Distelfalter - Foto: NABU/Antje Schultner
Auf der Kippe
Warum Insekten gefährdet sind – und mit ihnen das ganze Ökosystem
Insekten sind faszinierende Tiere: sie schillern in unterschiedlichsten Farben, nehmen die skurrilsten Formen an und sind in fast allen Lebensräumen der Erde zu finden. Sie zählen zur artenreichsten Klasse unter den Tieren, angeführt von den Ordnungen der Käfer, Schmetterlinge, Zweiflügler und Hautflügler.
Unverzichtbare Lebenskünstler
So vielfältig wie die Welt der Insekten ist, so wenig können wir auf sie verzichten. Das Funktionieren fast aller Ökosysteme hängt von ihnen ab. Damit sind sie für Mensch und Natur unersetzliche Lebewesen:
- Nahrung: Insekten bilden die Nahrungsgrundlage für eine Vielzahl weiterer Tierklassen wie Vögel, Säugetiere, Amphibien oder Reptilien.
- Bestäubung: Insekten zählen zu den wichtigsten Pflanzenbestäubern. Durch das Sammeln von Nektar und Pollen von sorgen sie für den Fortbestand der Pflanzenwelt und stellen einen Großteil unserer Ernährung sicher.
- Verwertung: Insekten spielen eine wichtige Rolle bei der Remineralisierung organischer Stoffe wie Pflanzenresten und Tierleichen im Boden, in der Bodenstreu oder im Totholz.
- Regulation: Insekten sind wichtige Nützlinge in der Forst- und Landwirtschaft. Im Bio-Anbau, wo auf Pestizide weitestgehend verzichtet wird, ist die Förderung von Nützlingen gar ein elementarer Bestandteil der Produktion, da durch sie die Ausbreitung schädlicher Insekten eingedämmt wird.
Mehr zur leistung von Insekten finden Sie hier:
Dramatischer Insektenrückgang
Doch Insekten sind weltweit in einem alarmierenden Zustand. Die Bestände gehen zurück, die Vielfalt schwindet, Arten sterben aus. Die Familien der Edelfalter, Wildbienen und Feldheuschecken sind ebenso betroffen wie die Familien der Schlanklibellen, Schwebfliegen oder Laufkäfer – um nur ein paar zu nennen.
In Deutschland sind – einer Auswertung aktueller Roter Listen zufolge – bereits über 41 Prozent der Schmetterlinge ausgestorben oder bestandsgefährdet. Allein in der Region rund um Trier sind die Artenzahlen bei Schmetterlingen in den letzten 40 Jahren dramatisch zurückgegangen. Bei Wildbienen sind heute deutschlandweit mehr als die Hälfte der 561 Arten in ihrem Bestand bedroht, mit steigender Tendenz. Nach Untersuchungen in Nordrhein-Westfalen hat sich die Biomasse der Fluginsekten seit 1989 mancherorts um bis zu 80 Prozent reduziert. Nicht nur die Zahl der Arten, sondern auch die der Individuen befindet sich in einem dramatischen Sinkflug. In anderen Ländern Europas sieht die Situation nicht besser aus.
Gründe für das Insektensterben
Für den massiven Rückgang sind eine Reihe an Umständen verantwortlich – je nach Lebensraum, Insektenart und Zeitverlauf treffen sie unterschiedlich stark zu. Generelle Aussagen sind daher nicht möglich. Dennoch gelten folgende Ursachen als die häufigsten:
1. Der Einsatz von Pestiziden
Insbesondere der Einsatz von hochwirksamen Insektiziden wie Neonicotinoiden (der weltweit am häufigsten verwendeten Insektizidklasse) wirkt nicht nur gegen landwirtschaftliche Schädlinge, sondern auch auf sogenannte „Nichtziel-Organismen“ wie Wild- und Honigbienen. Die Auswirkungen können entweder sofort eintreten und zum Tod der Insekten führen oder sich erst im Lauf der Zeit bemerkbar machen, beispielsweise über Orientierungslosigkeit, Vernachlässigung der Brut oder Verminderung der Fitness – was letztlich auch den Tod zur Folge hat. Hinzu kommt eine flächendeckende und oftmals rein prophylaktische Verwendung von Neonicotinoiden, eine zum Teil jahrelange Halbwertzeit im Boden und die Entstehung noch schädlicherer Metaboliten (Abbauprodukte). Anzunehmen ist, dass sich die Gifte auf alle Lebensräume, auch auf Gewässer, auswirken. Darüber hinaus gehen durch den Einsatz von Herbiziden Ackerwildkräuter verloren. Dadurch schrumpfen Nistmöglichkeiten und Nahrungsquellen.
