Blick auf die nahe Verwandtschaft des Birnengitterrosts: Weißdorn-Gitterrost (Gymnosporangium clavariiforme) an Weißdornblatt - Foto: Helge May
Wie gefährlich ist der Birnengitterrost?
Informationen zu Lebensweise und Bekämpfung
60 Birnbäume hat Norbert Gries aus Viersen seit 1980 gefällt – bei jedem einzelnen blutete ihm das Herz. Denn die Bäume waren längst tot, als er die Säge ansetzte. Sie alle fielen, so ist er sich sicher, einem Pilz zum Opfer, der von der Literatur häufig als ungefährlich eingestuft wird: dem Birnengitterrost. Norbert Gries ist überzeugt, dass das untertrieben ist. „Hier am Niederrhein ist es eine mittlere Katastrophe“, sagt er und kann die Verharmlosung des Pilzes nicht verstehen. „Zwischen Mönchengladbach, Düsseldorf und Aachen steht kaum ein einziger Birnbaum mehr.“
300 Kilometer weiter südlich, in Heidelberg, schätzt Andreas Kollar, Mykologie im Obstanbau beim Julius-Kühn-Institut, die Wirkung des Birnengitterrostes als weitaus weniger gefährlich ein. Er selbst hat einen Birnbaum im Garten stehen, der vom Gitterrost befallen ist. Doch sterben wird dieser deshalb nicht, da ist sich Kollar sicher. „Es ist fachlich falsch“, so der Mykologe, „dass der Birnengitterrost einen erwachsenen, gut gepflegten Birnbaum töten kann.“ Er könne einen Baum durchaus schwächen, eventuell auch die Ernte verringern. Aber ein Fall wie der aus Viersen ist ihm nicht bekannt. Vielmehr vermutet er, dass weitere ungünstige Faktoren das Birnensterben begünstigten: eine Infektion etwa, Wühlmäuse oder eine allgemein schlechte Pflege des Baumes. „Wenn ein Birnbaum stirbt, ist es häufig die leichteste Erklärung, den Birnengitterrost dahinter zu vermuten. Denn den sieht man eben gut“, so Kollar.
Norbert Gries aus Viersen ist nicht der einzige, der „tödliche Erfahrungen“ mit dem Birnengitterrost gemacht hat. Auch Obstbaumexperte Hans-Joachim Bannier aus Bielefeld hat in den Jahren 1996 bis 2000 eine Gitterrost-Epidemie großen Ausmaßes beobachtet:
„Die Blätter aller Birnbäume im Stadtgebiet waren mehr orange als grün, die Bäume warfen im Juni ihre Früchte ab – weil sie nicht mehr genug Assimilate hatten – und im Juli dann ihre Blätter - mit der Folge, dass die Wurzel nicht mehr genügend mit Assimilaten versorgt wurde. Weil dies mehrere Jahre hintereinander so ablief, sind die Bäume nach und nach schließlich eingegangen. Davon waren auch Sorten und Bäume betroffen, die als sehr robust gelten können wie etwa die Westfälische Glockenbirne – hier habe ich einen 150 Jahre alten Baumriesen im Stadtgebiet absterben sehen, ausschließlich an Gitterrost. Es sind in der Zeit hunderte von toten Birnbäumen im Stadtgebiet gefällt worden. Bei denjenigen Birnbäumen, die diese Extremjahre überlebt haben, sieht man noch heute die Trockenschäden in den Baumkronen. Das Aufziehen von jungen Birnbäumen – egal welcher Sorte und mit welcher Kompostdüngung oder Wasserversorgung auch immer – hatte in jenen Jahren bei uns gar keinen Zweck.
