Schmetterling, Käfer und Wildbiene haben eine unersetzliche Rolle in unserer Natur. Doch ihre Zahl geht immer mehr zurück. Helfen Sie mit einer Patenschaft, gegen das Insektensterben!
Jetzt informieren!Sortenvielfalt im Gemüsebeet
Die Renaissance der alten Nutzpflanzen
„Die Kartoffelkäfer wissen halt, was gut ist!“, sagt Sebastian Niedermaier, Bioland-Gärtner im fränkischen Bamberg. Die Schädlinge gehen meist auf seine Bamberger Hörnchen (fränkisch: „Hörnla“) los und verschmähen andere Kartoffelsorten. Die kleine, knubbelige und leicht nussig schmeckende Spezialität wehrt sich auszusterben: 2008 wurde sie „Kartoffel des Jahres“ und erlebte in der Folge einen Aufschwung. „Bamberger Hörnla im Kartoffelsalat – es gibt nix besseres“, schwärmt Niedermaier.
Der 27-Jährige führt die Gärtnerei seiner Eltern mittlerweile in der elften Generation – mitten in der Stadt, versteckt hinter niedrigen Reihenhäuschen, nur zugänglich durch eine enge Toreinfahrt. In der traditionellen Bamberger Gärtnerstadt hat Niedermaier einen Teil seiner Anbaufläche. Niedermaier baut mittlerweile acht alte heimische Sorten an – darunter den seltenen Bamberger Knoblauch. Dieser war fast ausgestorben, Niedermaiers Vater rettete ihn: Ein alter Gärtner in der Nachbarschaft hatte den Knoblauch noch auf seinem Feld. Aber Bamberger Gärtner haben ihren eigenen Kopf und der 90-Jährige wollte Niedermaier nicht sein Lebenswerk überlassen: „Den kriegst du net!“ Als der alte Gärtner das Zeitliche gesegnet hatte, ging Niedermaier senior zu dessen Sohn. Der hatte kein Interesse an der Gärtnerei und ließ Niedermaier die alten Knollen aus dem Feld holen.
Sortenvielfalt erhalten
So wie dem Bamberger Knoblauch erging es vielen Gemüsesorten, etwa den Alblinsen, Bestandteil des schwäbischen Nationalgerichts: In der Heimat waren sie schon ausgestorben, bis sich ein Bio-Landwirt auf die Suche machte. Er fand Samen in einer Saatgutbank in St. Petersburg und baute die Alblinse wieder in der Heimat an. 1800 Nutzpflanzen stehen mittlerweile auf der Roten Liste der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung und gelten damit als bedroht.
Noch Ende des 19. Jahrhunderts gab es die größte Vielfalt. Doch die Einführung der Saatgutgesetzgebung machte es zur Pflicht, dass Sorten registriert werden. Zu teuer und zu umständlich für viele Bauern und Gärtner, die vorher das Saatgut einfach untereinander getauscht hatten. Mit der Industrialisierung der Landwirtschaft wurde es lukrativ, große Anbauflächen mit großen Maschinen zu beackern. „Wenn man auf großen Flächen für die Discounter anbaut und zu einem bestimmten Termin gewisse Mengen liefern muss, geht das nur mit bestimmten Sorten“, sagt Cornelia Lehmann, Biologin an der Humboldt-Universität.
Es ist ja praktisch: Modern gezüchtetes Gemüse wächst gleich schnell, jeder Kohlkopf und jede Tomate werden gleich groß und kann daher wunderbar transportiert werden. Und wenn dann auch noch Resistenzen gegen Schädlinge in die Pflanzen hineingezüchtet werden, liegt es nahe, dass dies für die Massenproduktion der beste Weg ist. Doch warum sollte man noch an alten Sorten festhalten? „Sie sichern die genetische Vielfalt und enthalten Variabilität, die für künftige Nutzungen wichtig sind“, sagt Lehmann. Diversität ist nützlich, wenn man stabile oder gut angepasste Sorten sucht – etwa bei Klimaveränderung. Und anstatt Resistenzen einzukreuzen oder massenweise Pestizide zu versprühen, ist eine Vielfalt im Anbau ein natürlicher Schutz. „Je vielfältiger der Anbau, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit dass Schädlinge große Schäden anrichten können“, sagt die Biologin. Viele der alten Nutzpflanzen wurden über hunderte und tausende Jahre hinweg gezüchtet und gepflegt – sie sind ein wichtiger Bestandteil der menschlichen Kulturgeschichte. Sie stehen für traditionelle Gerichte und für Heimat. Außerdem schmecken sie besser und eignen sich gut für den eigenen Garten.
