Schmetterling, Käfer und Wildbiene haben eine unersetzliche Rolle in unserer Natur. Doch ihre Zahl geht immer mehr zurück. Helfen Sie mit einer Patenschaft, gegen das Insektensterben!
Jetzt informieren!Die Robin Hoods der Stadtnatur
Guerilla Gardening wird immer beliebter
Sie treffen sich im Geheimen zum Bomben basteln und platzieren diese anschließend, in der Deckung der Nacht, an strategischen Orten in der Stadt. Doch wenn die Sprengkörper explodieren, kommt mit Sicherheit niemand zu Schaden. Denn die handlichen Geschosse bestehen aus Ton, Erde und Blumensamen und verwandeln trostlose Seitenstreifen, kahle Verkehrsinseln und Brachflächen in kleine Oasen. Obwohl die sogenannten Guerilla-Gärtner mit ihren geheimen Begrünungsaktionen nichts Böses beabsichtigen, ist ihr Schaffen illegal. Denn für die Bepflanzung öffentlicher Flächen braucht man eine Genehmigung. Doch wohlmöglich ist es gerade der Reiz des Verbotenen, der dafür sorgt, dass „Guerilla Gardening“ auch in Deutschland immer populärer wird.
Von London um die ganze Welt
Die grünen Robin Hoods sind vor allem online vernetzt. Internet-Plattformen wie Twitter und Facebook nutzen sie, um sich auszutauschen, Pflanzaktionen zu planen und zu besprechen, wer gießen geht. Denn wie es sich für edelmütige Kämpfer gehört, übernehmen die Guerilleros auch nach dem nächtlichen Pflanzen die Verantwortung für die von ihnen gestalteten Flächen.
Gruenewelle.org ist ihre größte Plattform in Deutschland. Die Webseite ist an ein internationales Forum zum Thema Guerilla Gardening angeschlossen. Aus über 50 Ländern weltweit gibt es Beiträge von insgesamt deutlich mehr als 50.000 Mitgliedern. Dieses Informationsdrehkreuz der weltweiten Pflanzaktivisten ist Teil der Webseite von Richard Reynolds, dem wohl berühmtesten Guerilla-Gärtner. Er lebt in London und hat dort im Jahr 2000 das Guerilla Gardening als Protestform populär gemacht. Inzwischen hat er einige Bücher über das Thema geschrieben und hält weltweit Vorträge, wie man Pflanzaktionen plant und umsetzt.
Beim Guerilla Gardening kann und soll Jeder mitmachen. Auf Facebook, aber auch in anderen Online-Portalen riefen Fans/Mitglieder zum Beispiel dazu auf, beim „Sunflower Guerilla Day“ aktiv zu werden und am 1. Mai Sonnenblumen auszusäen. Immer wieder veranstalten die Gruppen auch offene Treffen, bei denen gemeinsam Samenbomben gebastelt und Tipps und Tricks ausgetauscht werden.
Gewusst wie und wo
Einige Ratschläge hält auch der NABU parat. „Es ist zum Beispiel wichtig, dass die Samen oder Sprösslinge von einheimischen Arten stammen“, betont Naturschutz-Experte Julian Heiermann. „Denn sonst sorgen sie zwar für ein herrliches Grün zwischen den Mauern, helfen aber Schmetterlingen und anderen Insekten nicht, die bei der Nahrungssuche auf ihnen bekannte Arten angewiesen sind.“ Doch es gibt noch einen weiteren Aspekt zu beachten: Die Pflanzen sollten nicht einfach beliebig platziert werden. „Manche Brachflächen in der Stadt sind wichtig für die Natur. Auch wenn sie nicht unbedingt schön aussehen, werden sie von vielen Tieren genutzt. Eidechsen nutzen die Sonnenseiten von Mauern zum Leben, einige Vogelarten brüten auf dem Boden und brauchen freie Flächen“, so der Biologe.
Wer im Geheimen gärtnert, muss frustresistent sein. Denn die meisten Pflanzen fallen dem Vandalismus zum Opfer, sie werden ausgerissen oder plattgetreten. Vielleicht ist das ein Grund, warum aus einigen Begrünungsaktivisten aus dem Untergrund mit der Zeit urbane Landwirte geworden sind. Anders als die kleinen Aktionen, die vor allem der Verschönerung dienen, werden in der urbanen Landwirtschaft gezielt Brachflächen in der Stadt genutzt, um dort Gemüse anzubauen. Das passiert des Öfteren sogar legal. So zum Beispiel in den Prinzessinnengärten am Moritzplatz in Berlin. Hier werden in ausgedienten Bäckerkisten auf einer 6000 Quadratmeter großen Brachfläche sämtliche Arten von Gemüse angepflanzt.
Vom Guerilla zum Gemüsegärtner
„Wir nutzen das Gelände so lange, bis hier etwas Neues entsteht. Daran stört sich niemand, denn die Kisten können unproblematisch wieder abgebaut werden. Aber wir sind keine Guerilleros. Wir zahlen Miete hier. Die Leute können herkommen und unser Gemüse ernten und wie am Erdbeerfeld auf dem Land wird das Gemüse abgewogen und per Kilo bezahlt“, erzählt Robert Shaw, Initiator des Gartenprojekts. Damit geht das Projekt weit über den Agrareffekt hinaus, es geht auch um das soziale Miteinander. Inzwischen gibt es in den Prinzessinnengärten ein kleines Café sowie einmal im Monat einen Flohmarkt. Auch ein Spielplatz ist geplant. Das Projekt wurde bereits mit vielen Preisen ausgezeichnet und expandiert in andere Städte, wie Hamburg zum Beispiel.
Urbanes Gärtnern liegt im Trend. Ob heimlich oder mit Erlaubnis des Grünflächenamtes: Es gibt in jeder Stadt Flächen, derer es sich anzunehmen lohnt. Oft übersehen, weil auf ihnen schon etwas wächst, sind zum Beispiel Baumscheiben, die kleinen Flächen rund um Straßenbäume. Sie sind oft vermüllt, zugeparkt oder von Hundekot gepflastert. So haben die meisten Bäume in der Stadt schlechte Wachstumsbedingungen und leiden unter der nährstoffarmen Erde. Die Baumscheiben frei zu räumen und sich der Gesundheit unserer Bäume anzunehmen, kann eine erfüllende Aufgabe sein. Und der nächste Baum ist sicher nicht weit. Also: Worauf warten Sie noch?
Julja Koch
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