Fisch als Spezialität
Gegen die Überfischung der Meere hilft auch Verzicht
In Deutschland werden pro Kopf/Person durchschnittlich rund 14 Kilogramm Fisch verzehrt. Doch der weltweite Fischhunger hat seinen Preis. Laut des letzten Fischereiberichts der Welternährungsorganisation (FAO) aus dem Jahr 2018 gelten etwa 33 Prozent der kommerziell genutzten Bestände als überfischt: Sie befinden sich außerhalb „sicherer biologischer Grenzen“, das heißt ihre Erholung wäre selbst bei einem sofortigen Fangstopp unsicher. Weitere 60 Prozent gelten als „maximal wirtschaftlich befischt“. Dass das nicht ewig gut geht, zeigt das Beispiel des Ostseeherings, auch er wurde jahrelang bis an die Grenzen befischt und mit der Meereserwärmung durch den Klimawandel gab es 2019 einen Bestandseinbruch. Die Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) der EU hat leider nicht zum gewünschten Ergebnis geführt: So gelten auch der Dorsch in der Ostsee sowie Kabeljau und Schellfisch in der Nordsee als überfischt.
Die Ursachen für den Zusammenbruch vieler Bestände lag in einer über Jahrzehnte fehlgeleiteten Fischereipolitik auch der Europäischen Union: Es gibt zu viele Fangschiffe, die Fangquoten sind zu hoch und es sterben viel zu viele Fische als ungenutzter Beifang. Zudem verursachen die heutigen Fangtechniken zu große Schäden an den marinen Ökosystemen.
Der NABU engagiert sich seit Jahren für eine naturverträgliche Neuausrichtung der Fischerei, sei es durch die politische Begleitung der GFP, aber auch in Zusammenarbeit mit Fischern. So forscht der NABU seit 2012 an alternativen Fanggeräten in der Ostsee, um insbesondere Stellnetze durch Fischfallen oder automatisierte Angelmaschinen zu ersetzen.
Wildfisch
Im Jahr 1997 gründete der Nahrungsmittelkonzern Unilever (ehemaliger Mutterkonzern von Iglo) gemeinsam dem WWF den Marine Stewardship Council (MSC). Inzwischen ist MSC unabhängig und zertifiziert Fischereiflotten, die ihren Fang mit bestandserhaltenden Maßnahmen und Beifang reduzierenden Methoden einholen. Das Label des MSC ist das aktuell verbreiteste und bekannteste Fisch-Siegeln und trotz Kritik eine wichtige Einkaufshilfe im Supermarkt.
Fischereibiologen und Umweltverbände kritisieren am MSC-Zertifizierungssystem, dass die Bewertungskriterien Fangmethoden, ungewollte Beifänge, Schutzgebiete und auch soziale Standards zu wenig berücksichtigen. Auch die Unabhängigkeit der Institute, die die Zertifizierung durchführen, wurde in der Vergangenheit in Frage gestellt. Der NABU hat sich daher aktiv gegen die Zertifizierung der Miesmuschelfischerei und der Krabbenfischerei im Nationalpark Wattenmeer eingesetzt und kritisiert unter anderem auch die Zertifizierung von Haifischereien. Der NABU fordert eine Überarbeitung der Umweltstandards sowie eine weitreichende Reform und Weiterentwicklung des MSC-Systems.
Eine gute Alternative sind Wildfisch und Meeresfrüchte von Naturland. Naturland Wildfisch ist ein ökologisch sehr ambitioniertes Zertifizierungssystem. Allerdings ist das Sortiment bedauernswerter Weise noch sehr klein. Die Kriterien wurden 2007 veröffentlicht und berücksichtigen die schonende Nutzung der Fischbestände, Verbot umweltschädigender Fangmethoden, einen achtsamen Umgang mit den Ökosystemen und Sozialstandards für Fischer und Fischerinnen. Dass kein System perfekt ist, zeigt sich aber auch hier: Leider wurden Fischereien mit Stellnetzen in Meeresschutzgebieten ohne zusätzliche Auflagen zertifiziert. Der NABU kritisiert, dass daher zum Beispiel, dass die Heringsfischerei im Gebiet um Rügen und im Greifswalder Bodden zertifiziert wurde. Hier besteht die Gefahr von Beifängen von Seevögeln und auch Schweinswalen.