In der DDR gab es bis zur Wende 1989 den Birnengitterrost nur in einem problemlos tolerierbaren Ausmaß. Seit jedoch auch dort die Leute ihre Nutzgärten gerodet und durch Ziergärten ersetzen, nicht selten mit dem importierten Zierwacholder, ist der Gitterrost auch dort zum großen Problem der Birnbäume geworden. Natürlich ist nicht auszuschließen, dass Phänomene wie Klimawandel, verstärkte Ozonwerte oder auch die nur noch geringe Pflege der Birnbäume durch den Menschen die Probleme noch zusätzlich verstärken. Aber was hilft das einem Streuobst-Liebhaber, der die Birnbäume reihenweise absterben sieht?“
Tatsächlich ist der Birnengitterrost eine ziemlich auffällige Erscheinung. Trägt die Baumkrone im Sommer statt einem satten Grün eher ein farbenfroh leuchtendes Rot, kann dies ein Hinweis auf einen Befall mit dem Birnengitterrost sein. Kein schöner Anblick, findet auch Kollar, aber gegen diesen Pilz sei man eben, zumindest am Birnbaum selbst, machtlos. Wirkliche Sorgen müsse man sich erst dann machen, wenn pro Blatt mehr als zwei oder drei Flecken zu sehen sind.
Dennoch, egal wie gefährlich der Pilz nun wirklich ist, und ob es sich lediglich um inselartige Epidemien, wie in Viersen, handelt – der Pilz schwächt die Birnbäume erheblich. Daher heißt es, den Befall frühzeitig zu erkennen und seine Ursachen zu bekämpfen.
Der Erreger des Birnengitterrostes, wissenschaftlich Gymnosporangium sabinae, gehört zu den sogenannten wirtswechselnden Rostpilzen. Für seinen Entwicklungszyklus benötigt er zwei Wirte: die Birne und den Wacholder. Gymnosporangium sabinae lebt dabei vorrangig auf aus Asien stammenden Wacholderarten wie Juniperus sabina, auch als Sadebaum bekannt, und Juniperus media. Die Empfänglichkeit für den Gitterrost schwankt dabei außerdem von Zuchtsorte zu Zuchtsorte. Der heimische, aus den Wacholderheiden bekannte Gemeine Wacholder (Juniperus communis) dagegen wird vom Birnengitterrost nicht befallen.
Die genannten Zierwacholderarten sind nicht nur pflegeleicht, sondern auch preisgünstig und werden daher häufig in Gärten und öffentlichen Grünanlagen gepflanzt. Ist ein Wacholder infiziert, kann man ab Mitte April die ersten Anzeichen erkennen. Dann verdicken sich seine Äste an den befallenen Stellen warzenartig und tragen zunächst braune, später gelbe, im feuchten Zustand gallertartige Sporenlager, die bis zu zwei Zentimeter groß werden. Ganze Zweigpartien können mit ihnen übersät sein und sich so beinahe vollständig orange färben.
Im Frühjahr trägt der Wind die Sporen des Pilzes weiter – bis zu 500 Meter können sie fliegen, unter Umständen sogar noch weiter. Landen sie auf einem benachbarten Birnbaum, zeigt dieser ab der Blütezeit erste Befallssymptome. So bilden sich zunächst kleine, gelbe bis orangerote Flecken auf der Blattoberseite, die sich den Sommer über vergrößern, sodass ein Birnbaum am Ende häufig mehr rot als grün leuchtet.
Im Spätsommer wird an der Unterseite des Blattes das zweite Stadium des Befalls sichtbar. Dann bilden sich dort warzenförmige Wucherungen mit den Sporenlagern. Werden sie zu Anfang noch von einer Haut umschlossen, reißt diese mit der Zeit auf zu einem Gittergeflecht – daher auch der Name „Birnengitterrost“. In seltenen Fällen sind diese auch auf den Trieben, Blattstielen oder den Früchten zu finden sein. Sie geben jene Sporen frei, die wiederum den Wacholder infizieren und dort als Pilzgeflecht überleben.
Was aber hilft gegen diesen schädlichen Pilz? Sämtliche Bemühungen, ihn an direkt an der Birne zu behandeln, sind nahezu nutz- und aussichtslos, erklärt der Mykologe Andreas Kollar. Auch dem NABU-Bundesfachausschuss Streuobst ist zurzeit kein probates Gegenmittel bekannt. Er empfiehlt daher höchstens, dem Baum ein Stärkungsmittel zu verabreichen. Zwar ist grundsätzlich eine Behandlung mit Mitteln gegen den Birnenschorf möglich, aber der Aufwand rechtfertigt kaum den zu erwartenden Schaden, so Kollar. Denn nach dem Blattabwurf im Herbst sei die Birne ohnehin wieder vom rostigen Pilz befreit.
