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Jetzt NABU-Mitglied werden!Die Vielseitigkeit der Bioökonomie
Ökonomische und ökologische Grundsätze verbinden
Im Rahmen der Bioökonomie ermöglichen neue Verarbeitungstechnologien die Umwandlung von biobasierten Rohstoffen in hochwertige Nahrungs- und Futtermittel, Chemikalien, Baustoffe, Konsumgüter oder Kraftstoffe. Die Bioökonomie umfasst verschiedene Anwendungsbereiche, die für eine bessere Übersichtlichkeit folgendermaßen kategorisiert werden:
- Land- und Ernährungswirtschaft
- Forst- und Holzwirtschaft
- Forschung und Innovation
- Verwertung von Rest- und Abfallstoffen
- Energetische Nutzung
Einige Rohstoffe und Anwendungen lassen sich leicht einem bestimmten Bereich zuordnen. Andere Bereiche können nicht ganz trennscharf voneinander abgegrenzt werden. Wenn es beispielsweise um Rest- und Abfallstoffe geht, kann es sein, dass entsprechende Verarbeitungsverfahren erst neu entwickelt werden müssen. Also wäre somit auch der Teilbereich Forschung und Innovation betroffen.
Land- und Ernährungswirtschaft
Deutschland verfügt über eine landwirtschaftliche Fläche von ca. 16,7 Millionen Hektar. Auf 80 Prozent dieser Fläche werden Nahrungs- (22 Prozent)und Futtermittel (60 Prozent) angebaut. Nur auf 16 Prozent der Fläche werden Energie- oder Industriepflanzen, also potenzielle Rohstoffe für bioökonomische Anwendungen, angebaut. Zusätzlich werden von Deutschland weitere 17 Mio. Hektar (Quelle: Umweltbundesamt) im Ausland für die Produktion und den Import von Biomasse in Anspruch genommen. Diese Flächen liegen größtenteils in Südamerika, vor allem in Brasilien und Argentinien, und werden vorrangig für den Anbau von Soja genutzt.
Der Bereich der Land- und Ernährungswirtschaft widmet sich vorrangig der konventionellen Futter- und Nahrungsmittelproduktion. Doch es kommen immer mehr neue und innovative Konzepte hinzu. Die Beispiele reichen vom agrarökologischen Anbau und modernen Anwendungen des „Smart Farming“ bis zu urbanen Gewächshäusern (z. B. Aquaponik) und der Erschließung alternativer Eiweißquellen (z. B. Lupinen, Insekten).
Durch die industrielle Landwirtschaft sind Böden vielerorts an Nährstoffen verarmt, die Biodiversität nimmt stetig ab und in umliegenden Gewässern werden hohe Nährstoffgehalte nachgewiesen. Durch den Klimawandel kommt es immer häufiger zu Extremwetterlagen. Viele Landwirt*innen stehen vor der Herausforderung, nährstoffarme Böden und geringe Niederschlagsmengen zu kompensieren. Im Rahmen der Bioökonomie wird auch an innovativen Landnutzungskonzepten geforscht, um den Problemen entgegenzuwirken.
Eine Möglichkeit bietet dabei die Bewirtschaftung eines Agroforstsystems. Unter dem Begriff versteht man die integrierte Kombination des Anbaus von Bäumen mit Ackerkulturen und/oder Tierhaltung. Agroforstsysteme verfügen über eine Vielzahl ökologisch vorteilhafter Faktoren, wie die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit, Abschwächung von Wasserverdunstung und Bodenerosion sowie die Schaffung neuer strukturreicher Lebensräume für die lokale Biodiversität. Durch den Anbau von Bäumen kann gleichzeitig die landwirtschaftliche Produktpalette (Wertholz, Holzhackschnitzel) erweitert werden.
