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Eine kurze Geschichte des Gartens
Ob die ersten Ackerbauern vor rund 10.000 Jahren in der Steinzeit aus Not und Hunger mit dem Anbau von Feldfrüchten beginnen oder aber vor allem deshalb mit Wildgetreide experimentieren, um durch Gärung Bier zu erzeugen, wird immer noch diskutiert. Das Prinzip jedoch, als sesshaft gewordener Mensch ein Refugium zu errichten, das sowohl der Ernährung als auch dem Schutz gegen die feindlichen Mächte der Natur dient, steht am Anfang des Gartenbaus. Erst später kommen andere Funktionen hinzu: Erholung und Entspannung, Religion und Ästhetik.
Die zumeist streng geometrisch angeordneten, eingefriedeten Gärten, die im Ägypten der Pharaonenzeit zunächst an einem schmalen, fruchtbaren Streifen entlang des Nil angelegt werden, sind alles andere als naturnah, sondern im Gegenteil der Natur mit ihren Dürren, Überschwemmungen und wilden Tieren abgetrotzt. Hier wachsen vor allem Obstbäume, aber auch Wein und Gemüse.
Schutz und Nahrung
Im alten Griechenland werden in kleineren, ebenfalls durch Hecken oder Mauern geschützten Nutzgärten Äpfel, Feigen, Oliven, Wein und Gemüse angebaut. Die häufig im Umfeld einer heiligen Quelle errichteten Baumhaine, in deren Nähe Sportanlagen und öffentliche Versammlungsorte angelegt werden, gelten als frühe „Lustgärten“, in denen gewandelt, gedacht und debattiert wird – und somit als wichtige Orte für die Herausbildung demokratischer Gepflogenheiten.
Im Orient konzentriert sich der Anbau von Zwiebeln und Salat, aber auch wertvoller Gewürze wie Safran oder Koriander zunächst auf die wenigen Regionen mit ausreichender Bewässerung. Obstbäume liefern nicht nur Nahrung, sondern spenden auch den dringend benötigten Schatten. Die Perser beginnen etwa ab 500 v. Ch. damit, Ziergärten mit Brunnen, Bäumen und schönen Blumen anzulegen, und schaffen so prachtvolle, durch Mauern von der Außenwelt abgeschirmte kleine Refugien.
Von der Zierde zur landwirtschaftlichen Nutzung
Zierde – nicht zuletzt im Atrium, dem Innenhof – und Ernährung, diese beiden Funktionen erfüllen auch viele Gärten im alten Rom. Darüber hinaus werden vermehrt Heilpflanzen und Kräuter angebaut. Die römischen Gärten profitieren nicht zuletzt von großen Fortschritten bei der zuverlässigen und gezielten Wasserversorgung. In China hingegen spielen religiöse und philosophische Aspekte bei der Gartengestaltung eine wichtige Rolle: Es geht um die Wiederspiegelung des Universums, um Ausgewogenheit und den ungehinderten Fluss von positiver Energie.
Mit den detaillierten Vorschriften zur Bewirtschaftung der königlichen Domänen, die Karl der Große Anfang des 9. Jahrhunderts im „Capitulare de villis“ anfertigen lässt, rücken der landwirtschaftliche Nutzen und Ertrag des Gartens vollends in den Vordergrund. In den Klostergärten des Mittelalters werden neue Obst- und Gemüsesorten ausprobiert und die Kultivierung von Heilkräutern verfeinert. Die ausdauernde Beschäftigung mit dem Garten bringt Experten und Expertinnen wie Hildegard von Bingen hervor, deren Name und Wirken auch heute noch vielen Menschen geläufig ist. Die Erkenntnisse über Anbaumethoden, Wasserbedarf oder richtige Standorte werden schriftlich festgehalten, das Wissen über den Gartenbau wächst beständig.
