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Jetzt informieren!Wie gehen wir mit den Folgen der Klimakrise um?
Klimaanpassung für Mensch, Natur und Klima
Hitzewellen, Dürrephasen, Starkregen – dieses Jahr war geprägt von Extremwetterereignissen, die zeigen, dass die Klimakrise in vollem Gange ist und spürbare Auswirkungen für uns alle hat. Längst zerstören nicht mehr nur im globalen Süden regelmäßig Zyklone und Überschwemmungen die Lebensgrundlage unzähliger Menschen, sondern immer öfter auch vor der eigenen Haustür. Ebenso leiden Ökosysteme unter der globalen Erwärmung: die Klimakrise befeuert das Artensterben und den Verlust einzigartiger Lebensräume.
Bedrückend ist daher die Tatsache, dass die Klimafolgen zunehmen und die vergangenen Emissionen erst im weiteren Verlauf des 21. Jahrhunderts ihre volle Wirkung entfalten werden. Denn selbst, wenn ab sofort keine Treibhausgase mehr in die Atmosphäre gelangten, wenn wir verhinderten, dass entscheidende Kippunkte (wie das Abschmelzen des arktischen Meereises) überschritten werden, nähme die Klimakatastrophe zunächst weiter Fahrt auf und die Temperaturen stiegen. Mit unausweichlichen Konsequenzen.
Die Klimakrise wird sich wesentlich auf Ökosysteme und die Gesellschaft auswirken. Umso wichtiger für eine lebenswerte Zukunft, sich gegen diese unvermeidlichen Folgen zu wappnen und entsprechende Maßnahmen zur Klimaanpassung für Mensch und Ökosysteme zu ergreifen. Nur dann kann die Gesundheit der Bevölkerung und die allgemeine Handlungsfähigkeit sicher gestellt werden, nur dann können Ökosysteme weiterhin intakt bleiben und wichtige Leistungen wie Wasserspeicherung und Kohlenstoffbindung erbringen.
Klimaanpassungen sind Maßnahmen, die durch die Klimakrise verursachte oder drohende Schäden an menschlichen und natürlichen Systeme, d.h. Ökosystemen, vermindern bzw. vermeiden. Das beinhaltet auf gesellschaftlicher Ebene den Schutz
- menschlicher Gesundheit,
- der Infrastruktur,
- sowie finanzieller Ressourcen vor Schäden durch zunehmende Hitzebelastung und Extremereignisse.
Bei Ökosystemen vordergründig sind (beschleunigt und ermöglich durch Eingreifen des Menschen) der Schutz von
- Lebensräumen,
- Arten,
- Biodiversität,
- sowie Ökosystemleistungen wie Kohlenstoffbindung.
Was muss in verschiedenen Lebensräumen passieren, damit sie widerstandsfähig bleiben?
Die Klimakrise wird sich wesentlich auf Ökosysteme und die Gesellschaft auswirken. Für die sechs Schwerpunktbereiche Biologische Vielfalt, Wald und Forst, Wasser, Landwirtschaft, Küste und Meer sowie Städte und Siedlungen stellen wir genauer dar, was die Erderhitzung, insbesondere für Arten und Lebensräume, bedeutet. Wie im neuen Hintergrundpapier des NABU[lg1] möchten wir über das Zusammenspiel zwischen Klimaanpassung, Naturschutz und Klimaschutz informieren und dem Thema mehr Aufmerksamkeit widmen. Welche Anpassungsstrategien gibt es, die sowohl soziale und ökologische Aspekte berücksichtigen, und was empfiehlt der NABU?
[lg1]Verlinkung pdf
1. Biologische Vielfalt
Die Klimakrise wirkt sich weitreichend auf einzelne Arten und Lebensräume und damit auf die Biodiversität aus. Modellrechungen, die aufgrund der Unsicherheiten von Klimaprognosen keine genauen Vorhersagen erlauben, kommen auf Ergebnisse von 5 bis 30 Prozent der Pflanzen- und Tierarten in Deutschland, die langfristig klimabedingt verloren gehen könnten. Dies trifft vor allem Arten, die besonders verletzlich gegenüber den Klimafolgen sind, wie z. B. kälteliebenede oder hitzeempfindliche Arten, oder solche die von Grund- und Regenwasser abhängig sind oder in enger Beziehung zu anderen Arten funktionieren.