Nachhaltiges Bauen, Forst- und Holzwirtschaft
Wälder bedecken ein Viertel der Gesamtfläche Deutschlands (etwa 11,4 Millionen Hektar). Jedes Jahr werden 95 Mio. Kubikmeter Holz aus deutschen Wäldern entnommen. In der Waldstrategie 2020 der Bundesregierung wird das Ziel formuliert, nicht mehr als 100 Mio. Kubikmeter Holz pro Jahr einzuschlagen. Damit ist das Potenzial der Holzernte in Deutschland so gut wie ausgeschöpft. Zusätzlich wurden im Jahr 2018 rund 7,1 Mio. Kubikmeter Rohholz nach Deutschland importiert. Holz wird in Deutschland bisher überwiegend traditionell genutzt. Dies umfasst beispielsweise die Säge-, Holzwerkstoff- und Zellstoffindustrie. Die stoffliche Nutzung von Holz und seinen Bestandteilen als chemisch-technischer Rohstoff spielt bislang nur eine untergeordnete Rolle, könnte aber mittelfristig eine Alternative zu fossilbasierten Ausgangsstoffen in der Chemieindustrie werden. Darüber hinaus werden 25 Prozent des Holzes in Deutschland als Energierohstoff eingesetzt, wodurch die für den Klimaschutz so wichtige CO2-Speicherung nicht mehr möglich ist. Im Konzept der Bioökonomie sollte Holz daher erst nach stofflicher Mehrfachnutzung energetisch eingesetzt werden.
Holz ist ein bemerkenswerter Baustoff. Gebäude aus Holz statt Stahl und Beton könnten gleich zweifach zu einer globalen Klimastabilisierung beitragen. Forscher*innen ermitteln in einer internationalen Studie, dass Holzhäuser zur Verbesserung des globalen Klimas beitragen können. Indem neue Häuser vor allem aus Holzverbundstoffen wie Brettschichtholz und Brettsperrholz gebaut werden würden, könnten energieintensive Baumaterialien wie Stahl und Beton verdrängt werden. Bei der Zementproduktion wird CO2 freigesetzt. Seit 1990 hat sich die globale Produktion von Zement in etwa vervierfacht: Tendenz weiterhin steigend. Im Gegensatz dazu würde das CO2, das die verbauten Bäume beim Wachstum aus der Atmosphäre gezogen haben, langfristig fixiert werden. Städte könnten somit zu wichtigen CO2-Speichern werden. (Quelle: Galina Churkina et al.)
Forschung und Innovation
Um die wertvollen Rohstoffe möglichst vollständig verwerten zu können, wird ein umfassendes Verständnis von biologischen Systemen und technologischen Lösungen benötigt. Dazu wird in Deutschland derzeit in verschiedensten Wissenschaftsdisziplinen intensiv und fachübergreifend geforscht. Denn umso besser man die Eigenschaften der verfügbaren Rohstoffe kennt, desto spezifischere Verarbeitungsmethoden und Produkte können auf dieser Grundlage entwickelt werden.
In der Nationalen Bioökonomie-Strategie liegt deshalb ein starker Fokus auf dem Bereich der transdisziplinären Forschung. Mithilfe der Wissenschaftsdisziplinen wie der Biotechnologie, Molekularbiologie, Digitalisierung, Gentechnik und Verfahrenstechnik sollen Technologien zur schonenden und möglichst effizienten Rohstoffproduktion und Verarbeitung entwickelt werden. Auch an Verfahren zur Erschließung und Nutzbarmachung neuartiger Rohstoffe (insb. Lignin, Produktionsabfälle, aber auch Mikroorganismen, Pilze, Mikroalgen) wird verstärkt geforscht. In der Biotechnologie werden durch die Möglichkeiten der Gentechnik Mikroorganismen als Produzenten von Aromen, Antibiotika oder Enzymen eingesetzt. Tierische und pflanzliche Bestandteile können ebenfalls zu neuartigen Produkten verarbeitet werden. Die Beispiele reichen von Biokunststoffen im Gesundheitswesen über Mikroalgen als alternatives Fischfutter bis hin zu Chemikalien aus Lignocellulose.
Verwertung von Rest- und Abfallstoffen
Rest- und Abfallstoffe sind wertvolle Rohstoffe. Sie entstehen überall, doch die darin versteckten Potenziale sind noch nicht vollständig ausgenutzt. Geschätzt wird ein jährliches Potenzial von maximal 210 Mio. Tonnen biogener Abfälle und Reststoffe. Dazu zählen Altspeiseöle, Stroh, Dung, Ernterückstände, Alt- und Schwachholz aus der Forstwirtschaft, Grünschnitt, Klärschlamm, et cetera. Doch muss im Rahmen der Möglichkeiten immer beachtet werden, dass Reststoffe ein begrenztes Gut sind. Vor allem Stroh und Ernterückstände dienen in der Landwirtschaft zum Humusaufbau, als Mulchauflage und Wasserspeicher. In Wäldern bietet Totholz wertvolle Lebensräume für den Arten- und Biotopschutz.
