Gartentyp Ästhet*in - Illustration: Ottilie Keppler
Solche und solche Gärtner*innen
Eine kleine Typologie
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Für die Tierfreund*innen haben die Belange der tierischen Gartenbewohner Priorität - Illustration: Ottilie Keppler
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Kleinbäuer*innen nutzt jeden Winkel ihres Gartens für den Anbau von Obst und Gemüse - Illustration: Ottilie Keppler
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Urban Gardener schaffen kleine Paradiese im städtischen Grau - Illustration: Ottilie Keppler
Nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde (BDG) gibt es in Deutschland rund 950.000 so genannte Kleingärten. Rechnet man dann noch die unzähligen Hausgärten hinzu, kommt eine beeindruckende Zahl zusammen. Die private Oase daheim oder in Wohnortnähe liege im Trend, diagnostiziert der BDG, und proklamiert „spießig ist das neue Cool“. Doch was genau nun „cool“ bedeutet, davon dürfte jeder Hobbygärtner eine andere Auffassung haben. Wir stellen einige typische Gärtner*innenpersönlichkeiten vor – ohne Anspruch auf Objektivität und Vollständigkeit.
Die Ästhetin
Nach 28 Büchern zur Geschichte des Gartenbaus sowie drei Seiten über Geometrie kann es losgehen. Nichts wird dem Zufall überlassen, schon gar nicht der optimale Winkel zwischen dem Fliederstrauch und dem Rankgitter für die Stangenbohnen. Die Ästhetin schätzt die klare Formensprache, die den passenden Rahmen für wie absichtslos hingestreute persönliche Akzente bildet: einen kleinen Teich, ein ornamentales Blumenbeet oder einen Feng-Shui-Bereich, in dem die fünf Elemente in vollendeter Harmonie walten. Ein Kiesweg führt direkt zum von toskanischen Zypressen gesäumten Teehäuschen, das zweimal pro Jahr einen würdigen Rahmen bildet für den Austausch von Nettigkeiten im Verwandtenkreis.
Der Pädagoge
Die meisten Menschen haben keine Ahnung vom Gärtnern, denkt der Pädagoge und lauert bei der Gartenarbeit auf die interessierten Blicke von Nachbarn oder Passanten. Erklärt dann ungefragt und ausdauernd, dass diese herrlich leuchtende Frucht keine Birne, sondern eine Quitte sei, ein ebenso leckeres wie unterschätztes Obst, unter dessen – zugegeben – harter Schale sich ein köstliches Inneres verberge. Und die Tomaten seien deshalb so prächtig gediehen, weil der Standort an der südlichen Garagenwand ein Maximum an Wärme garantiere, die selbst gezogene Brennnesseljauche für optimale Nährstoffzufuhr sorge und die Blätter der Pflanze selbstredend sorgfältig vor Nässe geschützt würden. Bei Bedarf könne er gerne mal im Garten des Gesprächspartners nach dem Rechten schauen …
Die Tierfreundin
Eigennutz ist ihre Sache nicht. Deshalb pflanzt die Tierfreundin den Kirschbaum so, dass die Amseln von ihrem Nest im Holunderstrauch über die Regenrinne der Garage direkt zu den Früchten wandern und sich so den anstrengenden Flug ersparen können. Platziert überall Holzstapel und Komposthaufen, damit der Igel im Winter nicht frieren muss. Pflanzt Obst und Gemüse weniger für den eigenen Genuss, sondern möchte damit möglichst vielen Tierarten Nahrung und Unterschlupf bieten. Teilt sich die Möhren friedlich mit den Raupen des Schwalbenschwanzes und liefert mindestens die Hälfte der Birnenernte als Tribut an das Wespenvolk ab. Selbst die Spanische Wegschnecke, die schon so manche*n Gärtner*in in die Verzweiflung getrieben hat, wird als Mitgeschöpf respektiert.
Der Ordentliche
Unablässig zieht der Mähroboter seine Kreise. Denn kurz muss er sein, der Rasen, dabei so dicht und makellos, dass sein Anblick den Platzwart von Wimbledon in tiefe Verzweiflungen stürzen könnte. Könnte wohlgemerkt, denn die beeindruckende Anmutung des grünen Teppichbodens bleibt Passanten durch eine Hecke aus Kirschlorbeer verwehrt, deren Lückenlosigkeit nur noch durch ihre vollständige Wertfreiheit für heimische Vögel und Insekten übertroffen wird. Ähnliches gilt für die unvermeidliche Konifere, die einzig deshalb angepflanzt wurde, weil sie kein Laub abwirft. Und wehe dem waghalsigen Pflänzchen, das sich auf der Terrasse durch die Fugen zwischen den Waschbetonplatten gekämpft hat: Der Dampfdruckreiniger macht im Handumdrehen kurzen Prozess.
Der Kleinbauer
Im Schuppen des ambitionierten Kleinbauern stapeln sich Dünger und Pestizide, torffreie Gartenerde hält er für eine romantische Spinnerei. Nur Resultate zählen: Am Ende des Gartenjahres sind Kartoffelkiste und Marmeladengläser gefüllt, die Bohnen in der Gefriertruhe warten neben den Kirschen auf ihre winterliche Verwendung in der Küche. Erwachsene Kinder rollen die Augen, wenn ihr Besuch daheim mit einer ausführlichen Exkursion durch den elterlichen Garten beginnt – und freuen sich, wenn das Auto auf der Rückfahrt beladen ist mit allerlei Eingemachtem, mit Kisten voller Möhren, Roter Beete und anderen Leckereien.
Die Ökologin
Wochenlang Kohl: Kein echter Spaß, aber die Proteste des Nachwuchses werden souverän ignoriert. Auf den Tisch gehört ausschließlich selbst gezogenes, jahreszeitlich passendes Gemüse, Kunstdünger und Fungizide sind Teufelszeug. Die richtige Kombination soll Wunder wirken im Gemüsebeet – Möhren neben Dill oder Schnittlauch, Bohnen neben Kohl oder roter Beete, Salat neben Radieschen oder Kohlrabi. Soweit die Theorie, doch leider funktioniert es nicht immer so, wie es die Video-Anleitungen aus dem Internet zum eigenen Biogarten versprechen. Deshalb ist in der Kühltruhe der Ökologin immer ein Fach für Tiefkühlpizza reserviert.
Der Urban Gardener
Verwandelt jeden Quadratzentimeter städtischer Freifläche in ein kleines Paradies. Träumt inmitten einer Millionenmetropole von der Selbstversorgung mit Gurken und Tomaten, schert sich dabei allerdings weniger um die darin enthaltenen Schwermetalle. Sieht sein Treiben in einem höheren Sinnzusammenhang, setzt der Herrschaft des Neoliberalismus und der umfassenden Ökonomisierung der Gesellschaft seinen Eigensinn und sein Recht auf Selbstbestimmung entgegen. Bleibt er konsequent auf seinem Weg, wird er irgendwann zum Urban Farmer.
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