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Machen Sie die Havel wieder lebendig!Aufbau Ost
Die BUGA soll auch wirtschaftlichen Aufschwung bringen
Noch vor einem Jahr war St. Johannis eine Ruine. Die fast 800 Jahre alte Kirche war im zweiten Weltkrieg bei einem Luftangriff auf die Altstadt von Brandenburg zerstört worden. Die Fliegerbombe zertrümmerte den gesamten Westgiebel des aus märkischem Backstein errichteten Hallenbaus.
Was blieb, war ein Torso ohne Dach, den man nach der Wende notdürftig sicherte. Doch jetzt hat die ehemalige Klosterkirche ein neues Dach und eine Glaskonstruktion schließt die Bresche an der Westseite des Kirchenschiffs. Denn der spätgotische Sakralbau spielt bei der Bundesgartenschau eine zentrale Rolle als Bühne für wechselnde Blumenschauen. Brandenburg hat sich herausgeputzt für die BUGA. Die Wiege der Mark, wie die Stadt an der Havel sich gerne nennt, hat sich auf ihre über tausendjährige Geschichte besonnen und neben St. Johannis auch den einst einsturzgefährdeten mittelalterlichen Dom wiederhergerichtet.
Sanierung allerorten
Brandenburg ist von der Havel geprägt: Vor dem Dom verzweigt sich der Fluss in mehrere Seitenarme – Schleusen, Brücken und Kanäle bestimmen das Stadtbild. St. Johannis liegt nahe der Jahrtausendbrücke, die Altstadt und Neustadt verbindet. Auf dem Marienberg, der höchsten Erhebung im Stadtgebiet, wurden für die BUGA Rosen angepflanzt und ein Panorama-Rundweg angelegt.
Das Großereignis Bundesgartenschau hat bereits im Vorfeld die gesamte Region von Brandenburg bis Havelberg elektrisiert. Dörfer und Städte haben sich feingemacht; allerorten wurden Innenstädte saniert, Bahnhöfe modernisiert und Baudenkmäler wieder instandgesetzt. Die Maßnahmen der fünf Gartenschau-Standorte koordiniert ein eigens gegründeter Zweckverband, dessen Ziel es ist, das Havelland bekannt zu machen. Insgesamt flossen fast 70 Millionen Euro in die BUGA-Vorbereitungen.
„Gartenschauen sind intensivierte Stadt- und Regionalentwicklungsprogramme“, sagt Dieter Hütte, Geschäftsführer des Brandenburger Tourismus-Marketing. Das ist auch nötig, denn die Nachwende-Zeit hat die Region mit Arbeitsplatz-Abbau, Betriebsschließungen und Bevölkerungsschwund wirtschaftlich ausgeblutet.
Starker Einwohnerschwund
Die Einwohnerzahl Brandenburgs, zu DDR-Zeiten ein florierender Standort der Schwerindustrie, fiel infolge ausgeprägter Deindustrialisierung von fast 95.000 im Jahre 1989 auf derzeit 71.000. Noch härter traf es Rathenow, wo Anfang des 19. Jahrhunderts die optische Industrie ihren Siegeszug in Deutschland angetreten hatte. Zu DDR-Zeiten belieferte Rathenow einen Großteil des Ostblocks mit Brillen und optischen Geräten. Mit dem Fall der Mauer brach dieser Markt schlagartig weg und die Bevölkerung dezimierte sich um ein Viertel von 32.000 Einwohnern auf heute nur noch 24.000.
Rathenow versucht bereits seit den 90er Jahren, seine einst reizvolle Innenstadt wiederherzustellen, die durch Zerstörungen im Krieg und Wiederaufbau zu DDR-Zeiten verloren gegangen ist. Die Kirche St. Marien-Andreas wurde restauriert, verfallene Altbauten saniert und historische Straßen wieder angelegt.
Erfahrungen aus Magdeburg
Doch neue Bürger und Investoren, die dadurch angelockt werden sollten, blieben bislang aus. Auch die brandenburgische Landesgartenschau, die 2006 in Rathenow stattfand, brachte keinen wirtschaftlichen Aufschwung. Umso größer sind die Hoffnungen, die jetzt auf der BUGA ruhen. Mit finanzieller Hilfe von Bund und Land stemmte die Stadt den Bau einer fast zehn Millionen Euro teuren und 350 Meter langen Fußgängerbrücke. In S-Form schwingt sich das Bauwerk über die Havel und verbindet die beiden BUGA-Areale Optikpark und Weinberg.
Doch ist das viele Geld gut angelegt? Werden die BUGA-Bauten auch nach Ende der Schau noch genutzt werden? Ein Blick nach Magdeburg könnte helfen, diese Fragen zu beantworten. Die Hauptstadt von Sachsen-Anhalt war 1999 Schauplatz einer Bundesgartenschau. Der Stadtrat hatte dafür neue Straßen asphaltieren, eine Deponie begrünen und zwei Brücken über die Elbe spannen lassen. Was davon ist geblieben? Einerseits muss die Stadt nun jedes Jahr zwei Millionen Euro in den Betrieb des Elbauenparks stecken. Andererseits: „Viele Investitionen wären ohne BUGA nicht passiert“, sagt Magdeburgs Wirtschaftsbeigeordneter Rainer Nitschke. Sein Rat „Bei der Planung sollte die Nach-BUGA-Zeit die gleiche Rolle spielen wie die BUGA selbst.“
Hoffnungsträger Tourismus
Ein Rat, den Havelberg, beherzigt. Die kleine Hansestadt hat ihren mittelalterlichen, auf einer Insel gelegenen Stadtkern aufwendig saniert. Der aus dem 12. Jahrhundert stammende Dombezirk, dessen trutzige Backsteinmauern am Ufer aufragen, wurde zur prächtigen BUGA-Kulisse hergerichtet. Es entstanden neue Radwege, eine Uferpromenade und Anlegeplätze für Fahrgastschiffe. „Das alles hätten wir sowieso machen müssen“, versichert Bürgermeister Bernd Poloski. Havelberg setzt voll und ganz auf Rad- und Wasser-Tourismus: Durch die BUGA erhofft sich Poloski bundesweite Aufmerksamkeit für die Reize des Havellandes: „Die Havelregion ist eine faszinierende Landschaft“, sagt der Bürgermeister. „Aber man muss sie entdecken wollen.“
Hartmut Netz