Grundsätzlich zu empfehlen ist auch das Zertifizierungssystem der Organisation Friend of the Sea. Diese zertifiziert wild gefangenen Fisch und macht neben ökologischen auch soziale Vorgaben. Die ökologischen Richtlinien betreffen z.B. den Schutz überfischter Bestände und des marinen Lebensraums. Auch Vorgaben zu schonenden Fangmethoden sind hervorzuheben.
Friend of the Sea und Naturland zertifizieren auch gezüchteten Fisch aus Aquakulturen. Der MSC tut dies nicht, er hat allerdings seit 2010 einen „kleinen Bruder“ für diesen Produktbereich, den ASC.
Angesichts der überfischten Fischbestände in unseren Meeren werden gezüchtete Fische aus Aquakulturen immer wichtiger. Diese kämpfen jedoch auch mit ökologischen Problemen wie Degradierung wertvoller Naturräume, Fischflucht, nicht tiergemäßen Haltungssystemen und -dichten oder gentechnisch veränderten Futtermitteln. Daher gibt es verschiedene Zertifizierungssysteme, die Umweltauflagen und Auflagen zum Tierschutz machen.
Fisch und Meeresfrüchte aus Aquakulturen
Die Kriterien des Aquaculture Stewardship Council (ASC) sind ein Kompromiss zwischen Umweltverbänden und der Industrie, die den ASC gegründet haben. Umweltverbände wie der NABU sind der Meinung, dass die Standards aus ökologischer Perspektive verbessert werden müssten. Die wesentliche Kritik betrifft die Fütterung mit gentechnisch veränderter Soja und die schwachen Vorgaben für den Einsatz von Medikamenten.
Das Zertifizierungssystem von Friend of the Sea für gezüchtete Fische hat strengere ökologische Anforderungen als ASC, wenn es beispielsweise um den Schutz kritischer Habitate wie Mangroven und Feuchtgebiete geht. Es werden keine gentechnisch veränderten Organismen und Wachstumshormone eingesetzt und Treibhausgasemissionen müssen reduziert werden.
Unter den Fischprodukten aus Aquakulturen sind Bio-Aquakulturen am empfehlenswertesten. Seit 2010 existieren für Fisch und Meeresfrüchte EU-Bio-Standards und man findet Bio-Fisch und Bio-Meeresfrüchte mit dem obligatorischen EU-Bio-Logo. Die Regelungen sind grundsätzlich zu begrüßen, allerdings sind aus Umwelt- und Naturschutzsicht einige der Kriterien wie zum Beispiel zur Besatzdichte oder zum Chemikalieneinsatz nicht ausreichend streng geregelt. Am besten sind Produkte mit den Siegeln von demeter, Naturland oder Bioland, die hier strengere Kriterien haben als die Mindeststandards der EU vorgeben.
Grundsätzlich bedenklich ist die Züchtung von Raubfischen: Für ein Kilo Lachs werden bis zu zwei Kilo Fischmehl oder Fischöl aus Sardinen, Sardellen etc. verfüttert. Bei Thunfisch sogar mehrere Kilo Fischfutter pro Kilo Thun.
Praktische Links
Eine positive Entwicklung stellen regionale Vermarktungsstrukturen dar wie zum Beispiel die schleswig-holsteinische Initiative Fisch vom Kutter:
Wenig Fisch und Fisch aus gesunden Beständen: dabei helfen die Fischratgeber von Greenpeace, WWF und der Verbraucherzentrale Hamburg. Die Empfehlungen weichen aufgrund unterschiedlicher Bewertungskriterien voneinander ab. Hier muss jeder Fischfreund selbst entscheiden:Der WWF empfiehlt MSC derzeit noch als das umfassendste Wildfisch-Siegel am Markt. Bei den MSC-Zertifizierungen, die der WWF jedoch ablehnt, gibt es auf der Detailseite des jeweiligen Fischs einen Hinweis.
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