Transport- vs. Produktverpackung bei Müsli - Grafik: NABU/publicgarden
NABU-Studie zu Transportverpackungen
Großes Mehrwegpotenzial für einen wichtigen Abfallstrom
Das Thema Verpackungen ist in den letzten Jahren in der öffentlichen Diskussion stärker präsent. Im Fokus stehen dabei meistens die verbrauchernahen Produkt- und Versandverpackungen wie die Plastiktüte oder die Gurkenfolie. Ein Abfallstrom bleibt in der öffentlichen Debatte hingegen außen vor, obwohl er für einen großen Teil des Verpackungsabfalls verantwortlich ist: die Transportverpackungen.
Gerade hier stellen Mehrwegsysteme eine erfolgversprechende Alternative da. Der NABU beauftragte daher die GVM Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung, diesen Abfallstrom genauer zu untersuchen.
Verpackungsabfall durch Transportverpackungen
Transportverpackungen sind Verpackungen, die im Groß- und Einzelhandel anfallen. Sie sind nicht zu verwechseln mit Versandverpackungen, wie sie beispielsweise im Online-Handel genutzt werden, und Produktverpackungen, die standardmäßig in privaten Haushalten über die Dualen Systeme entsorgt werden.
Transportverpackungen aus Papier, Pappe, Karton (PPK) sind zum Beispiel Kartons, Zwischenlagen, Kantenschutz, Versandetiketten und vor allem Regalkartonagen, in denen die Waren direkt im Geschäft präsentiert werden können. Folien, Mehrwegkisten, Paletten und Palettenumhüllungen sind Beispiele für Transportverpackungen aus Kunststoff. Mengenmäßig relevant sind auch Holzpaletten.
Der gesamte Verpackungsverbrauch in Deutschland lag 2021 bei 19,2 Millionen Tonnen. Transportverpackungen hatten daran mit 5,5 Millionen Tonnen einen Anteil von 29 Prozent. Hier dominiert PPK als Material: 68 Prozent der Transportverpackungen sind aus Papier, Pappe oder Karton. Danach folgt Holz mit 22 Prozent.
Papier, Pappe und Karton als dominierendes Verpackungsmaterial
Das wichtigste Packmittel für Transportverpackungen ist PPK, also Papier, Pappe, Karton. Durch PPK-Transportverpackungen fielen 2021 über 3,8 Millionen Tonnen Verpackungsabfall an. Laut GVM zeigt sich in Deutschland folgendes Bild:
- Über zwei Drittel der Transportverpackungen sind (gewichtsbezogen) aus PPK, darauf folgt Holz mit 22 Prozent und Kunststoff mit neun Prozent.
- PPK-Transportverpackungen sind mit einem Anteil von 20 Prozent eine sehr relevante Quelle für den gesamten (alle Packmaterialien umfassenden) Verpackungsverbrauch in Deutschland.
- Seit 2000 ist der Verbrauch von PPK-Transportverpackungen um rund 25 Prozent gestiegen.
- Regalkartonagen machen über 40 Prozent der PPK-Transportverpackungen aus. Mit diesen können Waren direkt im Geschäft in den Regalen angeboten werden. Sie sind aufgrund ihrer stabilen Bauart materialintensiver als normale Kartons. Obwohl Regalkartonagen für die Verbraucher*innen häufig sichtbar im Regal stehen, werden sie kaum als Abfallproblem wahrgenommen.
- Der Anteil recycelter Fasern in PPK-Transportverpackungen ist mit 84 Prozent vergleichsweise hoch, gleichwohl werden jährlich circa 600.000 Tonnen Primärfasern aus Holz für die Transportverpackungen verbraucht.
Ist doch nur Pappe – wo ist das Problem?
Der Verbrauch von Papier und Pappe wird oftmals als ökologisch unproblematisch dargestellt, da die Materialien kompostierbar sind und aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden. Dies ist ein Trugschluss, denn für die Herstellung von Papier werden extrem viel (fossile) Energie, Wasser und Chemikalien benötigt. Und auch das Papierrecycling ist sehr energieintensiv. Der NABU setzt sich deshalb für eine Reduktion des Papierverbrauchs und einen sparsamen und bewussten Umgang mit der Ressource Holz in möglichst langlebigen Produkten ein.
Vier Produktbeispiele
Für Lebensmittel werden rund 45 Prozent der PPK-Transportverpackungen und sogar 70 Prozent der Regalkartonagen eingesetzt. Die GVM hat daher für vier Lebensmittel beispielhaft berechnet, wie viel „wahrnehmbarer“ (Produktverpackung) und „nicht wahrnehmbarer“ Abfall (Transportverpackung) anfällt: für Müsli, Tiefkühl-Gemüse, Nudeln und Schokolade.
