NABU stellt Anträge auf Herausgabe der Pestizideinsatzdaten
Transparenz und Reduktion beim Pestizideinsatz gefordert
Der NABU hat im September 2021 in zwölf deutschen Flächenländern Einsicht in die Aufzeichnungen von Pestizidanwendungen und fordert Novellierung der Zulassungsverfahren und Offenlegung von Einsatzdaten beantragt.
Eine im Juni 2021 vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig veröffentlichte Studie belegt bundesweit viel zu hohe Pestizidbelastungen von Kleingewässern. Die festgelegten Grenzwerte werden in 81 Prozent der untersuchten Bäche überschritten, teils sogar um mehr als das 100-fache. Besonders gefährdet sind empfindliche Insekten wie Köcherfliegen und Libellen, die deutlich niedrigere Grenzwerte bräuchten.
Damit die Gewässerbelastung mit ihrer Ursache (Pestizideinsatz) verknüpft werden kann und daraus Rückschlüsse für das derzeitige Risikobewertungs- und Zulassungsverfahren von Pestiziden ziehen zu können, hat der NABU bundesweit an den Messstellen des Kleingewässermonitorings die Einsatzdaten von Pflanzenschutzmitteln aus den Jahren 2018, 2019 und 2021 beantragt.
Bisher werden die Anwendungsdaten von Pflanzenschutzmitteln weder zentral gesammelt noch ausgewertet. Nur mit den Einsatzdaten können die Modelle, auf deren Grundlage die Wirkstoffe und Pflanzenschutzmittel zugelassen werden, in der Praxis aber validiert werden.
Niedersachsen kam als einziges Bundesland dem Ersuchen des NABU auf Dateneinsicht nicht nach. Dagegen hat der NABU geklagt.
Nachfolgend werden Fragen im Zusammenhang mit diesen Anträgen beantwortet:
1. Wie groß ist der Einfluss von Pestiziden auf Lebensgemeinschaften in Kleingewässern?
Der meist unzureichende ökologische Zustand der Oberflächengewässer wird vor allem mit Habitatdegradation und übermäßigem Nährstoffeintrag begründet. Im Rahmen des Kleingewässermonitorings (KgM) des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung Leipzig (UFZ) hat sich allerdings gezeigt, dass die Pestizidbelastung noch vor anderen Umweltproblemen wie Gewässerausbau, Sauerstoffmangel oder zu hoher Nährstoffgehalt, den größten Gefährdungsfaktor für empfindliche Insektenarten in Kleingewässern darstellt. Pestizide wirken auf Lebensgemeinschaften aquatischer Wirbelloser bereits in viel niedrigeren Konzentrationen als bisher in der Pestizid-Zulassung angenommen. Die Ergebnisse zeigen daher eindeutige Handlungsnotwendigkeit auf, die Umweltrisikobewertung zu reformieren. Andernfalls kann der gravierende Verlust der Artenvielfalt nicht gestoppt werden.
2. Warum wurde das Kleingewässermonitoring durchgeführt?
Bei der Risikobewertung von Pestiziden entstehen erhebliche Unsicherheiten, weil langfristige und indirekte Auswirkungen auf Umweltgüter, Nicht-Ziel-Organismen sowie auf Populationen und Lebensgemeinschaften nicht ausreichend berücksichtigt werden. Das Zulassungsverfahren beachtet außerdem keine oder nur unzureichend landwirtschaftlich praktizierte Anwendungsverfahren, wie Wechsel- und Kombinationswirkungen von mehreren Pflanzenschutzmitteln, die gleichzeitig (Tankmischungen) oder nacheinander im Verlauf einer Saison (Spritzserien) in der Praxis angewendet werden. Obwohl vom Hersteller beantragte Tankmischungen geprüft werden, werden viele Tankmischungen, z. B. aufgrund von Erfahrungen des*der Praktiker*in oder der
Beratung, in der Praxis genutzt ohne im Rahmen der Zulassung geprüft worden zu sein. Dabei ist davon auszugehen, dass ein Stoffgemisch in der Regel eine höhere Toxizität
hervorruft als eine Exposition gegenüber den entsprechenden Konzentrationen der jeweiligen einzelnen Gemisch-Komponenten.