Fakt ist, dass sich das Klima in einem so rasanten Tempo verändert, dass die Anpassungskapazität von Tieren und Pflanzen oft an Grenzen stoßen wird. Die Anpassung des Naturschutzes an die Klimafolgen ist aus gesellschaftlicher Sicht zentral, da davon die Erbringung wichtiger Ökosystemleistungen abhängt.
Folgen für Arten:
1. Veränderte Phänologie
Schon jetzt sorgt die Klimakrise für Verschiebungen im Jahresrhythmus vieler Tier- und Pflanzenarten. Die saisonal charakteristische Erscheinung von Pflanzen und das typische Verhalten von Tieren zu einer bestimmten Jahreszeit ist Gegenstand der Phänologie (Griech. „Erscheinungslehre“). Im phänologischen Kalender werden die Jahreszeiten samt ihrer Unterteilung anhand bestimmter Zeigerpflanzen und deren typischer Indikatoren festgehalten. Aufgrund der steigenden Temperaturen treten die Indikatoren für Frühling, Sommer und Teile des Herbstes immer früher auf, während der Winteranfang sich kaum verändert hat. Dies hat zu einer deutlichen Verkürzung des phänologischen Winters geführt: Er ist nun im Schnitt fast drei Wochen kürzer als im Zeitraum 1961-1990.
Auch in der Tierwelt sorgt die Erderwärmung für eine Verschiebung saisonal typischer Verhaltensweisen und Aktivitäten. Einige Vogelarten beginnen ihre Brutzeit früher und zeigen ein verändertes Zugverhalten; Insektenlarven schlüpfen zeitiger und manche Kröten verzichten bei milden Temperaturen ganz auf ihre Winterruhe. Das hat teils gravierende Konsequenzen. Bei Pflanzen führt der verfrühte Blattaustrieb bzw. die frühere Blüte zu einer höheren Empfindlichkeit gegenüber (Spät-) Frostschäden. Erwachen Säugetiere früher als gewöhnlich aus dem Winterschlaf, bereitet ihnen ein geringeres Nahrungsangebot Probleme.
Zudem bringen die verschobenen Aktivitätszeiten weitreichende, aber nur schwer vorhersagbare Folgen mit sich. Normalerweise parallel ablaufende Prozesse werden entkoppelt: Pflanzen blühen, bevor ihre Bestäuber aktiv sind (oder umgekehrt), und einige Zugvögel finden bei ihrer Ankunft im Brutgebiet weniger Nahrung, weil die Insekten dort früher entwickelt sind. Darunter kann auch der Bruterfolg leiden.
2. Veränderung potenzieller Verbreitungsgebiete
Potenzielle Verbreitungsgebiete einer Art sind abhängig von Umweltbedingungen und demnach maßgeblich von der Klimakrise betroffen. Temperaturanstieg, veränderte Niederschlagsmuster und Extremwetterereignisse ändern die biotischen (z.B. spezifische Vegetationsformen) und abiotischen (z.B. Bodenfeuchte und -temperatur) Eigenschaften eines Gebiets, was die Fähigkeit einer Art zum Überleben bzw. zur Fortpflanzung beeinflusst. Zuvor geeignete Areale können plötzlich nicht mehr den Lebensraumansprüchen einer Art genügen, oder es werden umgekehrt zuvor ungeignete Gebiete zu neuen Arealen.
