Mehr Verbund- und weniger Plastiktüten nach Gewicht - Grafik: NABU/Julia Kontor
Milliarden Einwegtüten für frische Backwaren
NABU-Studie zeigt jährliche Abfallmengen durch Einwegtüten
Während es inzwischen für viele Menschen selbstverständlich ist, auf Plastiktüten zu verzichten, haben Papiertüten weiterhin ein gutes Image. Dabei ist auch die Papierherstellung sehr ressourcenintensiv und selbst das braune Antlitz ist kein Zeichen für Natürlichkeit. Die Tüten sind in der Regel nur gefärbt. Außerdem schneiden Papierverpackungen ökologisch nicht per se besser ab als Plastik (mehr Infos: NABU-Verpackungsvergleich). Daher ist es genauso wichtig wie bei Plastik, den Verbrauch an Papierverpackungen auf ein notwendiges Maß zu reduzieren.
Mehr als 4,5 Mrd. Einwegtüten jährlich
Im Auftrag des NABU untersuchte die Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) den jährlichen Verbrauch an Einwegtüten für frische Backwaren in Deutschland. Insbesondere in Bäckereien oder im Lebensmitteleinzelhandel an Bedien- oder Selbstbedienungstheken werden sie genutzt. Unter „Backwaren“ fallen Brot und Kleingebäck, Brötchen und Brezeln, aber auch herzhafte-pikante Backwaren sowie süße Backwaren wie Kuchen und Torten. Nicht untersucht wurde der Verpackungsverbrauch für industriell abgepackte Backwaren. Der Verbrauch setzt sich aus diesen verschiedenen Tüten zusammen:
Rund 30.000 Tonnen Abfall durch Einwegtüten
Umgerechnet auf das Gewicht fallen in Deutschland so jährlich knapp 30.000 Tonnen Abfall durch Einwegtüten für frische Backwaren an. Bei frischen Backwaren spielen Kunststoffbeutel sowohl bei der Stückzahl als auch beim Gewicht eine untergeordnete Rolle (anders als bei Plastikbeuteln für loses Obst und Gemüse). Mit einem Anteil von über 70 Prozent dominieren Papiertüten ohne Sichtfenster, die in Bäckereien und vereinzelt auch an Tankstellen ausgegeben werden. Einen wesentlich geringeren, aber dennoch relevanten Anteil haben Verbundtüten aus Papier mit Kunststoff-Sichtfenster, die vor allem in Supermärkten und Discountern eingesetzt werden.
Immer mehr Verbundtüten aus Papier und Kunststoff
Analysiert wurde zudem die Entwicklung des Verpackungsaufkommens von 2010 bis 2021. Hier zeigte sich die zunehmende Bedeutung von Einwegpapiertüten mit Sichtfenster aus Kunststoff:
- Der Verbrauch an Papiertüten mit Kunststoff-Sichtfenster hat seit 2010 um 90 Prozent im Gewicht und 110 Prozent in der Anzahl zugenommen. Die Tütengrößen haben sich in der Zeit ebenfalls verändert, deswegen unterscheiden sich dei Werte.
- Der Verbrauch von Kunststofftüten ist seit 2010 nach Gewicht und Anzahl jeweils um circa 35 Prozent zurückgegangen.
Eine Entwicklung, die insbesondere durch Supermärkte und Discounter vorangetrieben wird: Der Marktanteil beim Verkauf von frischen Backwaren steigt und von Kunststoff- wurde auf Verbundtüten aus Papier und Kunststoff umgestellt. Das ist problematisch, denn Verbundtüten sind nur schwer recyclebar. Für das Recycling sind Tüten aus Monomaterial wichtig, Papiertüten mit Sichtfenstern aus Papier spielen auf dem Markt aber bisher kaum eine Rolle.
Über alle Einwegtüten und Materialien hinweg ist der Materialverbrauch zwischen 2020 und 2021 gewichtsbezogen konstant geblieben. Nach Tütenanzahl ist er indes um 2,5 Prozent gestiegen. Allerdings wurden im selben Zeitraum fünf Prozent weniger Backwaren in diesen Tüten verkauft. Bedeutet: Es wurde 2021 durchschnittlich mehr Material verwendet als 2010, um ein Kilo frische Backwaren zu verpacken.