Italien, Frankreich, England
Die Entdeckung des Individuums, die Öffnung nach außen im humanistisch geprägten Italien des 15. Jahrhunderts spiegelt sich auch in der Gartengestaltung der Renaissance wieder. Der Garten ist der Eingang zum Haus, die oft terrassenförmigen Anlagen mit ihren Treppen, geraden Wegachsen, Blumenrabatten und Wasserspielen laden zum Flanieren ein.
Seine pompöse Steigerung erfährt dieses Prinzip in den französischen Barockgärten. Diese weitläufigen Grünanlagen sind eher lang als breit, schließlich soll ihre raffinierte Anlage auf einem Blick erkannt werden. Nutzpflanzen gibt es kaum, die Blumenarrangements, Bauten, Skulpturen, Wasserspiele und Baumreihen sind Bestandteile eines ausgeklügelten Gesamtensembles. In diesen Gärten – am berühmtesten ist sicherlich der Park von Versailles – feiert sich der Adel selbst, Größe und Schönheit des Gartens definieren die Macht des absolutistischen Herrschers.
Die strengen geometrischen Formen barocker Gärten stoßen bei englischen Gartenarchitekten wie William Kent auf Widerspruch: „Nature abhors straight lines.“ Ebenso wie den Menschen will die Aufklärung auch den Garten von Unterdrückung befreien. Die natürliche Landschaft wird zum gestalterischen Vorbild, mit unebenen Böden, verschlungenen Pfaden, kleinen Teichen und frei wachsenden Bäumen. Englische Gärten, die oft einem idealisierten Naturgemälde gleichen, werden auch in Deutschland angelegt, etwa im heutigen Unesco-Welterbe „Dessau-Wörlitzer Gartenreich“.
Moderne Vielfalt
Mit Beginn des 19. Jahrhunderts fließen zunehmend ökonomische, ökologische, agrar- und forstwirtschaftliche Aspekte in die Gestaltung großer Landschaftsgärten ein. Die Kulturlandschaft, die der Gartenarchitekt Peter Joseph Lenné rund um die Potsdamer Schlösser und Gärten anlegen ließ, ist ein herausragendes Beispiel für ein ganzheitliches Konzept.
Zunächst in Leipzig, dann auch in anderen großen Städten entstehen nach den Ideen des Orthopäden Moritz Schreber die „Schrebergärten“ – Kleingartenanlagen, in denen sich Kinder an der frischen Luft bewegen und das Proletariat für ein paar Stunden den beengten Lebensverhältnissen entfliehen können. In den städtischen Villen des gehobenen Bürgertums hingegen sollen Gärten vor allem repräsentieren.
Nach dem Zweiten Weltkrieg sichern in Deutschland zunächst viele Gärten das Überleben (nicht nur) ihrer Besitzer. Mit zunehmendem Wohlstand verschwinden die Nutzflächen zwar nicht aus den Hausgärten, nehmen aber einen immer geringeren Raum ein. Einen hohen Freizeitwert soll der Garten schon haben, darf dabei aber nicht zuviel Arbeit machen. Seit 1951 informiert eine Bundesgartenschau alle zwei Jahre über aktuelle Trends und Themen der Garten- und Parkgestaltung.
Heute gibt es nahezu alles – vom toten Einheitsgrün zwischen Waschbetonplatten über naturnahe Biogärten und private Freizeitoasen bis hin zu jenen städtischen „Guerilla-Gärten“, die als Orte des Urban Gardening längst über den Status der bloßen Modeerscheinung hinausgewachsen sind. Diese zwischen den extremen Polen der Naturidealisierung und -verdammung angesiedelte Vielfalt dürfte sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weiter ausdifferenzieren.
Bernd Pieper
Lektüreempfehlungen
Matteo und Virgilio Vercelloni: Geschichte der Gartenkultur. Verlag Philipp von Zabern, Darmstadt 2010, 49,90 Euro
Hans von Trotha: Garten Kunst. Auf der Suche nach dem verlorenen Paradies. Quadriga Verlag, Berlin 2012, 19,99 Euro
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