Im Zuge der Erderwärmung verlagern sich die Klimazonen in den mittleren und höheren Breitengraden polwärts; in höheren Lagen nach oben. So verschieben sich die Vegetationszonen im Gebirge pro Grad Temperaturanstieg um 200 Höhenmeter Richtung Gipfel. Da die Areale vieler Tier- und Pflanzenarten den Klimazonen folgen, finden die Verluste tendenziell an den südlichen bzw. tiefergelegenen Rändern der Gebiete statt, während im Norden bzw. in der Höhe Zugewinne möglich sind. Zugvögel und andere wandernde Tierarten sind ein Sonderfall: Sie sind neben intakten Lebensräumen in der Heimat auch auf gleichbleibende Bedingungen in Brut-, Rast- und Überwinterungsgebieten angewiesen. Finden dort klimabedingt Veränderungen statt, wie der Verlust von Feuchtgebieten in Spanien oder die Ausbreitung der Wüste in Nordafrika, sind ein längerer Zugweg und Bestandsabnahmen mögliche Folgen.
3. Veränderung der Artenzusammensetzung und Neobiota
Die Veränderung von Verbreitungsgebieten führt dazu, dass sich Areale verschiedener Arten zukünftig überlappen könnten und neue Konkurrenzverhältnisse und Wechselbeziehungen in den Artengemeinschaften erzeugen. Da das Beziehungsgefüge zwischen Arten meist sehr komplex ist, kann man die Folgen für einzelne Arten nur schwer vorhersagen. Ein Trend zeichnet sich jedoch bereits ab: Neobiota, also Tier-, Pflanzen- oder Pilzarten, die vom Menschen unbewusst oder absichtlich in einen Lebensraum ausgebracht wurden, in dem sie zuvor nicht waren, können von der Erderwärmung profitieren. Invasive Neobiota verursachen schon ohne Klimakrise große Schäden: Manche schleppen Krankheitserreger in das von ihnen neu besiedelte Gebiet ein, andere sind Fressfeinde für die Tiere und Pflanzen, auf die sie treffen. Sie gelten daher als eine der Hauptursachen für den Verlust der biologischen Vielfalt.
Zudem verursachen gebietsfremde Arten erhebliche ökonomische Schäden und können auch die menschliche Gesundheit gefährden. Da erfolgreiche Neobiota zumeist eine ausgeprägte Fähigkeit zur Anpassung an Umweltveränderungen besitzen, sind sie hinsichtlich neuen klimatischen Bedingungen häufig toleranter als heimische Arten. Weil die meisten in Deutschland vorkommenden terrestrischen Neobiota zudem wärmeliebend sind, haben sie auf längere Sicht einen weiteren Konkurrenzvorteil. Die Klimakrise verstärkt also die ohnehin große Bedrohung durch invasive Arten.
4. Folgen für Lebensräume
Parallel zu den Verbreitungsgebieten von Arten werden Lebensräume durch die Klimakrise verändert, allerdings ist der Erkenntnisstand zu Klimafolgen für Lebensräume noch unbefriedigend. Es ist zwar abzusehen, dass alle Lebensräume in Deutschland durch die Klimakrise beeinflusst werden; Art und Grad des Effekts werden jedoch lebensraum-spezifisch stark variieren. Vor allem langsam entstehende Lebensräume wie Moore oder altholzreiche Wälder, die auf relativ stabile Umweltbedingungen angewiesen sind, sind stark betroffen. Bei Mooren und anderen wassergebundenen Biotopen verstärkt die Sensitivität gegenüber Trockenheit die Verletzlichkeit. Lebensräume in den Alpen, vor allem oberhalb der Waldgrenze, sind ebenfalls stark gefährdet, weil die Erderwärmung sich hier besonders schnell vollzieht. Ein Spezialfall sind Küstenbiotope, die einer besonderen Bedrohung aussetzt sind: dem steigenden Meeresspiegel.
Die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) der EU sieht einen hohen Schutz für Lebensräume von gemeinschaftlicher Bedeutung vor. Diese Lebensraumtypen (LRT) sind im Anhang der Richtlinie aufgelistet und in weiteren Vorgaben des Bundesamts für Naturschutz bzw. der EU-Kommission näher definiert. Eine Studie verdeutlicht, wie empfindlich die FFH-LRT gegenüber der Klimakrise sind: Von den 91 in Deutschland vorkommenden LRT wird rund ein Viertel als besonders verletzlich eingestuft – dazu gehören verschiedene Moor-LRT wie Hoch- und Übergangsmoore, aber auch Schlucht- und Hangmischwälder. Rund ein Drittel der LRT weist eine mittlere Vulnerabilität auf.
