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Europäische Umweltperspektiven nach dem Brexit
Im Naturschutz hat internationale Zusammenarbeit eine lange Tradition. Als im Jahr 1910 der Internationale Ornithologische Kongress in Berlin stattfand, fassten die Pioniere des Naturschutzes den Entschluss, weltweit alle Länder mit Vogelschutzorganisationen unter einem Dach zusammenzubringen. Daraus erwuchs der International Council for Bird Preservation (Internationaler Rat für Vogelschutz), die Vorgängerorganisation von BirdLife International.
Die politischen Rahmenbedingungen ab 1950 ermöglichten es den Naturschützern in Europa, ihre lang gehegte Vision eines paneuropäischen Schutzgebietsnetzwerks in die Realität umzusetzen. Heute ist das europaweite Natura-2000-Programm, das auf Grundlage der Naturschutzrichtlinien geschaffen wurde, mit 27.000 Schutzgebieten in 28 Ländern und einer Million Quadratkilometern das weltweit größte und am umfassendsten geschützte Netzwerk seiner Art.
Gemeinsame Erfolge
Erst kürzlich haben wir gemeinsam erfolgreich verhindert, dass die Naturschutzrichtlinien im Zuge eines sogenannten „Fitness Checks“ durch die Europäische Kommission aufgeweicht werden. Diese #NatureAlert-Kampagne war ein großartiger Erfolg, aber Europas reiches und vielfältiges Naturerbe bleibt weiterhin bedroht. Lediglich 23 Prozent der Arten und 16 Prozent der Lebensräume, die im Sinne der Naturschutzrichtlinien von besonderer Bedeutung sind, befinden sich in einem guten Zustand.
Die Ursache dieses Naturverlusts ist simpel. Entscheidungsträger müssen der Natur mehr Priorität einräumen. Vom Umweltkollaps gehen die größten Risiken aus, denen die Menschheit und unsere gemeinsame Heimat heute ausgesetzt sind. Wir sind dabei, die natürlichen Grenzen unseres Planeten zu überschreiten. Zur Lösung dieses Dilemmas brauchen wir eine sehr viel intensivere internationale Zusammenarbeit zwischen Regierungen – und einen Politikwechsel.
Enge Beziehung zur EU muss bleiben
Das Vereinigte Königreich ist ein küstennahes Archipel am Rande des europäischen Kontinents. Das wird sich nicht ändern, und für die Zukunft des Naturschutzes und unserer Umwelt spielt das künftige Verhältnis zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union eine ausschlaggebende Rolle.
Eine kürzlich veröffentlichte Analyse des Instituts für Europäische Umweltpolitik (IEEP) zu den umweltpolitischen Chancen und Risiken des Brexit kam zu dem Ergebnis, dass eine engere Beziehung zur EU wahrscheinlich die Risiken für den Umweltschutz senken würde.
Um die bisherigen Rollen der Europäischen Kommission und des Europäischen Gerichtshofs nach einem EU-Austritt ersetzen zu können, wird der Naturschutz im Vereinigten Königreich auf starke neue Umweltbehörden angewiesen sein, ebenso auf die Fähigkeit der Zivilgesellschaft, Entscheidungen zu hinterfragen. In allen vier Ländern des Königreichs müssen gesetzliche Maßnahmen entsprechend aufeinander abgestimmt werden, um auch weiterhin die Einheitlichkeit von Standards sowohl innerhalb des Königreichs als auch im Zusammenspiel mit der EU zu gewährleisten.
Globale Kooperationen werden initiiert
Andere Analysen legen nahe, dass die künftige Handelspolitik des Vereinten Königreichs den Druck erhöhen könnte, Umweltstandards zu senken. Unterdessen wird im Rest der EU weiter über „bürokratische Lasten“ und „Übererfüllung“ von EU-Vorgaben debattiert, manche Mitgliedsstaaten – darunter Deutschland – versuchen, eine Deregulierung durchzusetzen.
Diese Konstellation könnte einen Unterbietungswettbewerb zulasten unserer Natur auslösen. Das bedeutet, dass der Ausgang der Europawahl Auswirkungen auf den Naturschutz im Vereinigten Königreich hat, und dass die konkrete Ausgestaltung des Brexit Auswirkungen auf den Rest der EU haben wird. Die kommenden Monate werden ausschlaggebend sein.
Wie auch immer das politische Ergebnis ausfällt: Wir werden uns für eine enge Zusammenarbeit mit der EU und für zukünftige Beziehungen einsetzen, die gegenseitige Verpflichtungen im Hinblick auf Umweltstandards und den Schutz von Arten und Lebensräumen beinhalten. Durch BirdLife International wirken wir weiterhin in Partnerschaften in Europa und anderen Regionen.
Gemeinsame Werte werden bleiben
Damals, beim Berliner Ornithologischen Kongress im Jahr 1910, wurde eine gemeinsame internationale Schutzkampagne ins Leben gerufen, angeführt von Großbritannien, Deutschland und den Vereinigten Staaten, um den massiven internationalen Handel mit Vogelfedern für die Modeindustrie zu stoppen – eine Herausforderung, die nur bewältigt werden konnte, indem europäische Regierungen zur Zusammenarbeit gedrängt wurden. Die Gesetze, die daraufhin eingeführt wurden, haben dieser enormen Bedrohung für gefährdete Vogelpopulationen ein Ende gesetzt.
Der Naturschutz ist also international tief verwurzelt, wobei die gemeinsamen Wurzeln des NABU und des RSPB zu den kräftigsten zählen. Und diese tiefen Wurzeln lassen die Triebe der Hoffnung auf ewig sprießen. Ungeachtet der politischen Ereignisse, die die kommenden Monate und Jahre für uns bereit halten, werden unsere gemeinsamen Werte und unser Engagement für die Natur weiter wachsen, gestärkt durch unsere anhaltenden Erfolge.
Mike Clarke
Mike Clarke ist Geschäftsführer der britischen Royal Society for the Protection of Birds (RSPB), des mitgliederstärksten Naturschutzverbands in Europa. RSPB ist das britische Mitglied im weltweiten Netzwerk von BirdLife International, dem auch der NABU angehört. Mike Clarke ist zudem Präsidiumsmitglied von BirdLife International sowie aktiver Vertreter von Umweltinteressen in wichtigen Gremien der Europäischen Kommission.
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