In diesen Zeiten schöpfen wir besonders viel Kraft in der Natur. Werden Sie NABU-Mitglied und helfen Sie mit, damit wir die Natur auch in Zukunft genießen können.
Jetzt NABU-Mitglied werden!EU-Einwegplastikverbot
Einweggeschirr und To-Go-Verpackungen werden kaum verschwinden
Angesichts der Vermüllung der Meere hat sich die EU in den letzten Jahren verstärkt dem Thema Kunststoffe angenommen. Im Jahr 2017 wurde die EU-Plastikstrategie verabschiedet und 2019 die EU-Einwegkunststoffrichtlinie (RICHTLINIE (EU) 2019/904), auch bekannt als SUPD (Single-Used-Plastics-Directive). Die Richtlinie war umweltpolitisch bemerkenswert: In sehr kurzer Zeit verhandelten die EU-Mitgliedsstaaten eine sehr umfangreiche Richtlinie, die von Einweggeschirr und To-Go-Verpackungen über Hygieneprodukte und Getränkeflaschen bis zu Fang- und Fischereigerät reicht. Und sie beinhaltet „sanftere“ politischen Maßnahmen wie Kennzeichnungspflichten über wenig spezifizierte Vorgaben zur Verringerung des Plastikverbrauchs bis zum Verbot – eine vergleichsweise „harte“ umweltpolitische Maßnahme, zu der die EU nur selten greift. In Deutschland wurde zur Umsetzung der Verbote eine Verordnung erlassen, die Einwegkunststoffverbotsverordnung (EWKVerbotsV).
Was wird verboten?
In der Öffentlichkeit wurde der Aspekt, dass auch Verbote beschlossen wurden, als „Plastikverbot“ oder „Einwegplastikverbot“ aufgegriffen. Es war die Rede vom „Verbot von Plastikgeschirr“ oder es wurde gar der Eindruck erweckt, dass To-Go-Verpackungen aus Plastik verboten werden würden. Doch in der Realität ist der Umfang der Produkte und Verpackungen, die ab dem 3. Juli 2021 nicht mehr in Verkehr gebracht werden dürfen wesentlich kleiner, als diese Schlagzeilen vermuten lassen. Das Verbot umfasst folgende Produkte, wenn sie aus Kunststoff bestehen oder teilweise aus Kunststoff bestehen, wozu zum Beispiel Papierteller mit Kunststoffbeschichtung gehören:
- Wattestäbchen (Ausnahme für die Nutzung als Medizinprodukt)
- Einwegteller
- Einwegbesteck, insbesondere Gabeln, Messer, Löffel und Essstäbchen
- Rührstäbchen
- Trinkhalme
- Luftballonstäbe bei Abgabe an private Verbraucher*innen (gewerblich weiterhin erlaubt)
- To-Go-Lebensmittelbehälter, Getränkebecher, Getränkebehälter aus EPS (expandiertes Polystyrol)
- Produkte aus „oxo-abbaubaren“ Kunststoffen (konventionelle Kunststoffe, die durch spezielle Additive besonders schnell in Mikroplastik zerfallen, sich aber nicht biologisch abbauen (diese Kunststoffe spielen in Deutschland allerdings kaum eine Rolle)
Was bedeutet das für To-Go-Verpackungen und Einweggeschirr?
Im Bereich Einweggeschirr und To-Go-Verpackungen ist das Einwegplastikverbot damit auf Teller und Besteck inklusive Rührstäbchen und Trinkhalme beschränkt. Alle anderen Getränkebecher, wie der Plastikbierbecher im Fußballstadion oder der Coffee-To-Go-Becher aus Papier mit Kunststoffbeschichtungen, bleiben weiterhin erlaubt, genauso Speisenbecher wie der Einweg-Eisbecher aus buntem Plastik oder die To-Go-Salatschale.
Ausnahme: Getränkebecher/-behälter und To-Go-Verpackungen aus EPS (expandiertes Polystyrol) sind auch verboten, dabei ist aber umweltpolitisch nicht nachzuvollziehen, dass nicht auch die gleichen Produkte aus XPS (extrudiertes Polystyrol) verboten werden. Aus beiden Materialien, die aussehen wie Styropor, gibt es zum Beispiel To-Go-Menüschalen, da sie Speisen sehr gut warmhalten.