Bei den untersuchten Beispielen entstehen bis zu 86 Prozent des gesamten Verpackungsabfalls eines Produkts durch Transportverpackungen. Das bedeutet, dass für den Transport eines Lebensmittels bis zu sechs Mal so viel Verpackungsabfall anfällt wie für die Produktverpackung.
Materialeinsparung durch Mehrweg
Mehrweg liefert einen Ansatz, um das Abfallaufkommen an Transportverpackungen deutlich zu reduzieren. Den aktuellen Mehrweganteil von Transportverpackungen schätzt die GVM für Deutschland auf rund 13 Prozent.
In der Studie wurde für verschiedene Produktgruppen die Materialeffizienz von Mehrweg- mit der von Einweg-Transportverpackungen verglichen, um die potenzielle Materialersparnis durch Mehrwegverpackungen aufzuzeigen. Diese hängt vor allem von folgenden Parametern ab:
- Umlaufhäufigkeit: Die Lebensumlaufhäufigkeit gibt an, nach wie vielen Nutzungen eine Mehrwegverpackung entsorgt (und in der Regel recycelt) wird. Je höher diese ist, desto weniger Mehrwegverpackungen fallen als Abfall an.
- Gewicht: Das Einsatzgewicht der Mehrwegverpackung muss immer in Bezug zur erreichten Umlaufzahl gesehen werden.
- Füllgröße: Je größer die Füllgröße, desto besser ist in der Regel die Materialeffizienz der Verpackungen.
- Handling beziehungsweise Stapelbarkeit auf Paletten und ähnliches (nicht in den Berechnungen miteinbezogen).
Die folgenden Grafiken zeigen, ab wann in den jeweiligen Produktgruppen durch Mehrweg eine Materialeinsparung erreicht wird.
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Bereits nach drei Umläufen kommt es zu einer Materialeinsparung durch Mehrwegkisten („Steigen“) für Obst und Gemüse im Vergleich zu Einweg-Kartonagen. Bei einer Umlaufzahl von rund 35 Umläufen werden über 90 Prozent Verpackungsmaterial eingespart. Aktuell liegt der geschätzte Mehrweganteil zwischen 25 und 50 Prozent. Quelle: NABU, basierend auf GVM (2022)
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Bei Backwaren spart der Einsatz der Mehrwegverpackungen ab rund sechs Umläufen im Vergleich zu Einweg Material ein. Der Mehrweganteil liegt in Deutschland aktuell bei unter 25 Prozent. Quelle: NABU, basierend auf GVM (2022)
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Wird die Mehrwegverpackung für Eier drei Mal verwendet, ist der Materialverbrauch im Vergleich zu Einweg niedriger. Der Mehrweganteil liegt aktuell bei unter 25 Prozent (dies meint nicht die Mehrweg-Eierboxen, die Kund*innen mit in den Supermarkt bringen). Quelle: NABU, basierend auf GVM (2022)
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Auch für Produktgruppen, für die es bislang kein Mehrwegsystem gibt, lässt sich berechnen, ab wann es gegenüber Einweg zu einer Materialeinsparung käme. Erreichen Mehrweg-Regalkästen für Cerealien sechs Umläufe, kann im Vergleich zu den Einweg-Transportverpackungen Material eingespart werden. Quelle: NABU, basierend auf GVM (2022)rden. Quelle: NABU, basierend auf GVM (2022)
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Bei Tiefkühl-Gemüse kommt es ab dem fünften Umlauf der Mehrweg-Transportverpackung zu einer Materialeinsparung. Quelle: NABU, basierend auf GVM (2022)
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Bei der Tafel Schokolade spart der Einsatz der Mehrweg-Regalkästen ab sechs Umläufen im Vergleich zu den Einweg-Regalkartons Material ein. Quelle: NABU, basierend auf GVM (2022)
Die GVM hat die Materialersparnis durch Mehrweg auch auf den Gesamtmarkt hochgerechnet: Bei einem Szenario mit 50 Prozent Mehrweganteil im gesamten Markt (Getränke, Lebensmittel, Drogeriewaren, Sonstige) ließen sich laut Berechnungen der GVM über eine Million Tonnen Verpackungsmaterial einsparen. Die Zunahme am Kunststoffverbrauch für Mehrwegkisten (plus 0,26 Millionen Tonnen) würde durch die Einsparung an PPK für die Einwegverpackungen (minus 1,36 Millionen Tonnen) mehr als ausgeglichen werden. Bei einem moderateren Zuwachs von heute 13 Prozent Mehrweganteil auf 25 Prozent Mehrweg läge die Materialersparnis bei 0,35 Millionen Tonnen.
