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Alles im Blick
Wie sieht die Arbeit der Ampel-Koalition aus, was entscheidet die EU, wie entwickeln sich Natur-, Klima- und Umweltschutz global? Unsere Expert*innen nehmen im NABU-Politikblog die Politik der Bundesregierung, in der EU und weltweit kritisch unter die Lupe, analysieren, kommentieren, beziehen Position.
Risiko für die Windenergie an Land
Die Umsetzung der REDIII-Richtlinie in Deutschland
7. Oktober 2024 – Ende September hat die EU-Kommission unter anderem gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, da eine Frist zur Umsetzung der neuen Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (REDIII) nicht eingehalten wurde. Es besteht die Möglichkeit, dass es zu einer Strafzahlung kommt, denn trotz des Ziels der Bundesregierung, die Richtlinie 1:1 umzusetzen, weichen die Inhalte des deutschen Gesetzesentwurfs deutlich von den EU-Vorgaben ab.
Schutz, Prüfung, Ermittlung: Deutschland weicht von EU-Vorgaben ab
Der Entwurf sieht vor, dass alle Gebiete, die bereits für Windenergie ausgewiesen sind oder noch werden, zu Beschleunigungsgebieten erklärt werden. In diesen Gebieten sollen Umweltprüfungen entfallen, ausgenommen sind lediglich bestimmte Schutzgebiete oder Gebiete mit landesweit bedeutenden Vorkommen windenergiesensibler Arten. Letztere Gebiete müssten jedoch in vielen Bundesländern erst noch von den bereits überlasteten Behörden ermittelt werden, oft basierend auf veralteten und unvollständigen Daten.
Zum Vergleich das Konzept der EU-Richtlinie: Hier erfolgt eine vorgelagerte Flächenermittlung über alle erneuerbaren Energieträger hinweg. Aus diesen Flächen werden nur Gebiete ausgewählt, bei denen keine erheblichen Umweltauswirkungen zu erwarten sind, was den Wegfall der Umweltprüfungen rechtfertigt. Nach einer Beteiligung der Öffentlichkeit wird die finale Festlegung der Beschleunigungsgebiete als Teil der benötigten Gesamtfläche bestimmt.
Brechstange als Planungswerkzeug
Anstatt eine sorgfältige Auswahl „unkritischer“ Gebiete zu treffen, in denen umfassende umweltrechtliche Erleichterungen bei der Genehmigung gerechtfertigt sein können, plant der deutsche Gesetzgeber mit der Brechstange möglichst viele Gebiete zu Beschleunigungsgebieten umzuwandeln. Dieses Vorgehen verlagert mögliche Konflikte ans Ende des Verfahrens und gefährdet sowohl die Planungssicherheit als auch die Akzeptanz – beides zentrale Faktoren für eine echte Beschleunigung. Die Verantwortung liegt nun bei den Parlamentarier*innen, entscheidende Verbesserungen am Gesetz vorzunehmen.
Rebekka Blessenohl, Referentin Referentin für erneuerbare Energien und Naturschutz
Klimafreundliche Zukunft
Warum Schifffahrt ohne Erdgas auskommen muss
31. Juli 2024 – Kosten, Naturzerstörung, Klimaschäden: Als Russland im Jahr 2022 die Ukraine überfiel und damit eine Energiekrise in Europa auslöste, warnten der NABU und viele andere Umweltverbände vor einem übereilten und unnötigen Ausbau der fossilen Infrastruktur.
Heute zeigt sich: Die Warnungen waren gerechtfertigt. Die in Rekordtempo aus dem Boden gestampften LNG-Terminals sind überflüssig, sie werden kaum gebraucht. Deswegen setzen sich der NABU und andere Verbände für eine Zukunft ohne diese fossile Energie ein, mit der Aktion „Beyond Methane Pledge“.
Was gerne vergessen wird: Das importierte Gas besteht zu einem überwiegenden Teil aus Methan. Ein Treibhausgas, das in einem Zeitraum von 20 Jahren rund 80 mal schädlicher für das Klima als CO₂. Die bisherige globale Erwärmung geht bereits zu rund einem Drittel auf Methanemissionen zurück – Tendenz steigend, wenn wir den Ausstoß nicht drosseln.