Beim Verbot wie auch bei anderen Vorgaben der SUPD liegt der Teufel im Detail. Die EU-Kommission hat erst Ende Mai 2021 Leitlinien verabschiedet, die den Mitgliedstaaten als Orientierung dienen sollen, was überhaupt unter die Richtlinie fällt und was nicht. Es wurde bis zum Ende um Definitionen verhandelt: Was ist Kunststoff und was ist kein Kunststoff? Was gilt als Kunststoffbeschichtung? Was ist der Unterschied zwischen einem Teller und einem To-Go Lebensmittelbehälter? Wie ist eine To-Go-Lebensmittelverpackung von einer normalen Lebensmittelverpackung abzugrenzen etc. Es ist davon auszugehen, dass es noch verschiedene Diskussionen darum geben wird, was genau die Verbote in der SUPD umfassen und was nicht.
Wann werden die verbotenen Produkte auch vom Markt verschwinden?
Am 3. Juli 2021 trat das Verbot in Kraft. Dabei handelt es sich aber nur um das Verbot, die Produkte erstmals in der EU auf dem Markt bereitzustellen. Bereits auf dem Markt befindliche Produkte dürfen auch nach dem Stichtag noch abverkauft bzw. ausgegeben werden, damit keine Produkte ungenutzt weggeschmissen und Ressourcen grundlos vernichtet werden müssen. An sich ist es aus Umweltgesichtspunkten unbedingt zu begrüßen, dass bereits produzierte Ware nicht vernichtet wird. Allerdings erscheint diese Regelung durchaus großzügig, da die Hersteller und Importeure bereits zwei Jahre Zeit hatten, sich auf das Verbot vorzubereiten. Es gibt keine Frist, bis wann abverkauft oder ausgegeben werden muss. Daher mussten Einwegplastikteller, -besteck oder Plastiktrinkhalme nicht zum Stichtag 3. Juli 2021vom Markt verschwinden.
Was macht die Bundesregierung zur Förderung von Mehrwegsystemen?
Getränkebecher und To-Go-Verpackungen – ob aus Kunststoff oder anderen Materialien – sind weiterhin erlaubt. Dennoch sind sie Thema in der EU-Richtlinie: Die EU-Mitgliedstaaten sind verpflichtet, bis 2026 den Verbrauch gegenüber dem Jahr 2022 zu senken. Die Maßnahmen dafür sind allein den einzelnen Staaten überlassen. Die einzig bisher wichtige Maßnahme in Deutschland ist hierfür in der Novelle des Verpackungsgesetzes vom Frühjahr/Sommer 2021 zu finden. Ab 2023 müssen Gastronomie und Lieferdienste ihre Speisen und Getränke auch in Mehrwegverpackungen anbieten. Die Mehrwegalternative darf dabei nicht teurer sein als die Einwegvariante, ausgenommen von der Mehrweg-Pflicht sind Verkaufsstellen mit weniger als fünf Mitarbeiter*innen und von weniger als 80 Quadratmeter Ladenfläche.
Der NABU begrüßt grundsätzlich das neue Mehrweggebot ab 2023, kann jedoch nicht nachvollziehen, dass so viele Verkaufsstellen von der Pflicht ausgenommen sind. Gerade im Strandtourismus sind es in der Regel kleinere Imbisse, Bäckereien oder Cafés, bei denen Getränke und Speisen für unterwegs gekauft werden. Daher sollten keine Ausnahmen gelten und Mehrweg sollte den Kund*innen auch immer günstiger angeboten werden als die Einwegvariante (NABU-Forderungen für mehr Mehrweg in der Außerhaus-Gastronomie).
NABU-Einschätzung
Grundsätzlich begrüßt der NABU, dass die EU tatsächlich einmal zum umweltpolitischen Instrument des Verbots gegriffen hat. Um gegen die Ressourcenverschwendung durch kurzlebige Einwegprodukte vorzugehen, sind auch tief in dem Markt eingreifende gesetzliche Maßnahmen wie Verbote wichtig (umfassende NABU-Stellungnahmen vom Mai 2020). Allerdings begründet die EU die Verhältnismäßigkeit des Verbots damit, dass es umweltfreundlichere Einwegalternativen auf dem Markt gäbe sowie Mehrweg gefördert werden solle.
