel „Recycling“ verschenkt und als Düngemittel auf den Feldern aufgebracht. Das ganze fiel auf, als die örtlichen Wasserwerke eine hohe Belastung an per- und polyfluorierten Schadstoffen feststellten. In der betroffenen Papierfabrik wurden die PFAs bzw. PFC im Produktionsprozess eingesetzt. Die Folge dieser Praxis waren große Belastungen mit diesen extrem langlebigen Chemikalien in Boden, Grundwasser sowie im Blut einiger Landwirt*innen.
NABU-Forderungen
Viele Expert*innen sind der Ansicht, dass man Papier – aufgrund der chemischen Herstellungsprozesse und der Vielzahl an chemischen Hilfsstoffen im Papier – sogar als Chemieprodukt bezeichnen sollte. Der NABU fordert ein Ende der fehlgeleiteten Darstellung von Papier als „Naturprodukt“. Stattdessen muss die hochindustrielle Fertigung mitsamt der chemischen Zusatzstoffe und der verbundenen Folgen transparent betrachtet und kommuniziert werden. Der Einsatz mineralölhaltiger Druckfarben sowie human- und ökotoxikologisch bedenklicher Chemikalien müssen wesentlich strenger reguliert werden, um Umwelt und Mensch zu schützen. Ein geringer Einsatz dieser Chemikalien ist auch wichtig, um die Recyclingfähigkeit zu verbessern: Solange im Altpapier schädliche Chemikalien-Rückstände zu finden sind, kann man das Recyclingpapier z.B. nicht für Lebensmittelverpackungen einsetzen.
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