In den letzten Jahren liefen immer mehr Schiffe vom Stapel, die mit LNG angetrieben werden. Deswegen fordern der NABU und viele andere Verbände jetzt international eine Antriebswende in der Schifffahrt ohne LNG als Kraftstoff. Das verflüssigte Erdgas (LNG steht für Liquified Natural Gas) ist für keinen Sektor eine Brücke in eine klimafreundliche Zukunft, egal, ob es um die Strom- oder Wärmeerzeugung, Mobilität oder die Industrie geht.
Hier geht es zur Aktionsseite des „Beyond Methane Pledge“.
Hinzu kommt, dass die Förderung von Gas, insbesondere durch Fracking, Natur und Umwelt vor Ort massiv zerstört. Wird das Gas für den Transport zu LNG verflüssigt, kostet es zusätzlich sehr viel Energie. Und auch der Bau von Schiffen, Terminals und Pipelines verschwendet Milliarden, die beim Ausbau wirklich klimafreundlicher Technologie und Infrastruktur fehlen. Kurzum: die LNG-Infrastruktur ist eine massive Fehlinvestition, während das Geld für den klimafreundlichen Umbau unserer Wirtschaft fehlt. Der NABU engagiert sich deswegen in der weltweiten Kampagne „Say No To LNG“.
Denn wir dürfen in Zeiten der Klimakrise keine Technologie mehr akzeptieren, die enorme Mengen klimaschädliches Methan freisetzt. Investiert werden sollte in tatsächlich emissionsfreie Technologien, LNG leistet keinen Beitrag zur Dekarbonisierung.
Gemeinsam für einen LNG-Ausstieg bis 2030
Zusammen mit zahlreichen anderen Verbänden und Personen setzen wir uns ein:
- für einen LNG-Ausstieg bis 2030
- gegen Projekte, die die Nutzung von Methan und anderen fossilen Gasen fördern
- für eine Kommunikation, die die realen Klimaschäden von LNG verdeutlicht
- für den Aufbau eines weltweites Netzwerks gegen LNG
Weitere Informationen zur Kampagne und der Aktion: „Beyond Methane Pledge“.
Raija Koch und Sönke Diesener, Referent*inenn für Verkehrspolitik
Strategie für Deutschlands Kreislaufwirtschaft
Gute Ziele, die leider unkonkret bleiben
05. Juli 2024 - Das Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (BMUV) hat am 16. Juni nach einem Beteiligungsprozess einen Entwurf für eine nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) veröffentlicht. Diese soll die Ziele und Maßnahmen für ein zirkuläres Wirtschaften und Ressourcenschonung bündeln. Der Entwurf konnte kommentiert werden und das BMUV rechnet mit einem finalen Beschluss durch die Bundesregierung im Herbst 2024.
Gegenentwurf zur Steigerungslogik
Herzstück dieser Strategie ist, den Rohstoffverbrauch in Deutschland bis 2045 auf acht Tonnen pro Kopf und Jahr zu senken. Der NABU begrüßt dieses Ziel ausdrücklich, da es eine zentrale Aufgabe unserer Zeit ist, den Ressourcenverbrauch zu mindern. Zudem sollen der Einsatz recycelter Rohstoffe erhöht, die Recyclingkapazität gesteigert und Siedlungsabfälle verringert werden. Diese Ziele sind ambitioniert, aber ohne klare Indikatoren und Verantwortlichkeiten schwer durchsetzbar.
Die NKWS kann ihr volles Potenzial nur ausschöpfen, wenn die Ziele und Maßnahmen zügig in Gesetzen verankert und die notwendigen Instrumente etabliert werden. Alle Ministerien müssen Verantwortung für die Konkretisierung und Umsetzung der Strategie in ihrem Bereich übernehmen. Der Entwurf sieht eine Roadmap vor, die die Vorhaben mit Zeitplänen konkretisiert. Allerdings bleibt unklar, wann diese erstellt wird und wer dafür verantwortlich ist. Dabei würden Meilensteine eine höhere Verbindlichkeit schaffen. Es ist außerdem nicht dargelegt, wie das Aktionsprogramm „Zirkuläre Wirtschaft“ finanziert werden soll. Aus Sicht des NABU sollten steuerliche Instrumente und Systeme der Herstellerverantwortung genutzt werden, um Gelder für den Ausbau der Kreislaufwirtschaft bereitzustellen.