Aus diesen Gründen ist eine kritische Überprüfung des Verbleibs und der ökologischen Folgen von Pestiziden in der Umwelt erforderlich. Basierend auf der EU-Rahmenrichtlinie 2009/128/EG zur nachhaltigen Verwendung von Pestiziden hat die Bundesregierung 2013 außerdem einen Nationalen Aktionsplan Pflanzenschutz (NAP) verabschiedet, der ein Monitoring deutscher Kleingewässer fordert. Das Kleingewässermonitoring dient als Pilotstudie zur Umsetzung des NAP.
Im KGM wurden sowohl langfristige Mittelwerte von Pestizidkonzentrationen erfasst als auch kurzzeitige Belastungsspitzen nach Oberflächenablauf, um die damit einhergehenden ökologischen Effekte zu identifizieren. Während des hauptsächlichen Ausbringungszeitraums von Pflanzenschutzmitteln, von April bis Juni, wurden Proben gesammelt und analysiert. Komplementär dazu wurde die Zusammensetzung von wirbellosen Organismen in den Gewässern zu verschiedenen Jahreszeiten ermittelt.
3. Wozu fragt der NABU die Einsatzdaten von Pflanzenschutzmitteln ab?
Das in weltweit einmaligem Umfang durchgeführte Kleingewässermonitoring (KGM), das den Einfluss von Pflanzenschutzmitteln auf Fließgewässer von kleiner und mittlerer Größe untersuchte, hat gezeigt, dass die Kleingewässerbelastung mit Pestiziden viel höher ist als bisher angenommen. An über 100 Messstellen wurden bundesweit mehr als 1000 Gewässerproben entnommen. Die regulatorisch festgelegten Grenzwerte von Pestiziden, die in Pflanzenschutzmitteln verwendet werden, wurden in 81 Prozent der untersuchten Gewässer überschritten, teils sogar um mehr als das 100-fache.
Um diesen weltweit einmaligen „KGM-Datenschatz“ bestmöglich auswerten und die Gewässerbelastungen mit deren Ursache (Pestizideinsatz) verknüpfen zu können, muss der Pestizideinsatz in den Einzugsgebieten der Messstellen bekannt sein. In diesem Zusammenhang ergeben sich die Anträge des NABU, der bundesweit an allen KGM Messstellen die Abfrage der Pestizideinsatdaten beantragt hat.
4. In welchen Bundesländern hat der NABU Dateneinsicht beantragt?
Die Pestizideinsatzdaten wurden in Brandenburg, Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen abgefragt. In Berlin, Bremen, Hamburg und im Saarland wurden keine Daten abgefragt, weil dort keine Messstellen des Kleingewässermonitorings liegen.
5. Will der NABU die Einsatzdaten mit bestimmten Anwender*innen in Verbindung bringen?
In den Anträgen werden die Aufzeichnungen in anonymisierter Form abgefragt. Der NABU hat kein Interesse an personenbezogenen Informationen und kein Interesse an der Rückverfolgung zu bestimmten Landwirt*innen.
6. Welche Daten hat der NABU genau abgefragt?
Konkret werden die Aufzeichnungen nach § 11 Absatz 1 Pflanzenschutzgesetz (PflSchG) über die berufliche Verwendung von Pflanzenschutzmitteln auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen im Einzugsbereich der Kleingewässer-Messstellen in den Bundesländern angefordert. Es geht um die landwirtschaftlich genutzten Schläge die sich innerhalb eines Pufferbereiches befinden oder von diesem Pufferbereich berührt werden. Für diese Einzugsbereiche haben wir die Übermittlung der schlaggenauen Pflanzenschutzmittel-Anwendungsdaten angefordert, sofern es sich bei den Flächenbewirtschaftern um berufliche Anwender*innen im Sinne des PflSchG § 11 mit entsprechender Aufzeichnungspflicht handelt. Außerdem wurden Informationen zur Bezeichnung der verwendeten Pflanzenschutzmittel, die Zeitpunkte der jeweiligen Verwendung, die verwendeten Mengen, die Größe der behandelten Flächen und die Kulturpflanzen, für welche die jeweiligen Pflanzenschutzmittel verwendet wurden, abgefragt (Art. 67 Abs. 1 Satz 2 VO (EG) Nr. 1107/2009). In den Anträgen werden die Aufzeichnungen in anonymisierter Form abgefragt. Der NABU hat kein Interesse an personenbezogene Informationen und die Einsatzdaten werden nicht mit bestimmten Landwirt*innen in Verbindung gebracht.