Insgesamt hat die Klimakrise immense Auswirkungen auf Arten und Lebensräume. Für die nächsten Jahrzehnte stuft der Weltbiodiversitätsrat sie als am stärksten wachsende Bedrohung der biologischen Vielfalt ein. Bedenken sollte man dabei, dass die Klimakrise nicht isoliert zu betrachten ist, sondern einen zusätzlichen Stressfaktor neben weiteren menschengemachten Belastungen darstellt. Für viele Lebensräume und Arten ist die Situation schon ohne Klimakrise kritisch; die anhaltende Ausbeutung von natürlichen Ressourcen, die Zerschneidung und Entwässerung der Landschaft sowie Nährstoff- und Pestizideinträge gefährden ihren Fortbestand. Aufgrund der Übernutzung durch den Menschen sind viele Ökosysteme in ihrer Anpassungsfähigkeit geschwächt. Umgekehrt nimmt die Verletzlichkeit der Ökosysteme in Bezug auf nicht-klimatische Faktoren durch die Klimakrise zu.
NABU-Empfehlungen
Wie kann die Klimaanpassung von Ökosystemen und damit der Erhalt von Lebensräumen und Arten in Deutschland gelingen?
- Die Aufnahme einer Gemeinschaftsaufgabe für Biodiversität und Renaturierung ins Grundgesetz, um unser Schutzgebietsnetzwerk ausreichend zu finanzieren.
- Einen Renaturierungsplan für Deutschland, der Ökosystemleistungen und Artenvielfalt auf mindestens 15 Prozent der Landes- und Meeresfläche wiederherstellt. Mindestens ein Viertel der Projekte muss bis 2025 umgesetzt werden.
- Einen nationalen Renaturierungsfonds von jährlich 500 Millionen Euro.
- Eine Bund-Länder-Initiative für mehr Wirksamkeit von Schutzgebieten, inklusive einer Investitionsoffensive zur Entwicklung und Stärkung von Erhaltungszielen und -strategien, vor allem für Natura-2000-, Großschutz- und Naturschutzgebiete.
- Mehr nationales Naturerbe: Die Bundesregierung muss auf eine weitere Privatisie-rung von Bundesflächen im ländlichen Raum dauerhaft verzichten. Diese Flächen sind im Interesse der biologischen Vielfalt und der regionalen Wertschöpfung etwa als Trittsteine im nationalen Biotopverbund zur Verfügung zu stellen.
- Die Entwicklung, Finanzierung und Evaluierung nationaler Artenhilfsprogramme, auch für besonders von der Klimakrise betroffene Arten.
2. Wald und Forst
Wälder gehören neben Mooren zu den wichtigsten Kohlenstoffsenken und leisten damit einen erheblichen Beitrag zur Eindämmung der Klimakrise. Zudem tragen sie als Wasserreservoirs und natürliche Kühlschränke zu einer Pufferung von Klimafolgen bei. Gleichzeitig wirken sich alle wesentlichen Komponenten der Klimakrise (Temperaturanstieg, Hitzeextreme, Wasserknappheit) auf die Bäume aus. Allein der Temperaturanstieg hat weitreichende Folgen: So können Hitzeextreme etwa zu einer höheren Sterblichkeit junger Bäumen beitragen und auch bei älteren Exemplaren zu Gewebeschäden führen. Indirekt sorgt er für die weitere Ausbreitung wärmeliebende Schädlinge, wie dem Borkenkäfer, Trockenheit und Waldbrandgefahr.