Recycling ist wichtig, aber nicht das Allheilmittel
Leider liegt der Fokus der vorgeschlagenen Maßnahmen hauptsächlich auf dem Recycling. Strategien wie Abfallvermeidung, Wiederverwendung und Reparatur, die leichter umsetzbar und ressourcenfreundlicher sind, werden größtenteils übersehen. Grundsätzlich begrüßt der NABU die Strategie, aber plädiert für eine schnelle Verabschiedung ohne Verwässerung der Ziele.
Anna Hanisch, Referentin für Kreislaufwirtschaft
Neue Emissionsstandards für Lkw und Busse in der EU
Klimaschutz in Tippelschritten
10. Juni 2024 - Nach der Entscheidung im letzten Jahr, ab 2035 in der EU keine Pkw mit Verbrennungsmotor neu zuzulassen, sind nun die großen Brüder an der Reihe: Die Emissionen neuer Lkw sollen bis 2030 um 45 Prozent, bis 2035 um 65 Prozent und bis 2040 um 90 Prozent gegenüber 2019 gesenkt werden. Neue Busse sollen ab 2035 CO₂-frei sein. Der NABU kritisiert, dass diese Maßnahmen nicht ausreichen, um das eigens gesteckte Ziel der EU zu erreichen, bis 2050 klimaneutral zu sein.
Mit E-Lkw lassen sich große Mengen an Emissionen einsparen
Schwere Nutzfahrzeuge machen etwa ein Viertel der Emissionen im deutschen Straßenverkehr aus, obwohl sie nur zwei Prozent der Fahrzeuge stellen. Im Vergleich zu den lauten Debatten um den Agardiesel, dessen Emissionen vergleichsweise gering sind, haben wir es bei Lkw-Verkehr mit einem echten Emissionsschwergewicht zu tun. Daher ist es so wichtig, in diesen Bereich stärkere Anstrengungen zu unternehmen und auf emissionsfreie Antriebe umzustellen.
Klar ist, dass der Güterverkehr nicht nur effizienter gestaltet werden, sondern wo möglich auch auf die Schiene verlagert werden muss. Dies ist jedoch ein langfristiger Prozess und viele kleinteilige Waren werden auch in Zukunft per Lkw transportiert - dann aber per E-Lkw. Deutsche und europäische Hersteller sind hier gut positioniert. Viele haben bereits angekündigt, früher als gefordert den Anteil der verkauften elektrische Nutzfahrzeuge erhöhen zu wollen. Mehrere E-Lkw-Modelle werden bereits jetzt in Serie produziert. Diese Entwicklungsleistung der Hersteller muss durch passende politische Rahmenbedingungen begleitet werden. Sonst droht, ähnlich wie bei E-Pkw, dass die zukünftigen Marktführer nicht mehr aus Europa kommen.
Schluss mit den Scheindebatten zu E-Fuels und Biokraftstoffen im Straßenverkehr
Der Hochlauf von E-Lkw muss über die beschlossenen Flottengrenzwerte hinaus beschleunigt werden. Politische Ablenkmanöver und Scheindebatten zu E-Fuels und Biokraftstoffen im Straßenverkehr müssen enden. Diese Kraftstoffe sind wesentlich energieintensiver in der Produktion, nicht ausreichend verfügbar und emittieren lokal gesundheitsschädliche Schadstoffe. Lkw mit Wasserstoff anzutreiben, ist ebenfalls kaum eine Lösung, da dieser in der Produktion sehr energieaufwändig ist. Der knappe Energieträger Wasserstoff wird in energieintensiven Industrien sowie in der Schifffahrt und Luftfahrt benötigt.
