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Wie gut ist unser Leitungswasser?
Im Oberflächenwasser wie Flüssen und Seen, aber auch im Grundwasser finden sich mancherorts Stoffe, die dort nicht hingehören. Nitrat beispielsweise steckt in Mineraldüngern, in Gülle oder in Gärresten aus Biogasanlagen. Die wasserlösliche Verbindung ist für Pflanzen wichtig, in Gewässern kann sie das ökologische Gleichgewicht empfindlich stören. Vor allem in viehreichen Regionen gelangt Nitrat auch ins Grundwasser: Die Grenzwerte von 50 Milligramm pro Liter Wasser sind seit 2008 an rund 18 Prozent der Messstellen überschritten, so das Umweltbundesamt (UBA). Die EU hat Deutschland wegen zu hoher Nitratwerte im Grundwasser beim Europäischen Gerichtshof verklagt. Auch Stoffe aus Pflanzenschutzmitteln können – sofern sie wasserlöslich sind – in Gewässern und sogar im Grundwasser landen.
Arzneimittel gelangen meistens über menschliche Ausscheidungen in das Abwassersystem. Einige Stoffe werden in Kläranlagen nicht herausgefiltert und landen so in Flüssen und Seen. Manche davon sind für Fische und andere Wassertiere schädlich. Forscher zeigten beispielsweise, dass Östrogen aus der Antibabypille bei Fischen zu einer Verweiblichung führen kann.
Mengen gesundheitlich nicht bedenklich
Selbst im Grundwasser finden Chemiker an einigen Orten Medikamentenrückstände. Und die gehören dort definitiv nicht hin, kritisiert Engelbert Schramm. Beim Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) arbeitet er im Bereich Wasserinfrastruktur und Risikoanalysen. Panik hält der Wissenschaftler aber nicht für angebracht und erklärt: „Im Trinkwasser selbst landet davon relativ wenig, weil es mehrfach geschützt wird.“ Ingrid Chorus, Spezialistin für Trink- und Badebeckenwasserhygiene beim UBA, spricht von geringsten Konzentrationen: „Bei Arzneimittelstoffen lässt sich das vergleichen mit fünf Tabletten, die man im Bodensee auflöst.“ Diese Mengen seien gesundheitlich unbedenklich, selbst wenn man lebenslang zwei Liter Wasser pro Tag aus der Leitung trinkt, bestätigt auch Schramm.
Dank hochsensibler Messmethoden entdecken Chemiker heute kleinste Mengen von Fremdstoffen im Grundwasser. Sie wissen aber längst nicht immer, um was für Substanzen es sich dabei handelt. Daher könne man auch nicht mit Sicherheit sagen, wie diese sich auf den Menschen auswirkten, so Schramm: „Es kann sein, dass diese Stoffe ganz harmlos sind, aber man weiß es nicht.“ Es bleibt also eine Restunsicherheit, die Forscher nicht vollkommen ausräumen können. Denn zu den unbekannten Substanzen kommen noch mögliche Wechselwirkungen hinzu. „Es ist schlicht nicht vorstellbar, das alles wissenschaftlich zu erfassen“, sagt Chorus.
Experten raten von Wasserfiltern ab
Dass auch Experten nicht alles über die Stoffe im Wasser wissen, löst bei vielen Menschen ein ungutes Gefühl aus. Einige greifen daher zu Trinkwasserfiltern für den Hausgebrauch, die möglicherweise vorhandene Schadstoffe herausfiltern sollen. Experten raten von solchen Filtern allerdings ab. Stiftung Warentest fand 2015 heraus, dass diese zum Teil sogar Schadstoffe abgeben. Aktivkohlefilter könnten leicht verkeimen, kritisiert auch die Verbraucherzentrale. Ist der Filter voll beladen, könnten die angelagerten Stoffe konzentriert wieder ins Wasser gelangen.
„Mit einem Filter haben Sie unter Umständen Keime in einem vorher keimfreien Wasser“, gibt auch Schramm zu bedenken. Trotz einer kleinen Restunsicherheit hält er das Trinkwaser in Deutschland flächendeckend für unbedenklich. Mehr noch: Leitungswasser ist eines der am strengsten kontrollierten Lebensmittel und muss höheren Anforderungen genügen als beispielsweise Mineralwasser. Den Hahn aufzudrehen, statt Flaschen zu kaufen, schont zudem die Umwelt. Denn der Transport der Wasserflaschen kostet viel Energie.
Vorsorge ist nachhaltiger
Um die Nitratmengen im Grund- und Oberflächenwasser zu senken, gibt es seit Mitte 2017 eine neue Düngeverordnung. Chorus befürchtet allerdings, dass die Regelungen nicht gut genug greifen. Auch Christine Tölle-Nolting, NABU-Referentin für Agrarpolitik und ländliche Räume, sieht die Gefahr noch nicht gebannt: „Die Stickstoffüberschüsse liegen bisher deutlich über den Vorgaben der Düngeverordnung. Und selbst diese Vorgaben reichen wahrscheinlich nicht aus, um die Nitratgrenzwerte im Grundwasser flächendeckend einzuhalten.“ Mehr ökologische Landwirtschaft, die insgesamt sparsamer düngt, wäre ein sinnvoller Weg.
Vorsorge ist nachhaltiger als aufwändige Analyse und teure Aufbereitung, das gilt auch beim Thema Arzneimittel. Es sei wichtig, den Eintrag ins Wasser zu minimieren, sagt Schramm und ergänzt: „Wo das nicht möglich ist, müssen die Einträge so verändert werden, dass sie abbaubar sind.“ Hier ist auch die Pharmaindustrie gefragt. Schon bei der Entwicklung von Medikamenten könnte darauf geachtet werden, dass diese sich rasch abbauen und daher weniger Umweltprobleme verursachen. Für einige Medikamente gibt es bereits umweltfreundlichere Alternativen. Das UBA versucht daher, Ärzte und Apotheker zu informieren, welche Mittel im Wasser Probleme bereiten. Auch Verbraucher können einen Beitrag leisten, indem sie Medikamente bewusst verwenden und Arzneimittelreste auf keinen Fall über die Toilette entsorgen.
Ann-Kathrin Marr