Über 30.000 Fichten jährlich für Einwegtüten für frische Backwaren
Einwegtüten allein für frische Backwaren verursachen jährlich rund 30.000 Tonnen Abfall. Zum Vergleich: Die seit 2022 verbotenen Plastiktragetaschen mittlerer Wandstärke verursachten 2020 dagegen „nur“ etwas mehr als 7.000 Tonnen Abfall.
Die Aufmerksamkeit für überflüssige Papierverpackungen muss dringend größer werden: Für Papiertüten mit direktem Lebensmittelkontakt werden aus Hygienegründen nur sogenannte Primärfasern verarbeitet, das heißt frisches Holz statt Altpapier. Nach NABU-Schätzungen benötigt man für die rund 4,5 Milliarden Einwegtüten für frische Backwaren jährlich über 30.000 Fichten.
Die bessere Alternative: Mehrwegbeutel
Wie bei losem Obst und Gemüse gibt es auch bei Backwaren die Möglichkeit, mit Mehrwegbeuteln oder schon genutzten Tüten den Verbrauch an Einwegtüten stark zu reduzieren. Um die Materialersparnis eines Mehrwegbeutels aus Baumwolle gegenüber der Nutzung von Einwegtüten aufzuzeigen, wurde in der Studie die Materialeffizienz berechnet: Diese meint den durchschnittlichen Verbrauch an Verpackungsmaterial in Gramm, um ein Kilogramm frische Backwaren zu verpacken.
Die folgende Grafik zeigt, ab wann nach dieser Berechnungsmethode ein Mehrwegbeutel weniger Abfall bedeutet als die Nutzung von Einwegtüten. Der Berechnung wird beim Mehrwegbeutel ein durchschnittliches Gewicht von rund 50 Gramm zugrunde gelegt. Nach viermaliger Nutzung verursacht er weniger Abfall als Einwegtüten aus Papier.
Problem Verbundtüte
In der Studie wurden verschiedene Papiertüten mit Plastik-Sichtfenster (Verbundtüten) ausgewogen: Der Kunststoffanteil variierte stark von 13 Prozent bis sogar über 40 Prozent. Werden die Materialien nicht getrennt, müssten die Tüten eigentlich in die Gelbe Tonne: In Deutschland dürfen nur Verpackungen ins Altpapier, die zu mehr als 95 Prozent aus Papier, Pappe oder Karton bestehen. Über die Gelbe Tonne gehen die wertvollen Papierfasern aber verloren und werden nicht recycled.
Viele Unternehmen, teils auch Entsorgungsunternehmen, kommunizieren, dass die Verbundtüten über das Altpapier entsorgt werden dürfen. Die Begründung: Die Sichtfenster bestehen in der Regel aus Cellophan, einem biobasierten Kunststoff, der sich im Altpapierrecycling auflöse. Letztlich kann über die Altpapiertonne immerhin der Papieranteil ins Recycling gehen. Es sollen allerdings auch viele Fasern verloren gehen, die mit der Kunststofffolie verklebt sind. Diese werden, wie auch die gesamte Folie ausgeschleust und verbrannt statt recycelt. Daher sind Einwegtüten aus nur einem Material (Kunststoff oder Papier) den Verbundtüten vorzuziehen.
NABU-Forderungen
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Die öffentliche Aufmerksamkeit für die Umweltbelastung durch die Herstellung von Papierverpackungen muss genauso groß werden wie für Einweg-Plastikverpackungen.
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Supermärkte, Bäckereien etc. sollten verpflichtet werden, Kund*innen auch eine Mehrwegalternative als Verpackung anzubieten. Gerade bei trockenen Backwaren wie Brot oder Brötchen können diese genutzt werden.
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Kund*innen sollten einen finanziellen Vorteil erhalten, wenn sie eigene Beutel oder Tüten mitbringen.
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Wenn Einwegtüten angeboten werden, sollten diese aus gut recyclingfähigem Material bestehen, das heißt vollständig entweder aus Papier oder Kunststoff.
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Auf Verbundtüten sollten eindeutige Informationen zur richtigen Mülltrennung angegeben werden.
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