Der Fokus der kommenden Jahre muss auf dem Ausbau der öffentlichen Schnellladeinfrastruktur sowie des Depotladens bei Logistikern liegen. Kleine und mittlere Unternehmen benötigen bei der Umstellung auf E-Mobilität Unterstützung.
Fazit
Die neuen CO₂-Standards für schwere Nutzfahrzeuge sind ein Schritt in die richtige Richtung, aber sie sind nur ein Anfang. Um die Klimaziele der EU zu erreichen und den Verkehrssektor nachhaltig zu transformieren, müssen die jetzigen Vorgaben als Minimalanforderungen betrachtet und deutlich ambitionierter umgesetzt werden. Der schnelle Hochlauf von E-Lkw ist dabei unerlässlich. Gemeinsam können wir so einen bedeutenden Beitrag zum Klimaschutz leisten und eine nachhaltige Zukunft für den Verkehr und die Wirtschaft in Europa sichern.
Merlin Jonack, Referent für Verkehrspolitik
Bundestag beschließt Solarpaket
Ausbau der Solarenergie nimmt weiter Fahrt auf
03. Mai 2024 - Der Ausbau der Solarenergie in Deutschland wird mithilfe des neuen Solarpakets der Bundesregierung weiter vorangetrieben. Dringend notwendig noch in dieser Legislatur ist ein zweites Solarpaket, inklusive Solardachstandard und strengeren ökologischen Anforderungen an Solarparks.
Mehr Energiewende-Teilhabe mit Balkonmodulen möglich
Ab sofort wird es einfacher, bei der Energiewende mit Balkonmodulen mitzumischen. Privatleute können Balkonmodule im Set mit Wechselrichter und Hausanschluss ohne komplizierte Anmeldung betreiben. Eine Anmeldung beim Netzbetreiber entfällt. Damit entfallen Wartezeiten. Bereits ohne neue, digitale Stromzähler können Balkonmodule in Betrieb genommen werden. Der Eintrag in einer Datenbank der Bundesnetzagentur, dem Marktstammdatenregister, bleibt allerdings Pflicht.
Die älteren, analogen Stromzähler können sich dann bei genügend Sonne und sparsamen Stromverbräuchen rückwärts drehen und die Eigentümer der Module können direkt finanziell vom Solarstrom profitieren. Erfreulicherweise wird auch die maximal installierbare Leitung von Balkonmodulen auf bis zu von zuvor 600 Watt auf 800 angehoben.
Neu: Ökologische Mindestkriterien
Erstmalig gibt es einen naturschutzfachlichen Mindeststandard für neue Solarparks. Eine staatliche Förderung von Solarparks ist nur noch möglich, wenn drei von fünf im Solarpaket definierten Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität, z. B. eine schonende Flächenpflege mittels Mahd inklusive Abtransport des Mahdguts oder eine sukzessive Beweidung, umgesetzt werden.
Mit dem mehrfach angekündigten Solarpaket II muss aber noch in dieser Legislaturperiode nachgeschärft werden, damit mit der verpflichtenden Erfüllung aller Kriterien ein sehr spürbarer Effekt für Klima- UND Naturschutz in Solarparks eintritt. Außerdem steht noch immer der lange angekündigte Solar-Standard bei Neubau, Umbau und Sanierung für alle geeigneten Dachflächen und weitere versiegelte Flächen aus.
Flaute in Sachen Windenergie
Während das Solarpaket I erfreuliche Neuerungen für die Solarenergie bereithält, wurde dem rechtssicheren und beschleunigten Windenergieausbau über die eingebauten Artikel zu Windenergie an Land und auf See ein Bärendienst erwiesen, indem alle bereits ausgewiesenen Flächen automatisch zu Beschleunigungsflächen werden. Damit entfällt teils jegliche ökologische Bewertungsgrundlage auch auf naturschutzfachlich bedeutsamen Flächen, sodass der Genehmigungsprozess zum Blindflug wird.
Tina Mieritz, Senior-Referentin für Energie & Klima
Halbherziger Kampf gegen Verschwendung von Textilien und Lebensmitteln
EU-Parlament verabschiedet Position zur Abfallrahmenrichtlinie
04. April 2024 - Kurz vor der EU-Wahl hat das Parlament seine Position zur Überarbeitung der Abfallrahmenrichtlinie verabschiedet. Das Parlament verbessert zwar insgesamt den Kommissionsentwurf deutlich, geht aber nicht weit genug.