Für den NABU sind andere Einwegmaterialien jedoch keine Lösung des Problems, da auch sie mit hohen Umweltlasten verbunden sind. Ökologisch problematisch ist beispielsweise, wenn anstelle der Kunststoffteller zukünftig verstärkt Einwegteller aus Aluminium eingesetzt würden. Auch Einwegteller aus Papier, in denen gesundheits- und umweltgefährdende Chemikalien verarbeitet sind, damit das Papier nassfest und fettbeständig ist, sind keine Alternative. Aus Sicht des NABU wird bei „alternativem“ Einweggeschirr viel Greenwashing betrieben, da die Werbeaussagen in der Regel zwar juristisch nicht zu unterbinden sind, aber ökologisch nicht halten, was sie suggerieren.
Angesichts der hohen Abfallmengen an Einweggeschirr und To-Go-Verpackungen sind die neuen Verbote ohne eine offensive Mehrweg-Förderung ein Tropfen auf den heißen Stein. Nach einer Studie des NABU fallen in Deutschland jährlich über 100.000 Tonnen Kunststoffabfall und über 200.000 Tonnen Abfall aus Papier und Pappe für Einweggeschirr und To-Go-Verpackungen an.
Um diese Abfallberge zu reduzieren, brauchen wir eine durchgreifende Mehrweg-Strategie. Weder die EU noch Deutschland haben die letzten Jahre genutzt, um hier weiterzukommen. Eingeführt werden sollte beispielsweise eine staatliche Abgabe auf Einweg, die in einen Mehrweg-Fonds fließt. Aus diesem könnten Projekte und Starthilfen für die Einführung von Mehrwegsystemen in der Gastronomie gefördert werden: Gerade für die lokal verankerte Kleingastronomie sind die finanziellen Belastungen für die Einführung bzw. Umstellung auf Mehrweg hoch. Das sollte durch öffentliche Förderung abgefedert werden.
Beim Verzehr der Speisen und Getränke in der Gastronomie vor Ort muss es ein Mehrweg-Gebot geben: Das heißt, Einweg dürfte – wenn überhaupt – höchstens für den To-Go-Verkauf eingesetzt werden. An Hot-Spots wie Küsten und Flussufern oder in der Nähe von stark frequentierten Parks ist es unabdingbar, dass To-Go-Verpackungen und Einweggetränkebecher notfalls auch ganz verboten werden. Hier sollte den Kommunen der Spielraum eingeräumt werden, lokale Verbote auszusprechen.
Zum Download
Alternativen für Plastik-Einweggeschirr werden meist als besonders umweltfreundlich angepriesen. Für den NABU ist das oft Greenwashing, da die Werbeaussagen meist nicht halten, was sie versprechen. Die Umweltbelastungen sind nicht automatisch geringer, nur weil es kein Plastik ist. Mehr →
Einweggeschirr und To-go-Verpackungen tragen inzwischen erheblich zum Abfallaufkommen in Deutschland bei. To-go- und Picknick-Abfälle sind immer häufiger an Stränden und Flussufern zu finden. Der NABU fordert eine ambitionierte Förderung von alternativen Mehrweglösungen. Mehr →
Im Dezember will die EU-Kommission ihre Plastik-Strategie vorstellen. Es geht um die Lösung der Umweltprobleme durch Kunststoffe. Der NABU fordert eine Konzentration auf Vermeidungsmaßnahmen und sauberes Recycling. Mehr →
Mehr als zehn Millionen Tonnen Kunststoffabfälle gelangen jedes Jahr allein von Land in die Weltmeere. Auch Nord- und Ostsee sind betroffen. Höchste Zeit zu handeln! Um dem Müllproblem zu gegegnen, hat der NABU im Jahr 2010 das Projekt „Meere ohne Plastik“ gestartet. Mehr →
Im Kampf gegen die Vermüllung der Ostsee hat der NABU mit lokalen Partnern im September 2016 ein neues Projekt gestartet: Auf der Insel Fehmarn können Strandurlauber*innen bei ausgewählten gastronomischen Einrichtungen umweltfreundliches Mehrweg- statt Einweggeschirr benutzen. Mehr →
Papier wird häufig als besonders ökologisch oder natürlich beworben. Papier bringt jedoch ebenfalls verschiedene Umweltbelastungen mit sich und ist auch nicht immer ökologischer als Kunststoff. Mehr →