Problematisch ist, dass es in Deutschland kaum noch naturbelassenen Wald gibt. Monokulturen, die besonders anfällig gegenüber den Folgen der Erderhitzung sind, sind dagegen weit verbreitet. Deutlich resilienter und zudem für die gesellschaftliche Klimaanpassung zentral sind intakte, naturnahe Waldökosysteme. Sie stellen Trinkwasser bereit, können Hochwasser abschwächen und kühlen die Umgebungsluft. Gleichzeitig schützen sie als Treibhausgassenken das Klima: 2018 nahmen Wälder in Deutschland ca. 57 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent auf, fast so viel wie im selben Zeitraum in der Landwirtschaft emittiert wurde.
Solche Ökosystemleistungen müssen gezielt erhalten und gefördert werden, um ihren Beitrag zu Anpassung und Klimaschutz trotz zunehmender Klimafolgen voll auszuschöpfen. Umgekehrt ist zu vermeiden, dass Wälder bzw. Forste durch die Klimakrise zu Treibhausgasquellen werden – denn steigende Bodentemperaturen führen tendenziell zu höheren Emissionsraten, obgleich auch der Feuchtigkeitsgehalt des Bodens eine Rolle spielt.
NABU-Empfehlungen
Was ist nötig, um den Lebensraum Wald trotz Klimakrise zu schützen und Ökosystemleistungen wie Kohlenstoffbindung und Wasserspeicherung zu erhalten?
- Eine Novellierung des Bundeswaldgesetzes: Natürliche Waldstrukturen mit Fokus auf heimischen Laubbäumen müssen gefördert, naturferne Nadelforste umgebaut, Entwässerungen zurückgebaut, und die Befahrung auf ein Minimum reduziert werden. Die Bundesregierung muss Förderprogramme entsprechend anpassen.
- Ein langfristig angelegtes Finanzierungsmodell zur Honorierung von Naturschutzleistungen im Privatwald: Mit monetären Anreizen kann die Förderung natürlicher Prozesse und Strukturen wie die Erhöhung von Altbaumanteilen gelingen.
- Den weitgehenden Verzicht auf die Nutzung nicht standortheimischer Arten: Bei Maßnahmen zur Wiederbewaldung in Schutzgebieten sind ausschließlich lebens-raumtypische Gehölzarten zu verwenden, außerhalb von Schutzgebieten muss sich die Förderung auf die Pflanzung europäischer Baumarten beschränken.
- Mindestens zehn Prozent Naturwald ohne jegliche Nutzung durch den Menschen, auch als Referenzflächen für eine menschlich unbeeinflusste Waldentwicklung.
- Einen maximalen Einschlag von 30 Prozent des Holzvorrats pro Dekade in Forsten.
3. Wasser
Wasser ist die Grundlage allen Lebens, von Trinkwasserversorgung und Landwirtschaft über Ökosysteme wie Flüsse, Seen und Feuchtgebiete bis hin zu Energieerzeugung und Transport. Dabei kommt es sowohl auf Quantität als auch auf Qualität an. Ist nicht genug da, trocknen Gewässer und Moore aus, laufen Schiffe auf Grund, fehlt Kraftwerken Kühlflüssigkeit. Stimmt die Qualität nicht, drohen Krankheiten und negative Folgen für Ökosysteme. Die Klimakrise ist hier nur ein Faktor von vielen.
In Deutschland fallen pro Jahr ungefähr 307 Kubikkilometer Niederschlag. Ein Großteil verdunstet wieder (BMBF, 2014). Im langjährigen Mittel verbleiben rund 117 Kubikkilometer im Gebiet der Bundesrepublik. Die Wasserressourcen sind dabei relativ ungleich verteilt; Niederschlagsmenge und Verdunstung unterscheiden sich teilweise stark von Region zu Region. So liegen die Abflüsse in den Alpen bei ca. 2000 Millimeter pro Jahr, während in Teilen der östlichen Bundesländer jährlich unter 50 Millimeter abfließen (Hirschfeld, 2015). Massiv verschärft wird diese Diskrepanz durch Landnutzung: Allein in Brandenburg befinden sich mehr als 23.000 Kilometer Entwässerungsgräben; über 80 Prozent der dortigen Fließgewässer sind auf die Drainage der Landschaft ausgelegt (LfU Brandenburg, 2004). Hinzu kommt die Entnahme aus Grund- oder Oberflächenwasser: 2016 wurden ca. 24 Milliarden Kubikmeter Wasser für öffentliche Wasserversorgung, Landwirtschaft, Bergbau, Gewerbe sowie Energieversorgung entnommen; mehr als die Hälfte entfiel auf die Energiewirtschaft (UBA, 2020b).