Lebensmittelverschwendung ambitioniert bekämpfen
Die EU hat ehrgeizige, aber noch unzureichende Ziele zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung bis 2030 vorgeschlagen. Sie bleiben trotz einer Verschärfung durch das Parlament hinter internationalen Verpflichtungen zurück.
Auch unzureichend ist, dass die Lebensmittelabfälle in der Landwirtschaft erst ab 2025 mit separaten Zielen adressiert werden sollen. Umweltverbände drängen auf ein Gesamtreduktionsziel von 50 Prozent bis 2030 und eine Erweiterung auf die gesamte Lieferkette. Aktuell werden Lebensmittel aufgrund unnötiger ästhetischer Standards verschwendet. Die Überarbeitung der Abfallrahmenrichtlinie berücksichtigt dies bisher nur spärlich.
Fast Fashion an den Kragen gehen
Hier hat die Position des Parlaments durchaus positive Aspekte: Die Herstellergebühren, mit denen die Behandlung der Alttextilien in Zukunft finanziert werden, sollen an Gewicht und Anzahl der Textilien gekoppelt werden. Damit geht das Parlament über den Vorschlag der Kommission hinaus.
Eine kluge Berechnung könnte erstmals Anreize für geringere Produktionszahlen setzen, Stichwort: Fast Fashion. Die Vorschriften sollten aber auch konsequent auf Online-Händler angewendet werden. Vor allem Ultra Fast Fashion Marken wie SHEIN erleben einen enormen Zuwachs mit extrem niedrigen Preisen und großem Angebot, während Nachhaltigkeit und Gesundheit unter den Tisch fallen.
Deutschland sollte nicht auf Vorschriften aus der EU warten, wie Ultra Fast Fashion eingeschränkt werden kann, sondern nach Frankreich schauen: Dort wird gerade an einem Gesetz gearbeitet, um Werbung für Ultra Fast Fashion zu untersagen und Billigmode finanziell unattraktiver zu machen.
Reduktionsziele festlegen
Es ist völlig unklar, was ab 2025 mit verpflichtend gesammelten Alttextilien passieren soll. Es fehlt an hochwertigen Recyclingoptionen, schon heute überschwemmen Textilexporte aus der EU Länder des globalen Südens. Es braucht unbedingt ein Abfallvermeidungsziel für Textilabfall. Dies entspräche auch dem Ziel der EU-Textilstrategie, die Überproduktion von Textilien zu reduzieren. Im Kommissionsentwurf fehlen Abfallvermeidungsquoten, Wiederverwendungs- und Recyclingquoten, das Parlament fordert zumindest eine Festschreibung eines Abfallvermeidungsziels bis 2025.
Ist es schon zu spät?
Die EU reagiert zwar endlich auf Lebensmittelabfälle und Textilverschwendung, aber das Ergebnis steht noch in den Sternen: Nach der Wahl am 9. Juni formiert sich das Parlament neu, Ungarn übernimmt die Ratspräsidentschaft. Es besteht die Gefahr, dass Verhandlungen dann vernachlässigt werden. Im Kampf gegen Textilien- und Lebensmittelverschwendung stehen also noch einige Hürden bevor.
Anna Hanisch, Referentin Kreislaufwirtschaft & Carina Kellermann, Referentin Kreislaufwirtschaft
Wohin führt die Carbon-Management-Strategie der Bundesregierung?
Vermeidung von CO₂-Emissionen muss oberste Priorität bleiben
06. März 2024 - Seit letzter Woche ist es soweit – wir haben einen ersten Einblick in die Pläne der Bundesregierung für eine Carbon-Management-Strategie (CMS). Zu Deutsch geht es hier um die Abscheidung, Speicherung oder Nutzung von CO₂ im Rahmen der Abwendung der Klimakrise.
