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Erreger aus der Wildnis
Die wachsende Weltbevölkerung schafft sich Platz auf Kosten der Natur. Das ebnet Krankheitserregern den Weg.
Gerät die Natur aus der Balance, steigt die Infektionsgefahr. Ein Beispiel ist das Nipah-Virus, das bei Menschen eine häufig tödlich endende Gehirnentzündung auslöst. Der Erreger wurde 1998 in Malaysia entdeckt, in einer Region, in der zuvor für Obstanbau und Schweinemast großflächig Wald abgeholzt worden war. So trafen fruchtfressende Flughunde auf Hausschweine, und Nipah entstand. Das Virus, das von Mensch zu Mensch übertragen werden kann, wütete unter Tieren, in den Schlachthöfen und in der Bevölkerung. Seitdem sind insgesamt zwölf regionale Ausbrüche in Singapur, Bangladesch und Indien belegt. Bislang gibt es keinen Impfstoff.
Gefällte Schlafbäume
Auch die Verbreitung des Ebola-Erregers in Zentral- und Westafrika ist eng verknüpft mit Naturzerstörung. Als Ursprung des Virus, an dem jede*r zweite Erkrankte stirbt, gelten Fledermäuse und Flughunde. Eine Studie aus dem Jahr 2017 zeigt, dass die Krankheit häufiger in Gebieten ausbrach, in denen kurz zuvor in großem Stil Wald gerodet worden war. Denn fällt man die Schlafbäume der Fledermäuse, zwingt man sie, sich Ersatz in menschlichen Siedlungen und Plantagen zu suchen.
Nipah und Ebola zählen zu den Zoonosen. So nennt man Infektionskrankheiten, deren Erreger von Tieren auf den Menschen überspringen und umgekehrt. Dazu zählen unter anderem Aids, Pest, Malaria, Vogelgrippe, Schweinegrippe, Corona und Borreliose. Zoonosen werden vor allem von Viren, Bakterien und Parasiten ausgelöst. Sie sind deswegen so gefährlich, weil das menschliche Immunsystem ungeübt in der Abwehr ist und sich die Erreger schnell an ihren neuen Wirt anpassen. Den Wirtstieren dagegen schaden die Mikroben meistens nicht im Geringsten. Häufig sind Schweine die Zwischenwirte. Der Aids-Erreger stammt von Affen. Auch Mäuse und Marder stehen immer wieder unter Verdacht. Einen besonders schlechten Ruf haben allerdings Fledermäuse.
Zu viele rote Gummibärchen
Doch diese Tiere dafür an den Pranger zu stellen, greift zu kurz. Denn es ist der Mensch selbst, der den Erregern per Lebensraumvernichtung den Weg zu sich ebnet. Prognosen zufolge wird die Weltbevölkerung von heute acht Milliarden Menschen bis 2100 auf elf Milliarden wachsen. Mehr Menschen brauchen jedoch mehr Platz für Siedlungen, Straßen und Ackerland. Der Mensch rückt den Erregern sozusagen immer dichter auf die Pelle.
Hinzu kommt ein rasantes Artensterben weltweit. In Regionen mit geringer Artenvielfalt haben Erreger leichteres Spiel, denn die Gefahr, dass sie auf Tiere stoßen, an die sie sich nicht anpassen können, ist kleiner. Je mehr gleichartige Tiere in einer Region leben, desto schneller breiten Erreger sich aus. „Das ist wie mit einer Tüte Gummibärchen“, erläutert der Tierarzt und Mikrobiologe Fabian Leendertz, Chef des Helmholtz-Instituts für One Health. „Je mehr rote drin sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass man ein rotes erwischt.“
Viren-Lebensraum Mensch
Springt ein Erreger auf den Menschen über, findet er sich in einem neuen Habitat wieder. Der menschliche Körper ist für ihn unbekanntes Territorium, an das er sich so gut als möglich anzupassen sucht. Er mutiert. Insbesondere Viren, die deutlich kleiner sind als Bakterien oder Parasiten, teilen und vermehren sich äußerst schnell. Dadurch entstehen Varianten des Ursprungsvirus mit teils neuen Eigenschaften. Schafft eine solche Mutante irgendwann den Sprung von Mensch zu Mensch, kommt es zu einem örtlich und zeitlich begrenzten Ausbruch unter der lokalen Bevölkerung.
Doch dabei bleibt es nicht. In einer Welt, deren Wirtschaft global vernetzt ist und wo Fernreisen, zumindest für die Wohlhabenden, zum Lebensstil gehören, schafft es ein solches Virus sehr bald, sich über alle Kontinente auszubreiten.
So weit hat es der Erreger der Vogelgrippe, einer auch als Geflügelpest bekannten Infektionskrankheit unter Wild- und Zuchtvögeln, glücklicherweise noch nicht gebracht. Die Gefahr, dass das Vogelgrippe-Virus H5N1 auf Menschen überspringt, stufen Expert*innen als äußerst gering ein. In Europa ist bislang nur ein einziger Fall in Großbritannien dokumentiert. Doch Viren verändern sich. 2021 sei H5N1 erstmals nicht im Herbst von Wildvögeln eingeschleppt worden, sondern habe den Sommer überdauert, berichtet der Tierarzt Timm Harder vom Friedrich-Loeffler-Institut. „Wir fürchten, dass das Virus nun nicht mehr wie bisher nur saisonal auftritt, sondern ganzjährig.“
Die Vogelgrippe weitet sich aus
Noch nie gab es in Deutschland derart viele Fälle von Vogelgrippe. Im Winter 2021/22 befiel der Erreger vor allem Grau- und Nonnengänse; aber auch Enten, Möwen und Raubvögel, die infizierte Vögel schlagen, sind unter den Opfern. Auch bei Füchsen, Ottern und Seehunden wurde das Virus schon vereinzelt nachgewiesen. In hiesigen Geflügelhöfen geht die Angst um, denn sobald nur ein einziges Tier erkrankt, wird der gesamte Bestand gekeult.
Die Vogelgrippe bei Wildvögeln zu bekämpfen sei unmöglich, sagt Harder: „Aber wir können verhindern, dass das Virus in Geflügelhöfe einbricht.“ Etwa mithilfe einer Stallpflicht für Puten und Hühner. In Asien wird Geflügel mittlerweile geimpft. Aber auch das habe den Erreger bislang nicht bremsen können, berichtet Harder „Das Virus ist uns immer eine Nasenlänge voraus.“
Hartmut Netz
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