Zu viel, zu wenig, zu warm: Landschaftswasserhaushalt in der Klimakrise
Die Ausgangssituation von Süßwasserökosystemen in Deutschland ist also kritisch; der Wasserhaushalt in vielen Gegenden durch Menschen aus dem Gleichgewicht gebracht. Die Klimakrise tritt nun als verschärfender Faktor hinzu.
Zu wenig Wasser
Eine direkte Folge der Erderhitzung ist ihr Einfluss auf die klimatische Wasserbilanz, die sich aus der Differenz von Niederschlag und potenzieller Verdunstung ergibt. Mit steigenden Temperaturen wächst auch die Rate der potenziellen Verdunstung, sodass diese immer öfter den Niederschlag übertrifft.
Wie schützen wir die Biodiversität in Gewässern und Feuchtgebieten und bewahren gleichzeitig Ökosystemleistungen wie Wasserspeicherung, Hochwasserschutz und Kohlenstoffbindung in der Klimakrise?
- Ein raumordnerisches Entwicklungsziel in Auen: Alle rezenten Auen und die stark hochwassergefährdeten Teile der historischen Aue sollten als Vorranggebiete für Hochwasser-, Trinkwasser- und Naturschutz sowie Erholung ausgewiesen werden.
- Deichrückverlegungen für Hochwasser- und Naturschutz: Die Anstrengungen bzgl. Deichrückverlegungen als Teil des natürlichen Wasserrückhalts in der Fläche müs-sen verstärkt, das Potenzial für besonders geeignete Bereiche ermittelt werden.
- Die Verbesserung des Wasserrückhalts in Hochwasserentstehungsgebieten: Dies beinhaltet die Entfernung von Rohren und Gräben in den Quellgebieten; die Ver-besserung des natürlichen Rückhalts durch Gehölzpflanzungen; das Verschließen von Entwässerungsgräben im Wald und in der Feld- und Wiesenflur sowie die all-mähliche Anpassung der Bewirtschaftung an die natürlichen Standortverhältnisse.
- Einen Stopp von Nutzungsintensivierungen in Flüssen und Auen und ein Beenden schädigender Nutzungen: Auf Auenstandorten sollte nur noch eine extensive Grünlandnutzung erfolgen; andere Nutzungen, wie Acker oder Intensivgrünland, sind auszuschließen.
- Weitere wasserbezogene Empfehlungen finden sich in Kapiteln III.4. und 6.
4. Landwirtschaft
NABU-Empfehlungen
Wie passen wir die Landwirtschaft an die Klimafolgen an, unter Berücksichtigung der Wechselwirkungen mit Ökosystemen und Klima?
- Die Renaturierung von Mooren: Renaturierung von organischen Böden durch Auf-lassen oder Rückbau von Entwässerungsgräben sowie Aufgabe oder Anpassung der Bewirtschaftung an die natürlichen Standortverhältnisse, z.B. durch Paludikultur. Agrar-Förderprogramme müssen an die Anforderungen des Hochwasserschutzes und des natürlichen Wasserrückhalts angepasst werden.
- Die Erarbeitung und Umsetzung einer umfassenden Moorschutzstrategie: Diese sollte neue Finanzierungsinstrumente (Fonds, CO2-Abgabe) zur Wiederherstellung von Mooren und Förderung von Paludikultur einschließen. Die Renaturierung von Mooren bedarf eines aktiven Flächenmanagements (u.a. Flurneuordnung).
