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Jetzt NABU-Mitglied werden!Mikroplastik in Kosmetik und Putzmitteln
NABU fordert EU-Verbot
In der Öffentlichkeit ist das Thema Mikroplastik in Kosmetik inzwischen sehr präsent. Nicht zuletzt seitdem wir wissen, dass eine Armada aus Kunststoffpartikeln die Meere flutet. Häufig werden als Beispiel synthetische Reibkörper in Peeling-Produkten genannt. Mikroplastik hat aber auch andere Funktionen in den Produkten, etwa als Füllstoff, Trübungsmittel und Filmbildner. Mikroplastik-Partikel können dabei so klein sein, dass sie für das Auge unsichtbar sind und sich auch nicht fühlen lassen. Darüber hinaus werden synthetische Polymere nicht nur als Partikel, sondern auch in gelöster, gelartiger oder flüssiger Form von der Industrie verwendet.
977 Tonnen Mikroplastik und 46.900 Tonnen gelöste Polymere gelangen jährlich in Deutschland allein aus Kosmetikprodukten sowie Wasch-, Putz- und Reinigungsmitteln (WPR) ins Abwasser. Das ergibt die Studie, die vom Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT im Auftrag des NABU durchgeführt wurde. Analysiert wurde auch, welche gesetzlichen und freiwilligen Regulierungsansätze es gibt – und welche es geben sollte.
Download der Studie
Erkenntnisse aus der Studie
Vorsorge statt Nachsorge für schwer abbaubare Polymere
Als Inhaltstoffe in Kosmetikprodukten sowie in Wasch-, Putz- und Reinigungsmitteln ist der Transfer des Mikroplastiks und der gelösten Polymere ins Abwasser in der Regel beabsichtigt bzw. unvermeidbar. Daher sind sie bezüglich ihrer aquatischen Toxizität (Gewässergefährdung) und Persistenz von besonderer Relevanz.
Die Kläranlagen filtern Mikroplastik nicht vollständig aus, nach den (wenigen) existierenden Studien gelangen mindestens drei Prozent in die Umwelt. Darüber hinaus kann das zurückgehaltene Mikroplastik über den Klärschlamm weiterhin auf landwirtschaftlichen Flächen landen, wo dieser als Dünger eingesetzt wird.
Mikroplastik ist aus den Meeren faktisch nicht rückholbar und wird nur sehr langsam abgebaut, sodass die Anreicherungen in der Umwelt im Laufe der Jahre automatisch stark ansteigen werden. Auch wenn noch Forschungsbedarf besteht, haben wir Grund zur Sorge, wie eine Studie der Europäischen Kommission von 2016 zeigt. Schon heute wissen wir von der Zellaufnahme und Entzündungsreaktionen zum Beispiel in Miesmuscheln oder auch verringerten Wachstumsraten in planktischen Krebstieren. Daher besteht im Sinne des Vorsorgeprinzips großer Handlungsbedarf.
Mengen und Funktionen in Kosmetik und WPR
In Kosmetikprodukten werden in Deutschland jährlich über 900 Tonnen Mikroplastik vor allem als Füllstoff, Trübungsmittel und Filmbildner sowie als Reibkörper eingesetzt. Bevor der erhebliche öffentliche Druck von Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden und Teilen der Politik zu Reaktionen der Hersteller führte, dauerte es Jahre. Bis 2017 lag die Menge des intendiert eingesetzten Mikroplastiks noch bei über 1.600 Tonnen. Darüber hinaus dienen jährlich 23.7000 Tonnen gelöste synthetische Polymere zum Beispiel als Viskositätsregler, Emulgiermittel, Lösemittel oder Filmbildner.
Laut Fraunhofer UMSICHT sind nur (noch) fünf Prozent der Reibkörper (sogenannte „Microbeads“) aus Polymeren. Ein Ersatz durch mineralische Reibkörper scheint technisch unproblematisch zu sein. Kaum Alternativen zu Polymeren gibt es hingegen bei den Funktionen Haarfixierung und Nägelbeschichtung. Die Zahl der Polymervarianten, die in der Kosmetik eingesetzt werden, ist um ein Vielfaches höher als bei Wasch-, Putz- und Reinigungsmitteln.
In Wasch-, Putz- und Reinigungsmitteln (WPR) wird mit 55 Tonnen wesentlich weniger partikuläres Mikroplastik eingesetzt als in Kosmetik. Dafür liegt die Eintragsmenge an gelösten Polymeren mit 23.200 Tonnen ähnlich hoch. Die mengenmäßig wichtigsten Polymere in WPR sind Polycarboxylate, Carboxymethylcellulose und nicht-ionische Terephthalatpolymere sowie höhermolekulare Paraffine. Sie dienen vor allem zur Enthärtung, Vergrauungsvermeidung, Schmutzabweisung oder Viskositätseinstellung sowie zur Beschichtung von Oberflächen.