Bestandteil der Kulturgeschichte
Doch der Anbau kann mühsam sein. „Generell erntet man weniger und Krankheiten wie die Rettich-Schwärze kommen schneller“, sagt Sebastian Niedermaier. Überhaupt ist der Bamberger Rettich wählerisch, was den Standort angeht: Nürnberger Gärtner wollten ihn anbauen, 50 Kilometer von Bamberg entfernt. „Der ist aber nix gescheites geworden“, erzählt Niedermaier. Seine alte Sorten wie Bamberger Knoblauch, Bamberger Spitzwirsing oder Süßholz sind samenfest. Niedermaier kann also den Samen selbst ziehen, rund ein Viertel seiner insgesamt 60 Gemüsesorten sind samenfest, die übrigen sind sogenannte Hybrid-Sorten. Das sind Kreuzungen und sie wachsen in der ersten Generation gut. Diese kann der Gärtner aber nicht zur Zucht weiter verwenden, er muss erneut Saatgut kaufen. Und das gibt es überwiegend bei einer Handvoll Konzerne, die den Weltmarkt beherrschen. „Mit den samenfesten Sorten ist man unabhängiger von den großen Firmen“, sagt Sebastian Niedermaier.
Er ist in seinem Berufsleben schon viel herum gekommen: Sebastian Niedermaier hat in Hamburg gearbeitet, in der Schweiz, auf Teneriffa und auf der Walfänger-Insel Nantucket Island. Warum er nun alte, regionale Sorten kultiviert? „Wir haben hier keine großen Anbauflächen mehr; da kann ich nicht konkurrieren, was Effektivität angeht“, sagt er. Der Bioland-Bauer verkauft in seinem Hofladen das, was er anbaut. Dabei profitiert er davon, dass mehr Menschen wieder besser essen wollen. So erleben mittlerweile einige der alten Sorten eine zarte Renaissance: Das Bamberger Hörnla hat einen eigenen Förderverein und in Berlin etwa ist die Teltower Rübe angesagt. Das haben mittlerweile auch große Saatgutfirmen erkannt und bieten ausgefallenere Sorten an – allerdings als Hybride.
Christian Hellermann
Verwandte Themen
Es gibt heutzutage ein reichhaltiges und zuverlässiges Angebot ökologisch oder regional erzeugter Sämereien und Pflanzen sowie seltener alter Sorten. Im Gartenmarkt um die Ecke wird man aber meist vergeblich danach suchen. Hier deshalb eine Auswahl von Produzenten und Versendern. Mehr →
Was macht eigentlich gutes Saatgut aus? Worauf ist beim Kauf zu achten? Wir haben ein paar Tipps für Sie zusammengestellt. Mehr →
Man braucht einen Bauernhof, mehrere Mitstreiter, die ihn finanzieren und diese erhalten im Gegenzug Obst, Gemüse und andere Lebensmittel - nachhaltig und regional erzeugt. Die Idee nennt sich Solidarische Landwirtschaft. Mehr →
Lange Zeit galt Gemüseanbau für den Eigenbedarf Hobbygärtnern und Landbewohnern mit eigenem Garten vorbehalten. Doch damit ist jetzt Schluss. Mit mietbaren Gärten können nun auch Städter ihr eigenes Gemüse kultivieren – und damit aktiv zum Klimaschutz beitragen. Mehr →