- Einen Stopp der Förderung von Maßnahmen, die die Resilienz und Biodiversität von Agrar-Ökosystemen weiter schwächen: Beispiele sind die Bewässerung in Ge-bieten, die heute schon unter sinkenden Grund- und Oberflächenwasserspiegeln leiden, oder Versicherungslösungen, die keinen Anreiz zum Umsteuern liefern.
- Die Erhöhung der Biodiversität auf der Fläche: Eine höhere Artenausstattung führt zur Stabilisierung von Ökosystemen und macht diese weniger anfällig für Extrem-ereignisse und Schädlinge. Dafür braucht es mindestens 10 Prozent naturnahe Flä-chen pro Betrieb.
- Die Erstellung einer nachhaltigen Düngegesetzgebung zur Vermeidung von Nährstoffauswaschung und Emissionen: Die Düngung muss standort- und kulturarten-spezifisch erfolgen und darf keine pauschalen Stickstoffüberschüsse erlauben.
- Die Erhöhung des Bodenhumusgehalts: Eine vielfältige Fruchtfolge, der Verbleib von organischen Reststoffen auf dem Feld, eine ganzjährige Bodenbedeckung durch Wildkräuter oder Zwischenfrüchte tragen zum Humusaufbau bei.
- Die Etablierung einer verbreiteten, mindestens fünf-gliedrigen Fruchtfolge im Ackerbau: Eine Fruchtfolge aus Sommerungen und Winterungen, Blatt-und Halm-früchten, Zwischenfrüchten, Untersaaten und mehrjährigen Kulturen.
5. Küste und Meer
NABU-Empfehlungen
Wie passen wir Küstenregionen naturverträglich an den steigenden Meeresspiegel an, erhalten so Kohlenstoffsenken und lassen Habitate – auch als Ersatzlebensräume – entstehen?
- Die Förderung von ökosystembasiertem Küstenschutz und dessen vorzugsweise Anwendung in schwach besiedelten Gebieten. Dies beinhaltet unter anderem die Rückverlegung bzw. Öffnung von Deichen, sodass Ökosysteme wie Salzwiesen und Küstenmoore mit dem Meeresspiegel mitwachsen können.
- Pilotstudien und -projekte zur aktiven Wiederherstellung klima- sowie küsten-schutzrelevanter Biotope wie Salzwiesen, Salzgrünländer, Seegraswiesen sowie ge-ogener und biogener Riffe.
- Eine marine Komponente eines bundesweit einzurichtenden Renaturierungsfonds von mindestens 50 Millionen Euro jährlich.
- Das Ende der Degradierung von Flüssen wie Elbe, Ems und Weser durch einen sofortigen Stopp und Rückbau der Vertiefung und Begradigung sowie einen konse-quenten Schutz der Ästuare.
Wie reduzieren wir anthropogene Belastungen mariner Ökosysteme und tragen so zu einer höheren Resilienz gegenüber klimabedingten Folgen bei?
- Mindestens 50 Prozent der deutschen Meeresschutzgebiete der Nord- und Ostsee müssen frei von menschlicher Nutzung sein.
- Die Reduktion anthropogener Belastungen in der deutschen Nord- und Ostsee zur Erreichung des guten Umweltzustands nach EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie mithilfe einer marinen Raumordnung, die streng am Ökosystemansatz und den ökologischen Belastungsgrenzen ausgerichtet ist.
6. Städte und Siedlungen
NABU-Empfehlungen
Wie gestalten wir Städte und Siedlungen zukunftstauglich, also klimafreundlich und -angepasst und schützen dauerhaft die Lebensräume und Nahrungsquellen von Tieren und Pflanzen?
- Die Schaffung von platzsparenden Wohnangeboten: Dazu zählen unter anderem gemeinschaftliche Wohnformen sowie Angebote zum selbstbestimmten Wohnen für Single-Senioren aus Einfamilienhäusern in ihrem angestammten Wohnumfeld, ergänzt durch Wohnungstauschbörsen und zugeschnittene Mobilitätskonzepte.