7. Entstehen den Landwirt*innen Kosten?
Den Landwirt*innen entstehen durch die Datenabfrage keine Kosten. Ein erhöhter Aufwand durch die Anfrage entsteht insbesondere dann, wenn die Aufzeichnungen zusammengetragen werden müssen und die landwirtschaftlichen Betriebe saisonbedingt zudem ein hohes Arbeitsaufkommen haben (ca. April bis Oktober). Der Verwaltungsaufwand entsteht insbesondere in den Behörden, die die beantragten Daten zunächst bei den Landwirt*innen einholen müssen. Die Daten werden dem Pflanzenschutzdienst der Landwirtschaftskammern nicht automatisch übermittelt, sondern müssen nach dem Pflanzenschutzgesetz lediglich von den Landwirt*innen geführt und für den Fall einer Kontrolle bereit gehalten werden. Die Zuständigen in Behörden müssen deshalb zunächst die Bewirtschafter der betroffenen Schläge identifizieren und die Pflanzenschutzanwendungsaufzeichnungen von den entsprechenden Bewirtschaftern schriftlich anfordern bevor die Daten dann anonymisiert an den NABU weitergeleitet werden.
8. Worauf stützt der NABU diese Abfrage?
Grundlage für den Informationsanspruch sind je nach Bundesland die Transparenz oder die Umweltinformationsgesetze. Nach jahrelangem Pestizidstreit, hat der Verwaltungsgerichtshof
Mannheim im Juni 2021 in zweiter Instanz den Informationsanspruch von NABU Baden-Württemberg und Landeswasserversorgung auf Herausgabe der Pestizid-Einsatzdaten bestätigt. Es besteht somit ein klares Informationsrecht, das nicht nur in Baden-Württemberg sondern bundesweit gilt.
9. Können die Bundesländer die Herausgabe der Daten verweigern?
Die Landesregierungen könnten die Herausgabe der Daten ablehnen und einen daraus folgenden Rechtsstreit bis vor das Bundesverwaltungsgericht tragen. Nach den Gerichtsurteilen in Baden-Württemberg gilt dies aber als unwahrscheinlich, weil in vielen Ländern ähnliche Umweltinformationsgesetze wie in Baden-Württemberg oder Transparenzgesetze gelten.
Fast alle Bundesländer kamen den Anträgen des NABU Bundesverbands nach und übermittelten die angefragten Einsatzdaten (Stand Januar 2023). Niedersachsen verweigerte als einziges Bundesland die Datenerhebung, -sicherung sowie die -herausgabe. Dagegen hat der NABU geklagt. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg sowie das Verwaltungsgericht Oldenburg haben das Land Niedersachsen mittlerweile dazu verpflichtet, die vom NABU beantragten Daten zu erheben und zu sichern. Ein Rechtsverfahren auf Herausgabe der Daten ist vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg weiterhin anhängig.
10. Welche Rückmeldungen gibt es zur Datenanfrage aus den Bundesländern bisher?
Die Rückmeldungen aus den Bundesländern zu den eingereichten Datenanfragen sind überwiegend positiv einzuordnen. Die Behörden zeigten hohe Kooperationsbereitschaft und Engagement die Daten fristgerecht abzufragen obwohl damit ein erhöhter Arbeitsaufwand verbunden ist. Nachdem nicht in allen Bundesländern die gleiche Anzahl an Messstellen abgefragt wurde, unterscheidet sich der Bearbeitungsstand der Anfrage.
Niedersachsen verweigerte als einziges Bundesland die Datenerhebung, -sicherung sowie die -herausgabe. Dagegen hat der NABU geklagt. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg sowie das Verwaltungsgericht Oldenburg haben das Land Niedersachsen mittlerweile dazu verpflichtet, die vom NABU beantragten Daten zu erheben und zu sichern. Ein Rechtsverfahren auf Herausgabe der Daten ist vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg weiterhin anhängig. (Stand Januar 2023)
