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Bedeutung der Frischluftzufuhr für das Stadtklima
Naturschutz und Stadtklimaverbesserung gehen oftmals Hand in Hand. Dies zeigt sich etwa in Jena. Die ostthüringische Stadt ist aufgrund ihrer Kessellage eine der wärmsten Großstädte Deutschlands. Neben der geschützten Lage im milden Saaletal tragen die etwa 200 Meter aufragenden Berghänge zu den warmen Witterungsbedingungen bei. Sie bestehen größtenteils aus Kalkstein, einem sehr guten Wärmespeicher. Wegen dieser klimatischen Gegebenheiten wird die Region bei Jena auch „Thüringer Toskana“ oder auch „Toskana des Ostens“ genannt.
Das hört sich sehr angenehm an und hat im Herbst und Frühjahr auch seine Vorzüge. Im Winter liegt allerdings die mit Schadstoffen angereicherte Kaltluft stabil und austauscharm im Kessel und im Sommer belastet die heiße Stadtluft die Bewohner der Innenstadt. Somit besteht im Sommer die Gefahr der Überhitzung. Die Situation in der Innenstadt verbessert sich, wenn ausreichend große Frischluftmengen aus der ländlichen Umgebung als Kaltluftabflüsse dorthin gelangen.
In Jena liegen diese sogenannten Frischluftentstehungsgebiete und Frischluftschneisen (also unbebaute Zonen, durch die frische Landluft ungehindert ins Stadtinnere gelangen kann) vor allem an den Saalehängen. Ein Netz aus Naturschutzgebieten, welches die Stadt wie einen Ring fast vollständig umgibt, trägt maßgeblich dazu bei, dass fast alle umliegenden Kalkhänge und die dazugehörigen Plateaulagen auf Grund ihrer hohen Artenvielfalt an Orchideen geschützt und somit unbebaut und durch natürliche Vegetationsstrukturen gekennzeichnet sind. In den fünf Gebieten mit weit über 3000 Hektar Fläche wurden 30 verschiedene Orchideenarten kartiert. Die Ausweisung der Flächen im Rahmen eines Naturschutzgroßprojektes wurde von 1996 bis 2007 von einem Zweckverband der Stadt Jena, der Saale-Holzland-Kreis, die Stiftung Lebensraum Thüringen getragen. Aufgrund des Schutzstatus ist es nun nicht mehr möglich, die Hanglagen zu bebauen, was dem Stadtklima sehr zugute kommt.
Das Naturschutzgebiet Windknollen, unmittelbar westlich oberhalb der Innenstadt, ist ein solches Beispiel. Auf der 363 Meter hohen Fläche mit Kurzgrasvegetation sowie im angrenzenden Landschaftsschutzgebiet „Mittleres Saaletal“ entstehen nachts kalte Frischluftmassen. Diese fließen flächig an den unbebauten Hängen und kanalisiert durch das Mühltal in die Stadt der Gravitation folgend ab. Diese Kaltluftmassen wirken dabei weit bis in den Talgrund des Saaletals und kühlen die tagsüber erhitzten und nachts noch überwärmten Stadtbereiche effizient ab. Diese Wirkungen treten genau dann ein, wenn sie notwendig sind: während windschwacher, sonnenreicher Wetterlagen, also wenn im Sommer die Belastung für die Stadtbewohner besonders groß ist. Berechnungen der Stadt Jena zeigen, dass etwa die Hälfte des Stadtgebietes von Kaltluftabflüssen wie jenen aus dem Naturschutzgebiet Windknollen profitiert.
Die Stadt verfolgt nun neben dem Naturschutz auch das Ziel, näheres über die unsichtbaren Pfade der kalten und frischen Luftmassen zu erfahren. Denn auch wenn den Stadtplanern die Bedeutung der fingerförmig in die Stadt reichenden grünen Frischluftbahnen bekannt ist, weiß man über das genaue Ausmaß und die Bedeutung der einzelnen Täler noch zu wenig. Daher wird derzeit zusammen mit dem Deutschen Wetterdienst über Messungen eine gesamtstädtische Datengrundlage geschaffen, um zukünftig bei der Planung von Bauvorhaben noch mehr auf das Stadtklima Rücksicht nehmen zu können. Klar ist aber, dass die geschützten Saalehänge selbst schon jetzt aufgrund ihrer klimatischen Wirkungen ein Gewinn für die Bewohner und aufgrund ihres geschützten Status ein Gewinn für die biologische Vielfalt in der Region sind.