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Vom Wert der Gärten für den Artenschutz
Da vorne, an der Kräuterschnecke: eine Eidechse, ganz in Grün. Also wohl ein Zauneidechsenmännchen. Hut ab! Auch in Naturgärten sind Eidechsen keine Selbstverständlichkeit. Dabei lässt sich einiges tun, um Eidechsen im Garten eine Heimat zu geben. Steinhaufen oder unverfugte Trockenmauern sind für die Reptilien gleichzeitig Unterschlupf und Sonnenbank. Dazu noch offener, lockerer Sandboden zur Eiablage, fertig ist der Eidechsenlebensraum.
Wie viele Eidechsen in deutschen Gärten zuhause sind, wie wichtig Gärten für den Schutz der Zauneidechse sind? Genaues weiß man nicht. Überhaupt ist die quantitative Bedeutung von Haus- und Kleingärten für den Arten- und Naturschutz nur spärlich untersucht. Klar ist aber: Die Bedeutung nimmt ständig zu. Das liegt einerseits am gestiegenen Umweltbewusstsein. Auch wenn Öko- und Naturgärten nach wie vor eine kleine Minderheit sind: Ganz so locker sitzt selbst dem Durchschnittsgärtner die Giftspritze nicht mehr.
Aus der Not heraus
Vor allem jedoch zeugt die Stärke der Siedlungen und Gärten von der Schwäche der sie umgebenden Landschaft. Schon vor hundert Jahren klagten Naturschützer über das Ausräumen der Feldflur und die immer intensivere Landnutzung. So ging es weiter Generation für Generation, immer größer wurde der Nutzungsdruck. Das Primat der Produktion ist allgegenwärtig, auf Äckern und Wiesen ebenso wie im Wald. Kein Wunder also, dass viele Arten die Flucht in die Gärten angetreten haben.
An den Tieren lässt sich auch die Artenvielfalt der Pflanzen ablesen. Wenn wir in unserem Garten den Distelfink haben, muss es auch haufenwese Wildsämereien über den Winter geben. Bemerken wir den Grauschnäpper auf der Vogelbeere oder den Großen Abendsegler im Hof, dann dürfte es an diesem Fleck reichlich größere Insekten geben, entweder vom Teich, der bunten Blumenwiese oder den Wildblumenbeeten drum herum. Und entdecken wir in einer lauen Sommernacht sogar Glühwürmchen, dann muss unser Garten ein sehr natürliches Stückchen Land sein, ohne künstliche Lichtquellen, ohne Punktstrahler für Zen-Kiefer und ohne Bewegungsmelder, die ständig an- und ausgehen.
Reinhard Witt, Naturgartenplaner und Autor
Auch der Igel scheint diesen Weg zu gehen – wenn er denn lebend dort ankommt. Bei der landesweiten Igelaktion 2015 des bayerischen NABU-Partners LBV war jeder dritte gemeldete Igel ein Totfund. Da die meisten überfahrenen Tiere in Siedlungsnähe gefunden wurden, legt die Vermutung nahe, dass sich der Igel als Kulturfolger tatsächlich weitgehend aus den Waldrändern und der Feldflur zurückgezogen hat und nun hauptsächlich in unseren Gärten wohnt.
Weltweite Bedeutung
Im besten Fall bieten Gärten eine kleinräumige Kombination von Struktur- und Lebensraumelementen. So gedeihen auf gleicher Fläche oft mehr Pflanzen- und Tierarten als in der freien Natur. Wer allerdings viel Platz benötigt oder stark spezialisiert ist, dem helfen auch Gärten nicht weiter. Wolf und Schreiadler werden hier ebenso wenig einziehen wie Apollofalter und Kiebitz.
Dennoch sind unsere Gärten für einige Vogelarten sogar von weltweiter Bedeutung. Nicht für Adler und Wiesenvögel, aber für typische Waldvögel wie Sumpfmeise oder Sommergoldhähnchen. Bei beiden hat Deutschland einen Anteil von 25 Prozent an der Weltpopulation und beide zieht es immer mehr in die Gärten. Nicht viel geringer ist die deutsche Verantwortung für Mönchsgrasmücke und Heckenbraunelle, Girlitz und Ringeltaube.
Bekannteste Waldflüchterin ist zweifellos die Amsel. Ihr Wegzug in die Dörfer und Städte hat schon im 19. Jahrhundert eingesetzt. Inzwischen wechseln auch immer mehr Rotkehlchen, Zilpzalpe und Schwanzmeisen den Wohnort. In den Wäldern werden sie weniger, in den Gärten und Parks nehmen sie zu. Gleiches gilt für Agrarvögel wie den Feldsperling und typische Bewohner halboffener Landschaften wie Elster und Gartenrotschwanz. So wurde bei einer Kartierung anlässlich der Wahl zum „Vogel des Jahres 2011“ die höchste Gartenrotschwanzdichte in Kleingartenanlagen festgestellt. Je zehn Hektar kamen durchschnittlich 2,2 Brutpaare vor.
Gärten dienen der Durchgrünung, Auflockerung und Gliederung von Städten und Dörfern. Als Trittsteine im Biotopverbund sowie als Lebensraum und Nahrungsquelle kommen ihnen wichtige Funktionen für den Artenschutz im Siedlungsraum zu. Zudem tragen Gärten zum Ausgleich des Wasserhaushalts und zur Sicherung der Bodenfunktionen bei und haben positive Wirkungen auf Kleinklima, Frischluftentstehung und -zirkulation.
Bundesamt für Naturschutz
Luft nach oben
Immer noch gibt es im Normalgarten viel zu viel wöchentlich geschnittenen Rasen, zu viel Bemühen um Ordnung, zu oft Thuja und Kirschlorbeer statt Holunder oder Weißdorn. Das Aufnahmepotential für weitere Wildtiere und Wildpflanzen ist also groß.
Wer übrigens der Zauneidechse helfen möchte, sollte auch auf seine Haus-Raubtiere achten, auf Hund und Katze. Gefährdet sind die wechselwarmen Reptilien vor allem bei der Eiablage und wenn sie auf ihrer Sonnenbank Energie tanken. Morgens oder bei kühler Witterung sind die Eidechsen träge und dadurch leichte Beute. Kann der Garten nicht hunde- und katzenfrei gehalten werden, muss der Sonnenplatz mit einem robusten Drahtgitter überdeckt werden.
Helge May
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