11. Was macht der NABU mit den Daten?
Die Daten aus den Bundesländern (mit Ausnahme von Niedersachsen) sind dem NABU mittlerweile übermittelt worden. Der NABU digitalisiert und wertet die Daten nicht selbst aus, sondern übermittelt diese an das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig (UFZ). Das UFZ nimmt die wissenschaftliche Auswertung der Pestizid-Einsatzdaten in Verbindung mit den Gewässer-Belastungsdaten des KGM vor. (Stand Januar 2023)
12. Wie werden die Daten ausgewertet?
Die Datenfülle wird die Untersuchung einer Vielzahl von Fragestellungen erlauben. Im Rahmen des KGM wird die Auswertung u. a. eine Validierung gängiger Modelle beinhalten, auf deren Grundlage Pestizide von den Bundesbehörden derzeit zugelassen werden. Es kann beispielsweise überprüft werden ob basierend auf dem tatsächlichen Pestizideinsatz, die theoretisch durch Computermodelle vorhergesagten Gewässerkonzentrationen mit denen in der Wirklichkeit übereistimmen. Laut den Ergebnissen des KGM zeigt sich immerhin, dass die Modelle der deutschen und der europäischen Zulassungsbehörden anscheinend auf falschen Annahmen beruhen, denn sonst würden die regulatorisch festgesetzten Grenzwerte unter Freilandbedingungen nicht überschritten werden.
13. Wann rechnet der NABU mit Ergebnissen der Auswertung?
Der NABU hat die Bearbeitungsfristen nach Rückmeldung der Bundeländer um mehrere Monate verlängert. Eine Auskunft darüber, wann die Ergebnisse der Auswertung vorliegen werden, ist allerdings zu diesem Zeitpunkt schwierig. Nach Dateneingang verzögert sich die Bearbeitung, weil der Dateneingang sowie der Arbeitsaufwand zur Digitalisierung sehr viel Zeit in Anspruch nehmen.
Die ersten Zwischenergebnisse werden voraussichtlich im Abschlussbericht von UFZ und UBA (Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung und Umweltbundesamt) des Kleingewässermonitoring-Projekts im April 2023 veröffentlicht.
14. Was will der NABU mit der Datenauswertung erreichen?
Die KGM Ergebnisse sind ein empirischer Beweis dafür, dass es Schwachstellen bei der aktuellen Risikobewertung von Pestiziden gibt. Der NABU unterstützt die Datenauswertung, weil diese im Zusammenhang mit den Ergebnissen des KGM u.a. Rückschlüsse auf das Zulassungsverfahren, Risikominderungsmaßnahmen wie beispielsweise Gewässerrandstreifen oder Grenzwerte für bereits zugelassene Pestizide erlauben. Die Einsatzdaten und deren Auswertung im Zusammenhang mit den KGM Ergebnissen erlauben die Modellvalidierung im Risikobewertungsverfahren und unterstützen den wissenschaftlichen Fortschritt zur Risikominimierung durch Pestizide.
15. Was fordert der NABU in Verbindung mit dem Kleingewässermonitoring?
Der NABU hat im März 2021 bereits eine ausführliche Position zur Minimierung des Pestizideinsatzes in Deutschland beschlossen. Im Zusammenhang mit den Ergebnissen des Kleingewässermonitorings sind hier insbesondere die folgenden NABU Forderungen zu nennen:
- Eine rechtliche Verpflichtung zur digitalen Erhebung, Auswertung und Veröffentlichung von Verkaufs- und Anwendungsdaten von Pestiziden in einer zentralen Datenbank;
- Eine grundlegende Reformierung des Zulassungsverfahrens von Pestiziden;
- Eine Verstetigung des KGM bzw. verbesserte Monitoringprogramme zur Schaffung einer besseren Datengrundlage der Umweltbelastung durch Pestizide.
16. Welche Infomaterialen stellt der NABU zum Thema Pestizide bereit?
Das NABU-Faltblatt „Pestizide im Überblick - Pflanzenschutzmittel und Biozidprodukte“ und die NABU-Broschüre „Pestizide - Eine Einführung. Pflanzenschutzmittel und Biozide“ informieren darüber, was Pestizide, Pflanzenschutzmittel und Biozidprodukte sind, wo sie eingesetzt werden und durch welche Mechanismen sie zu langfristigen ökologischen Schäden führen. Zudem geben sie einen Ausblick, was jede*r Einzelne bereits heute tun kann, um den Umgang mit Pestiziden verantwortungsvoller zu gestalten.