Gesetzliche Regulierungslücke bei schwer abbaubaren Polymeren
Schwer abbaubare Polymere erscheinen in Bezug auf die potenziellen Umweltgefahren unterreguliert. Sie sollten umfassend reguliert werden, das heißt produkt- und funktionsübergreifend und ohne Beschränkunge auf partikuläres Mikroplastik: Auch flüssige, gelöste und gelartige Polymere müssen reduziert werden, sofern sie schwer abbaubar sind. Bisher sind bei der Beurteilung der Umweltgefährdung viele Polymere zwar als persistent, aber in Bezug auf Bioakkumulation und Toxizität eher als ungefährlich eingestuft. Fraunhofer UMSICHT schlägt in der Studie vor, dem Kriterium Persistenz in Testverfahren und Bewertungsmethoden der Umweltgefährdung zukünftig einen höheren Stellenwert beizumessen.
Vorschlag zur Bewertung der Umweltgefährdung (rot = heutiger Bereich der Gefahrstoffe, blau = zukünftiger Bereich)
Die meisten Polymere sind aktuell unter der europäischen Chemikalienverordnung REACH nicht registrierungspflichtig. Darüber hinaus spielen Umweltgefahren bei der Harmonisierung der CLP-Verordnung zur Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen bisher eine eher untergeordnete Rolle. Im Waschmittelreinigungsgesetz (WMRG) und in der Detergenzienverordnung (DVO) sowie in der Kosmetikverordnung (KVO) werden die mit Polymeren verbundenen (möglichen) Umweltgefahren nicht aktiv adressiert.
Die Selbstverpflichtungen verschiedener Kosmetikhersteller bezogen sich letztlich nur auf die Reduktion von Reibkörpern (Microbeads) in Rinse-Off-Produkten (also Körperpflegemitteln, die abgespült werden, wie Shampoo und Duschgel - ein viel zu geringer Anwendungsbereich. Auch Pläne von einzelnen Nationalstaaten beschränkten sich in der Regel darauf.
Laut Fraunhofer UMSICHT erlauben sowohl die REACH-Verordnung (Erwägungsgrund 41, Art. 138) als auch WRMG (Art. 6) und Detergenzienverordnung (Erwägungsgrund 41) eine Ausweitung des Schutzrahmens auf Polymere. Diese rechtlichen Optionen sind sorgfältig zu prüfen und gegebenenfalls wahrzunehmen. Dass dies bislang nicht geschehen ist und dass die Aufnahme von Polymeren bisher davon abhängig gemacht wird, dass durch ihren Einsatz resultierende Gefahren zunächst wissenschaftlich belegt werden müssen, kann als eine Aushebelung des Vorsorgeprinzips interpretiert werden.
NABU-Forderungen zu Polymeren in Kosmetik und WPR
- Die EU sollte partikuläres Mikroplastik (nicht nur Reibkörper bzw. Microbeads) umgehend in allen Kosmetikprodukten und Wasch-, Putz- und Reinigungsmitteln (WPR) verbieten, unabhängig von der Partikelgröße. Nationale Verbote können den Handlunsgdruck erhöhen, letztlich ist aber eine Regelung mindestens auf EU-Ebene nötig.
- Darüber hinaus sind auch schwer abbaubare gelöste, flüssige und gelartige Polymere über das EU-Chemikalienrecht zu regulieren, um deren Einsatz stark einzuschränken.
- Mittelfristig sollte eine allgemeine Regulierung von schwer abbaubaren Polymeren über die EU-Chemikalienverordnung REACH sowie die CLP-Verordnung erfolgen. Die CLP-Verordnung regelt die Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien.
- Die Persistenz sollte bei der Beurteilung der Umweltgefährdung durch Polymere einen wesentlich höheren Stellenwert bekommen. Ab einem sehr hohen Grad der Persistenz sollte sie als alleiniges Kriterium genügen.
- Die Anforderungen der biologischen Abbaubarkeit an Tenside sollte auf polymere Inhaltstoffe in Kosmetik und WPR ausgeweitet werden.
- Die Techniken in Kläranlagen zum Abfiltern von Mikroplastik müssen verbessert und das Ausbringen von schwer abbaubaren Stoffen auf Felder über den Klärschlamm verboten werden: Klärschlamm sollte bis 2030 in Deutschland nur noch in Mono-Verbrennungsanlagen mit integrierter Nährstoffrückgewinnung behandelt werden.
- Daten zu den Inhaltstoffen und möglichen Umweltauswirkungen müssen transparenter werden, um die Verbraucherinformation zu erleichtern.
- In Produkten müssen die am besten abbaubaren Ersatzstoffe eingesetzt werden, wobei Reboundeffekte berücksichtigt werden müssen.
- Ersatzstoffe müssen unabhängig von der Rohstoffbasis auf ihre Abbaubarkeit geprüft werden, denn auch natürliche Polymere und synthetisch aus biobasierten Rohstoffen hergestellte Polymere können schlecht abbaubar sein (zum Beispiel PLA als Reibkörper).
- Naturkosmetik-Standards, die über den Verzicht auf petrobasierte Rohstoffe einen Großteil des Mikroplastiks und der gelösten Polymere ausschließen, sollten auch biobasierte, schlecht abzubauende Polymere verbieten.
- Freiwillige Umweltzeichen sollten ihre Anforderungen an die polymeren Inhaltsstoffe verschärfen.
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