„Wichtiger ist es deshalb, die Infektionskette zu unterbrechen“, erklärt Helene Helm vom NABU-Bundesfachausschuss Streuobst. Dazu dürften langfristig betrachtet keine anfälligen Wacholderbüsche mehr in der Nähe der Bäume gepflanzt werden – und die schon gesetzten entfernen werden. Bei einem Flugradius der Sporen von 500 Meter ist das allerdings gar nicht so einfach. Da heißt es nicht nur im eigenen Garten auf die Suche zu gehen, sondern auch in der Nachbarschaft, in naheliegenden Parks und auf Grünflächen.
„Wir haben beispielsweise mit der Stadt Viersen gesprochen“, sagt Norbert Gries „die anschließend die Wacholdersträucher auf dem Friedhof wieder entfernt hat.“ Solche Kooperationen mit Nachbarschaft und Gemeinden hält auch Andreas Kollar für den sinnvollsten Weg der Bekämpfung. „Die beste Vorbeugung ist, den anfälligen Wacholder zu entfernen. Hier wird es wichtig sein, auf verschiedene Stellen einzuwirken.“
Aufklärungsarbeit ist demnach das A und O, um den Birnengitterrost langfristig aus Gärten und Obstwiesen zu entfernen. Hobbygärtner, Landschaftsplaner, Architekten und Kommunen müssen dabei gleichermaßen überzeugt werden, in ihren künftigen Planungen auf die entsprechenden Wacholderarten zu verzichten. Kein einfaches Unterfangen, wie der Bund der deutschen Baumschulen vermutet. In seinen Einrichtungen vertreibt er nicht nur Birnbäume, sondern auch jene Wirtswacholder, die den Gitterrost beheimaten.
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Fernere Verwandtschaft: Kronenrost (Puccinia coronata) an Faulbaum als Zwischenwirt. Hauptwirt sind hier verschiedene Wiesengräser, aber auch zum Beispiel Hafer. - Foto: Helge May
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Brennnesselrost (Puccinia urticata) an Großer Brennnessel - Foto: Helge May
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Rosenrost der Gattung Phragmidium an Heckenrosenblatt - Foto: Helge May
„In den Planungen vieler Architekten wird auf solche Zusammenhänge kaum Rücksicht genommen“, erklärt Helmuth Schwarz vom Bund deutscher Baumschulen. Doch er versucht mit seinem Verband zu sensibilisieren und auf die Gefahren im Verhältnis von Birne und Wacholder aufmerksam zu machen. „Wir bemühen uns das Potenzial der Wirtspflanzen so minimal wie möglich zu halten“, erklärt er „Doch auf den Wacholder insgesamt zu verzichten, dem können wir nur schwerlich zustimmen.“
Während hierzulande also vorrangig auf Aufklärung und Einsicht gesetzt wird, geht die Schweiz einen Schritt weiter. In der Bekämpfung des Birnengitterrostes sind einige Kantone dazu übergegangen, den Wacholder als Wirt systematisch zu entfernen. Dabei setzt die Verwaltung auf die Mithilfe der Bürger. Im Herbst ruft sie dazu auf, befallene Birnbäume zu melden. Fällt der Befall besonders stark aus, wendet sich die Verwaltung an die Besitzer der Büsche, informiert über die Wirtsfunktion des Wacholders und fordert sie auf, die entsprechenden Sträucher zu entfernen.
Ein solch gezieltes Vorgehen erwartet Helene Helm hierzulande nicht. Dennoch würde sie sich freuen, wenn künftig mehr Menschen über die Gefahren des Wacholders aufgeklärt wären – um so die knorrigen Birnbäume zu schützen und die Artenvielfalt der Birne zu erhalten.
Iris Barthel
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