Bundeswirtschaftsminister Habeck stellte bei einer Pressekonferenz ein Eckpunktepapier zur Carbon-Management-Strategie, einen Referentenentwurf für die dafür notwendigen Änderungen des Kohlendioxid-Speicher-Gesetzes (nun KsptG), sowie ein Eckpunktepapier für die Langfriststrategie Negativemissionen (LNe) vor. Diese Dokumente beschäftigen sich alle damit, wie Deutschland das Ziel der Netto-Treibhausgasneutralität und im Falle der LNe ab 2050 sogar negativer Treibhausgasemissionen mit Hinblick auf die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels erreichen soll.
Fehlanreize für das Speichern von CO₂
Obwohl auch der NABU als Stakeholder in die Erarbeitung der Carbon-Management-Strategie einbezogen wurde, hat uns das nun vorliegende Ergebnis negativ überrascht. Denn CCS an Gaskraftwerken wurden nie besprochen.
Äußerst kritisch zu sehen ist der angedachte Einsatz von technischen Kohlenstoffsenken (CCS) nicht nur zur Neutralisierung von unvermeidbaren Prozessemissionen, sondern auch im Hinblick auf die notwendige Reduzierung von Treibhausgasen. Die angedachte Ermöglichung des Einsatzes von CCS in Gaskraftwerken wäre katastrophal, denn er bremst den Übergang in ein klimaneutrales Stromsystem, anstatt ihn zu fördern. Zudem ist das Umstiegsdatum für Gaskraftwerke auf grünen Wasserstoff bis 2040 deutlich zu spät und ein CO2-Netz in privater Trägerschaft schafft Fehlanreize mit Hinsicht auf Einspeicherung von CO₂ anstatt der Vermeidung von Emissionen.
Die Mindestanforderungen, wie ein Ausschluss der Erkundung von CO2-Speicherstätten in Meeresschutzgebieten, sind zumindest aufzufinden. Auch der Fokus auf „schwer oder anderweitig nicht vermeidbare“ Emissionen in der Industrie, Standhaftigkeit im Punkt des Kohleausstiegs und angestrebte hohe Umwelt- und Sicherheitsstandards sind Schritte in die richtige Richtung.
Katharina Fey, Referentin Carbon Management
EU-Verpackungsverordnung erhöht den Druck auf globale Wälder
Angestrebter Kompromiss fördert Papier- statt Mehrwegverpackungen
05. März 2024 - Der sich aktuell bei den Verhandlungen zwischen EU-Kommission, EU-Parlament und Mitgliedstaaten abzeichnende Kompromiss zur EU-Verpackungsverordnung wird nach Ansicht des NABU das Recycling in der EU fördern, aber nicht zu weniger Verpackungsabfällen führen: Es soll ausreichend Schlupflöcher geben, um Mehrwegquoten für Getränkeverpackungen und To-go-Angebote zu umgehen.
Einwegverpackungen für frisches Obst und Gemüse und beim Verzehr in der Gastronomie vor Ort sollen nur verboten werden, wenn sie aus Plastik sind. Auch weitere Regelungen und Definitionen sehen weitreichende Ausnahmen für Verpackungen aus Papier, Pappe und Karton vor, die für den NABU ökologisch nicht gerechtfertigt sind. Auch die Papierherstellung hat große negative Auswirkungen auf die Natur.
Großer Erfolg für die Fast-Food-Branche
So wird durch es die EU-Verpackungsverordnung nach Ansicht des NABU keinen Rückgang der Verpackungsabfälle geben, sondern vielmehr eine Verschiebung hin zu anderen Verpackungsmaterialien, die vorraussichtlich zu noch mehr Umweltlasten führt. Bereits jetzt sehen wir einen Anstieg von klimaschädlichem Einwegglas und von schwer recyclingfähigen Papierverpackungen in Deutschland, mit der EU-Verpackungsverordnung wird diese ökologisch bedenkliche Entwicklung weiter gefördert.
Der angestrebte Kompromiss ist ein großer Erfolg für die Fast-Food-Branche und die Papierindustrie, die in den letzten zwei Jahren aggressiv Mehrwegsysteme diskreditiert haben. Nun verpasst die EU die Chance, ökologisch effiziente Mehrwegsysteme aufzubauen zu lassen. Letztlich wird durch einen noch höheren Papierbedarf für Verpackungen der Druck auf die globalen Wälder nun noch verschärft.