- Eine angepasste Landschaftsplanung: Die Länder müssen Bewertungsmethoden und Mindestinhalte für eine qualifizierte und weitgehend einheitliche Umsetzung der Landschaftsplanung und naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung entwickeln. Dabei müssen Kriterien wie landschaftliche Weite und unzerschnittene Räume bzw. Verinselung oder Zerschneidung stärker in die Bewertung einfließen.
- Mehr Raum für die Natur: Im Sinne der „doppelten Innenentwicklung“ müssen der Erhalt und die Entwicklung innerörtlicher Naturräume bei gleichzeitiger baulicher Nachverdichtung gefördert werden. Dies gelingt z.B. durch Freiflächensatzungen, in denen die Erhaltung privater Freiflächen und Begrünungsmaßnahmen geregelt sind.
- Eine Förderung grün-blauer Infrastruktur: Für grün-blaue Infrastruktur, also für Biotopverbund- und Klimaanpassungsmaßnahmen, Gewässerrenaturierungen und Naturerfahrungsräume etc., sind verbindliche Maßstäbe aufzustellen, wie es sie für die „graue Infrastruktur“, also bspw. für Straßen und Radwege schon lange gibt. Alle Städte und Gemeinden müssen eine Baumschutzsatzung für den gesamten Siedlungsbereich erlassen und regionalisierte Pflanzlisten mit empfehlenswerten, möglichst standortheimischen Arten herausgeben.
- Eine effizientere Nutzung von Flächen: Flächennutzungspläne sollten durch Land-schaftspläne ergänzt werden, die verbindliche Vorgaben für Flächennutzungen in Bebauungsplänen festlegen. Die Einführung gemeindlicher Baulücken-, Leerstands- und Nutzflächenkataster muss verpflichtend sein.
- Die Umsetzung der Idee der „Schwammstadt“: Damit Wasser bei Starkregen nicht zu Sturzfluten und Überschwemmungen führt, müssen große Flächen entsiegelt und begrünt oder alternativ mit durchlässigen Materialien ausgestattet werden. Vorhandene Grün- bzw. Freiflächen sollten vor Versiegelung geschützt werden.
- Eine Förderung der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung: Durch Anpassung rechtlicher Regelungen und finanzielle Anreize muss die dezentrale Regenwasser-bewirtschaftung gefördert werden. So sollte flächendeckend eine nach Niederschlags- und Schmutzwasser gesplittete Abwassergebühr eingeführt werden. Der Anschlusszwang an die Kanalisation muss bei Regenentwässerung mit akzeptierten Mitteln aufgehoben bzw. die entsprechenden kommunalen Satzungen an Landesrecht angeglichen werden.
- Die Abschaffung steuerlicher Fehlanreize und schädlicher Subventionen sowie eine zukunftsweisende Umgestaltung des Baurechts: Entsprechend sind die Aussetzung der Kompensationsverpflichtung und das beschleunigte Bebauungsplanverfahren für Außenbereichsflächen gemäß § 13a bzw. 13b BauGB zu streichen.
- Eine Förderung der „Stadt der kurzen Wege“: Ein Attraktives Angebot von Fuß- und Radwegen sowie öffentlichem Nahverkehr; Schaffung gemischt-genutzter Quartiere mit großzügigen, schnell erreichbaren Grün- und Freizeitflächen.
- Einen angepassten Gebäudebestand: Die öffentliche Hand sollte dabei als Vorbild vorangehen und ihre Gebäude bzw. Gelände nachhaltig und klimaangepasst (um-) gestalten. Auch sollte ein Sanierungsprogramm für Kommunalverwaltungen, Wohnungsunternehmen und Betriebe aufgelegt werden: Zu fördern ist etwa die energetische Sanierung von Gebäuden, die Begrünung von Dächern oder Fassaden und die Installation von Photovoltaik- oder solarthermischen Anlagen auf Dächern. Die Freigabe für Sanierungsarbeiten sollte nur mittels Nachweispflicht für die Überprüfung und Durchführung auf artenschutzrechtliche Erfordernisse erfolgen.