Ein gravierendes Beispiel ist das Totalherbizid Glyphosat: Weltweit ist es das am häufigsten angewendete Herbizid, in Deutschland werden 40 Prozent der Fläche mit diesem Ackergift behandelt.
2. Der Bau von Straßen, Siedlungen, Industrie- und Gewerbegebieten
Verstärkter Infrastrukturausbau zerstört natürliche Lebensräume und schneidet sie voneinander ab. Auch dadurch gehen Nistmöglichkeiten und Nahrungsquellen verloren. Gleiche Auswirkungen haben auch die Entwässerung von Feuchtgebieten, der Verlust von artenreichem Grünland (z.B. durch Umbruch) sowie nicht-naturschutzgerechte Mahd. Dadurch vergrößern sich die Distanzen zu geeigneten Lebensräumen, die zunehmend außerhalb der Aktionsradien der Insekten sind. Daneben spielt auch die Aufgabe ehemals extensiv genutzter, ertragsarmer - aber dafür artenreicher - Flächen wie Bergwiesen eine Rolle.
3. Nährstoffanreicherung der Pflanzenwelt durch diffuse Stickstoff- und Phosphateinträge
Diese Stoffe gelangen aus dem Straßenverkehr oder der landwirtschaftlichen Düngung in die Landschaft und haben zur Folge, dass sich die Zusammensetzung der Pflanzenwelt verändert. Nährstoffarme artenreiche Wiesen, die einer Vielzahl an spezialisierten Insektenarten Lebensraum bieten, werden zerstört. Sie verändern sich in zunehmend nährstoffreiche Wiesen mit einem weitaus geringeren Angebot an Blütenpflanzen, die nur für Allerweltsarten geeignet sind.
4. Einflüsse durch Klimaveränderungen
Geeignete Lebensräume können auch durch Veränderungen des Klimas verschoben werden. Temperaturanstiege führen beispielsweise dazu, dass Arten in Richtung Norden und in höhere Bergregionen wandern.
Auch wenn es für das Insektensterben mehrere Gründe gibt, steht eines fest: Die in den 1950er Jahren eingeführte und stetig intensivierte industrielle Landwirtschaft ist einer der Haupttreiber dieser beunruhigenden Entwicklung.
Wie können wir die Insekten retten?
Der NABU fordert angesichts des alarmierenden Zustands der Insekten, bundesweit möglichst schnell ein dauerhaftes und flächendeckendes Insektenmonitoring aufzubauen. Dadurch könnten gefährdete Populationen zukünftig besser lokalisiert werden, um rechtzeitig Gegenmaßnahmen einzuleiten.
Zudem sind eine Reform des Pestizid-Zulassungsverfahrens und eine stärkere Beachtung des Vorsorgeprinzips auf EU-Ebene, also Umweltschäden von vornherein zu vermeiden und zu verringern, längst überfällig. Zukünftig sollten zum Beispiel die negativen Effekte von Pestiziden, die durch unsachgemäße Anwendung auftreten können, berücksichtigt werden. Darüber hinaus müssen der Schutz landwirtschaftlicher Begleitflora und -fauna und ihre Effekte auf Insekten, Vögel und Säugetiere viel stärker berücksichtigt werden. Die Bundesregierung benötigt ambitionierte, verbindlich festgesetzte Ziele zur Pestizidreduktion mit konkretem Zeitplan. Auch sollte die Erforschung zur Wirkung alternativer Pflanzenschutzmaßnahmen im Rahmen integrierter Pflanzenschutzmethoden finanziell viel stärker gefördert werden.
Eine weitere entscheidende Rolle spielt die Ausrichtung der EU-Agrarpolitik. Öffentliche Gelder sollten Landwirte nur dann bekommen, wenn sie dafür auch öffentliche Leistungen erbringen. Konkrete ökologische Leistungen der Landwirtschaft sollten ausreichend honoriert und zugleich umweltschädliche Anreize und Subventionen beendet werden. Ebenso wichtig ist es, den ökologischen Landbau weiter auszubauen, da auf diesen Flächen viel weniger Pestizide eingesetzt werden dürfen. Desweiteren sollte der Einsatz von Pestiziden in und um Schutzgebiete grundsätzlich untersagt werden.
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