Diese Materialien können im Print Format im NABU-Shop unter Artikel-Nr. NB5543 und Artikel-Nr. NB5551 kostenfrei bestellt werden.
Die Pestizid-Position des NABU liefert weitere Hintergrundinformationen und erläutert die Forderungen des NABU zur Minimierung des Pestizideinsatzes in Deutschland.
Bundesweit sind berufliche Anwender*innen von Pflanzenschutzmitteln ohnehin verpflichtet, die Einsatzmengen, -art und den Umfang verwendeter Mittel sowie die behandelte Fläche und die Kulturpflanze zu dokumentieren. Die Voraussetzung für eine Überprüfung auf Einhaltung des Minimierungsgebots des Pflanzenschutzmitteleinsatzes unter Berücksichtigung der regionalen Bedingungen sowie des „Schädlingsdrucks“ sind also gegeben. Doch obwohl diese Daten von Anwender*innen erhoben und auf Anfrage zuständigen Behörden zur Verfügung gestellt werden müssen, gibt es keine Behörde, die diese Daten zentral sammelt oder auswertet. Außerdem wurden sie weder Wasserversorgern noch Umweltbehörden für Verträglichkeitsprüfungen zur Verfügung gestellt. Erst seit dem Urteilsspruch im baden-württembergischen Pestizidstreit ist klar, dass die Einsatzdaten von Pflanzenschutzmitteln offengelegt werden müssen.
Der NABU fordert daher von der neuen Bundesregierung eine bundeseinheitliche Regelung zur zentralen Erfassung, Auswertung und Offenlegung der Einsatzdaten und das Verfahren zur Risikobewertung zu überarbeiten. Nur wenn Transparenz beim Pestizideinsatz herrscht, kann die Umweltverträglichkeit geprüft, das Zulassungsverfahren angepasst und eine Datengrundlage geschaffen werden, auf deren Basis die notwendige Pestizidreduktion gemessen werden kann.
Pestizidreduktion auch auf EU-Ebene gefordert
Auf europäischer Ebene lief bis zum 30. September die Europäische Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten!“ (EBI). Mit dem überragenden Ergebnis von 1,2 Millionen Unterschriften sendet die europäische Bevölkerung einen klaren Appell an das EU-Parlament und die Kommission: Wir brauchen eine nachhaltigere Ausrichtung der Agrarpolitik, deutlich mehr Unterstützung für Landwirt*innen für nachhaltigeres Wirtschaften sowie eine deutliche Reduktion des Pestizideinsatzes in der Landwirtschaft. Knapp die Hälfte der Unterstützer*innen kommt aus Deutschland. Ein starkes Zeichen, denn auch hierzulande sinken die Verkaufszahlen an Pflanzenschutzmitteln seit Jahren nicht während die Insektenpopulationen immer weiter zurückgehen.
Pestizidabsatz in Deutschland seit Jahren auf hohem Niveau
Zudem legte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) am 30. September die neuen Absatzmengen der in Deutschland verkauften Pflanzenschutzmittel für das Jahr 2020 vor: 79.844 Tonnen. Davon entfallen 27.611 Tonnen auf die enthaltenen Wirkstoffe (Pestizide) und der Rest auf Zusatzstoffe wie Wirkungsverstärker. Das entspricht einer geringfügigen Abnahme von etwa 1.630 Tonnen verglichen mit der Vorjahreszahl von 81.473 Tonnen. Die Absatzmenge an reinem Wirkstoff (Pestiziden) hat im Vergleich zum Vorjahr allerdings um 115 Tonnen zugenommen und bestätigt, dass die Absatzzahlen weiterhin auf hohem Niveau stagnieren anstatt zurückzugehen.
Über den Pestizideinsatz und die Umweltauswirkungen haben die Absatzdaten allerdings keine Aussagekraft. Denn eine Verkaufszahl gibt weder Aufschluss darüber, wo das Mittel eingesetzt wird, noch, auf wie viel Fläche, in welcher Menge oder in welchen Kombinationen mit anderen Wirkstoffen. Diese Angaben sind aber notwendig, um beispielsweise das Umweltrisiko von Pflanzenschutzmitteln besser einschätzen oder die im Zulassungsverfahren gemachten Annahmen überprüfen zu können.
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