Dennoch sollen Abfallstoffe zukünftig verstärkt zur Energiegewinnung im Verkehr, zur Produktion von Chemikalien und Kunststoffen eingesetzt werden. Und es gibt noch weitere vielfältige Praxisbeispiele: Es gibt Projekte, bei denen überschüssige Rinden, die bei der Holzverarbeitung anfallen, als Dämmstoff genutzt werden. Auch lassen sich Holzschnitzel aus dem Sägewerk zu stabilen Faserplatten weiterverarbeiten, die eine Alternative zu Vollholzprodukten darstellen (siehe Anwendungsbeispiel Sägewerk). Aus Kaffeeresten lassen sich Verbundwerkstoffe oder Desinfektionsmittel herstellen. Auch können auf Kaffeeresten hervorragend Speisepilze kultiviert werden. Aus Braurückständen können Proteine oder Probiotika gefiltert werden, die in der Lebensmittelindustrie als Nahrungsergänzungsmittel eingesetzt werden. Seinen eigenen Bioabfall kann man in einer Wurmkiste zu nährstoffreichem Biodünger veredeln lassen.
Energetische Nutzung
Der Bereich Energie umfasst neben der Produktion von Biogas auch die großtechnische Produktion von Biokraftstoffen, wie die Herstellung von Biomethan aus Mais und Zucker oder Biodiesel aus Raps. Bioenergie und Biokraftstoffe erfordern Biomasse aus Monokulturen wie Mais, Zuckerrohr, Palmöl oder Getreide. Es wird als langfristiges Ziel angestrebt, hauptsächlich Reststoffe wie Holzschnitzel, Stroh, Gülle oder Lebensmittelabfälle zur Energiegewinnung oder zur Produktion von Biokraftstoffen einzusetzen.
Pflanzen und Holz sind zu wertvoll, um sie direkt zu verbrennen. Ein wichtiges Konzept der Bioökonomie ist die Kaskadennutzung: Sie sieht die energetische Verwertung von Biomasse erst im letzten Nutzungsschritt vor. Dies bedeutet beispielsweise, dass aus Holz zunächst qualitativ hochwertige Möbel oder Baustoffe hergestellt werden, die nach mehreren Nutzungszyklen im letzten Schritt kompostiert oder im Rahmen der Energiegewinnung verbrannt werden.
Ein weiteres wichtiges Prinzip ist das der Kreislaufwirtschaft, wie anhand des Beispiels der grünen Bioraffinerie gezeigt wird:
Einfach erklärt, ist Bioökonomie ein auf nachwachsenden Rohstoffen basierendes Wirtschaftssystem. Als Rohstoffe können dabei nicht nur Pflanzen, Holz und Nutztiere eingesetzt werden – sondern auch organische Reststoffe, Mikroorganismen, Algen oder Insekten. Mehr →
Die Bioökonomie birgt eine Reihe von Chancen für den Naturschutz und den Erhalt der biologischen Vielfalt. Neben den Vorteilen eines biobasierten Wirtschaftssystems müssen im Sinne des Vorsorgeprinzips auch die Risiken identifiziert und gehandhabt werden. Mehr →
Das Wissenschaftsjahr 2020 widmete sich der Bioökonomie. Dazu wurden vielfältige Mitmach-Aktionen, Ausstellungen, Online-Angebote und kritische Diskussionen angeboten, um Wissen rund um die Bioökonomie verständlich zu vermitteln. Der NABU entwickelte einen interaktiven Informationsstand. Mehr →
Wie produzieren und konsumieren wir in Zukunft ohne die planetaren Belastbarkeitsgrenzen zu überschreiten? Kann dies mit dem Konzept der Bioökonomie gelingen? Diese Fragen diskutierten wir 2019 bis 2021 mit Bürger*innen in unterschiedlichen Dialogformaten. Mehr →