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Ein Ausblick auf die Europawahl
Wenn am 26. Mai abends die Wahllokale schließen, dann haben sich rund 400 Millionen wahlberechtigte Europäerinnen und Europäer entschieden. Entweder für eine der zur Wahl stehenden Parteien – oder aber dafür, zu Hause zu bleiben.
In den letzten Jahrzehnten ist die Wahlbeteiligung im EU-Durchschnitt kontinuierlich von 62 Prozent (1979) auf 43 Prozent (2014) gefallen. Deutschland lag beim letzten Mal mit 48 Prozent nur wenig über dem Mittelwert. Fand also über die Hälfte aller Wahlberechtigten keine Partei, der sie ihre Stimme anvertrauen wollten? Vermutlich liegt der Grund eher im Desinteresse. Die überragende Bedeutung der EU-Politik für unser alltägliches Leben ist nach wie vor vielen nicht bewusst.
Nationalismus und Leugnen des Klimawandels Hand in Hand
Doch gerade bei der jetzt anstehenden Wahl steht viel auf dem Spiel. Die Umfragen zeigen, dass in vielen Ländern rechtspopulistische Parteien auf dem Weg sind, massive Stimmengewinne einzufahren. Meist sind das die Parteien, die sich gegen ein Zusammenwachsen der EU-Staaten ebenso stellen wie gegen gemeinsame Umweltstandards. Viele leugnen sogar die Klimakrise. Wenn es den Nationalisten gelingt, ihre Anhänger zu mobilisieren, den Freunden eines geeinten umweltfreundlichen Europas aber nicht, dann wären das sehr schlechte Nachrichten für die Natur.
Was kann schon passieren, wenn das Europäische Parlament in die falschen Hände gerät? Eine ganze Menge. Denn unsere Europaabgeordneten haben inzwischen einen erheblichen Einfluss, wie die folgenden Beispiele zeigen:
Emanzipation des Parlaments auch in Umweltfragen
Das Europäische Parlament entscheidet inzwischen über fast alle wichtigen EU-Gesetze gleichberechtigt mit, darunter eine Fülle, die den Bereich Umwelt- und Naturschutz betreffen. Ob bei der Ausweisung von Schutzgebieten, bei der Zulassung von Pestiziden oder anderen Chemikalien oder auch bei der Festlegung von Grenzwerten für Luft und Grundwasser – auf all das hat das Europäische Parlament einen großen Einfluss.
Immer mehr Attacken auf Umweltschützer
Ob in China, der Türkei oder Brasilien – weltweit macht die Verfolgung von Umweltschützern Schlagzeilen. Allein im Jahr 2017 sind mehr als 200 Menschen aufgrund ihres Engagements für Natur und Klima sogar ermordet worden. In der EU haben wir die Freiheit, uns zu organisieren, zu demonstrieren, unsere Rechte einzuklagen und vor allem unsere Meinung frei zu äußern. Noch? In Mitgliedstaaten wie zum Beispiel Polen und Ungarn ist das bekanntermaßen schon nicht mehr selbstverständlich, NGO werden dort systematisch in ihrer Arbeit behindert.
Je größer die Geschäftsinteressen und je schlechter die Nachrichten, die Umweltverbände über den Zustand des Planeten überbringen, desto mehr Angriffe gibt es auf sie. Inzwischen attackieren auch deutsche Politikerinnen und Politiker aus etablierten Volksparteien die Gemeinnützigkeit einiger Organisationen oder das Recht der Verbandsklage. Bislang garantieren zum Glück internationale Konventionen und die Grundregeln der EU eine freie vielfältige Zivilgesellschaft, unabhängig von der jeweiligen nationalen Regierung.
Die EU gibt zudem vielen kleinen NGOs lebenswichtige Finanzhilfen, zum Beispiel in Form von LIFE-Naturschutzprojekten. Ohne diese können viele Nichtregierungsorganisationen nicht überleben. Bei der Europawahl wird sich entscheiden, ob das so bleibt. Wird die EU weiter zusammenwachsen als ein Raum von Kooperation, Meinungsfreiheit und -vielfalt?
Ohne die EU hätten weder die letzten Urwälder Polens vor der Abholzung noch unsere Zugvögel vor dem Abschuss über Malta gerettet werden können. Und auch in Deutschland würde sich kaum etwas tun für bessere Luft in Städten, weniger Gülle im Boden und sichere Brutplätze für den Seeadler. Diese Errungenschaften stehen bei der nächsten Europawahl auf dem Spiel, denn in den Wahlprogrammen der EU-Gegner steht die Schwächung oder Abschaffung von Umweltstandards, sei es im Düngerecht, beim Schutz bedrohter Tierarten oder bei den Klagerechten von Naturschutzverbänden.
Gefahr der Blockade
Je besser eine Partei bei der Wahl abschneidet, desto häufiger bekommt sie die Berichterstattung für Gesetzesvorhaben oder stellt Ausschussvorsitzende. Vor wenigen Monaten gelang es dem britischen Europaabgeordneten John Stewart Agnew von der UKIP-Partei, Verhandler des Agrarausschusses für das EU-Umweltförderprogramm LIFE zu werden. Wäre er letztlich nicht vom federführenden Umweltausschuss überstimmt worden, hätte sich sein Vorschlag, sämtliche Gelder für Klimaschutzprojekte zu streichen, durchsetzen können. Ein Alarmsignal?
Keine festen Koalitionen
Die Bedeutung der einzelnen Abgeordneten ist im Europaparlament wesentlich größer als im Deutschen Bundestag und in den Landtagen. Es gibt in der EU nämlich bisher keine festen Regierungskoalitionen, die ihre Fraktionen zwingen würden, für oder gegen einen bestimmten Vorschlag zu stimmen. So wird von Fall zu Fall neu debattiert und entschieden.
Im Februar 2019 entschied der Umweltausschuss teilweise mit äußerst knappen, parteiübergreifenden Mehrheiten, dass die künftige EU-Agrarpolitik viel mehr Geld für den Schutz von Insekten und Vögeln bereitstellen soll. Ob dieser Beschluss auch im Plenum des Parlaments überlebt, wird sich nach der Wahl zeigen, denn die entscheidenden Verhandlungen zur Agrarpolitik starten erst im Herbst. Es lohnt sich also, mit seinen Abgeordneten ins Gespräch zu kommen, es kommt auf jeden einzelnen und jede einzelne an (Adressen unter www.umweltcheck-ep.de).
Straßburger und Brüsseler Entscheidungen mit weltweiten Folgen
Die Entscheidungen des Europaparlaments haben auch globale Bedeutung. Viele Gesetze für Umwelt- und Verbraucherschutz, die sich die EU selbst gibt, beeinflussen die Wirtschaft weltweit. Denn die EU ist der größte gemeinsame Wirtschaftsraum der Welt. Egal, ob es um Chemikalien oder Datenschutz geht, über kurz oder lang werden viele europäische Standards zum Maßstab auch außerhalb Europas.
Die riesige Lobbymaschinerie, die Konzerne aus aller Welt in Brüssel aufgebaut haben, zeigt eindrucksvoll, dass viel auf dem Spiel steht, wenn das EU-Parlament neue Gesetze erlässt. Am 26. Mai gilt also tatsächlich: Jede Stimme zählt. Und jede nicht abgegebene zählt vermutlich gegen die Umwelt.
Konstantin Kreiser
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