Ökobilanzieller Vergleich von Einweg und Mehrweg
Die Materialeinsparung gegenüber Einweg wirkt sich positiv auf die Ökobilanz von Mehrwegsystemen aus. Gleichwohl ist dies nicht der allein entscheidende Aspekt beim ökologischen Vergleich von Einweg- und Mehrwegverpackungen. Weitere wichtige Faktoren für die ökologische Bewertung sind unter anderem die Transportentfernungen, Rücknahme- und Reinigungslogistik bei Mehrweg, die Recyclingquote der Abfälle, die Umweltauswirkungen durch die Herstellung der Verpackungsmaterialien sowie der Einsatz von Recyclingmaterial in den Verpackungen.
Grundsätzlich gilt: Je höher die Umlaufzahlen und je niedriger die Transportdistanzen, desto besser ist die Umweltbilanz eines Mehrwegsystems.
Im Rahmen der GVM-Studie zu Transportverpackungen wurde nur die Materialersparnis dargestellt. In der Regel haben Mehrwegsysteme jedoch auch dann ökologische Vorteile, wenn weitere Aspekte mitbetrachtet werden. Dies zeigt beispielsweise die Studie von Fraunhofer UMSICHT (2022) „Kunststoffbasierte Mehrwegwegsysteme in der Circular Economy“ für Obst- und Gemüsesteigen und Mehrweg-Pflanzentrays. Die Mehrwegsysteme verursachen deutlich geringere Treibausgasemissionen und der Energieaufwand ist geringer als bei den konkurrierenden Einwegsystemen.
GVM-Empfehlungen zu Mehrwegsystemen
Flächendeckende und branchenübergreifende Mehrweg-Poolsysteme sind wichtig, um dezentrale Strukturen der Reinigung, Abfüllung und Logistik zu gewährleisten und dadurch die Transportwege kurz zu halten. Die GVM empfiehlt, die bestehenden Mehrwegsysteme weiter auszubauen sowie neue Mehrwegsysteme hersteller- oder händlerübergreifend zu entwickeln.
Produktbereiche, die von einer begrenzten Anzahl von Produzenten beliefert werden und die weiter standardisiert werden können, bieten sich hierfür an. Auch Bereiche, in denen im Einzelhandel die Transportverpackungen nicht zur Warenpräsentation eingesetzt werden, eignen sich besonders für neue Mehrwegsysteme, beispielsweise Tiefkühlkost.
NABU-Forderungen
- Stärkerer politischer Fokus auf Transportverpackungen – etwa im Verpackungsgesetz und in der europäischen Verpackungsrichtlinie
- Ausweitung von Mehrwegsystemen für Transportverpackungen durch fördernde gesetzliche Rahmenbedingungen und finanzielle Anreize (weitere Informationen und NABU-Forderungen zu Mehrweg)
- Verbesserte Getrenntsammlung von Transportverpackungsabfällen an den Anfallstellen, damit möglichst sauberes Material ins Recycling geht
- Bundesweiter Vollzug der Getrenntsammlungspflichten im Groß- und Einzelhandel entsprechend der Gewerbeabfallverordnung, beispielsweise durch bessere Kontrollen
- Einsatz nur von vollständig recyclingfähigen Transportverpackungen, vor allem bei Kunststoff (Design für Recycling)
- Forschung und Entwicklung für höheren Rezyklateinsatz in Transportverpackungen aus Kunststoff
Studie zum Download
Infografiken zum Download
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Für den Transport von Waren werden in erster Linie Einweg-Verpackungen eingesetzt, vor allem aus Pappe und Karton. Nach nur einmaliger Nutzung werden diese zu Abfall. Mehrweg-Systeme liefern eine Antwort auf diese Ressourcenverschwendung. Mehr →
Auf politischer und wirtschaftlicher Ebene wird seit Jahren heftig über das Thema Getränkeverpackungen diskutiert, Anlass ist die sehr niedrige Mehrwegquote. Der NABU fordert hier wie auch für andere Verpackungen gesetzliche Mehrwegquoten und setzt sich für einen Ausbau umweltfreundlicher Mehrwegsysteme auch in anderen Bereichen wie To-Go- oder Transportverpackungen ein. Mehr →