Der Kompromiss missachtet die EU-Abfallhierarchie, in der Abfallvermeidung und Wiederverwendung Priorität haben vorm Recycling. Der NABU begrüßt, dass die EU sich nun absolute Reduktionszielen für den Verpackungssektor setzen will, fraglich ist aber, wie diese Ziele erreicht werden sollen, wenn Maßnahmen zur Abfallvermeidung nur auf Kunststoffverpackungen reduziert werden und Mehrwegvorgaben umgangen werden können.
Katharina Istel, Referentin Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschonung
Wo ist der Ehrgeiz der EU geblieben?
Die Carbon-Management-Strategie der EU-Kommission lässt zu wünschen übrig
23. Januar 2024 - Anfang Februar veröffentlicht die europäische Kommission ihre „Industrial Carbon Management“-Strategie. Ein erster Entwurf des Dokuments zeigt: Das Ambitionsniveau ist eine herbe Enttäuschung! Besonders frappierend: noch für 2050 und darüber hinaus rechnet die EU damit, bis zu 450 Millionen Tonnen CO₂ jährlich abzuscheiden und geologisch zu speichern (CCS) oder weiterzuverwenden (CCU). Das gilt auch für fossile Punktquellen wie Kraftwerke. Ein Einsatz von technischen Kohlenstoffsenken in diesem Umfang würde einen massiven Infrastrukturausbau benötigen.
Effektiv ist das das traurige Eingeständnis, dass die europäischen Klimaziele in immer weitere Ferne rücken, weil die Abkehr von fossilen Energiequellen nicht konsequent vorangetrieben wird. Auch deshalb fordert das Thesenpapier zur Industrietransformation, das der NABU gemeinsam mit BDI, DGB und WWF am 10. Januar 2024 veröffentlichte, eine deutlich strengere Regulierung: CCS soll nur für unvermeidbare Emissionen eingesetzt werden, etwa in der Zement- und Kalkindustrie. Ansonsten muss der Grundsatz gelten: Reduktion vor Abscheidung.
Bundesregierung muss EU-Partner überzeugen
Eine weitere Überraschung des Entwurfs ist die große Rolle, die CO₂ -Entnahme-Lösungen wie Direct Air Capture (DACCS) spielen sollen: bis zu 6 Prozent des heutigen Emissions-Niveaus könnten nach Ansicht der EU-Kommission damit wieder eingefangen werden. Nur: die CO₂-Entnahme wird zum jetzigen Zeitpunkt noch erforscht und bleibt vermutlich viel zu teuer und energieintensiv, um einen so großen Beitrag zur Entnahme von CO₂ aus der Atmosphäre zu leisten. Sich schon 2024 auf ein solches Volumen festzulegen, ist eine gefährliche Wette auf eine unausgereifte Technologie. Das unterstreicht, dass das Ambitionsniveau der EU zu gering ist.
Die Position der deutschen Regierung – so weit sie bisher bekannt ist – setzt einen klareren Rahmen. Es ist nun ihre Aufgabe, die EU-Partner davon zu überzeugen, dass fossile Energien keine Zukunft mit CCS haben und Vermeidung von Emissionen an erster Stelle stehen muss. Die Carbon-Management-Strategie der Bundesregierung wird nach aktuellem Stand erst im März erwartet – jetzt ist die Zeit, mehr Ehrgeiz von der EU-Kommission zu fordern.
Niels Thürigen, Senior-Referent Nachhaltige Finanzwirtschaft
NABU-Blog zur Bundespolitik
Der NABU begleitet die Arbeit der Ampelregierung, insbesondere mit Blick auf Natur- und Umweltthemen. Der Blog zum Nachlesen. Mehr →
Die Ampelregierung ist seit 2021 im Amt. Der NABU begleitet ihre Arbeit, insbesondere mit Blick auf Natur- und Umweltthemen. Der Blog zum Nachlesen. Mehr →