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Umweltschutz und Soziales werden oft gegeneinander ausgespielt. Dabei geht es beiden um Gerechtigkeit.
Dass eine intakte Umwelt immer auch eine soziale Komponente hat, ist eigentlich ein alter Hut. „Der Himmel über dem Ruhrgebiet muss wieder blau werden“, forderte Willy Brandt schon 1961 im Bundestagswahlkampf und dabei hatte er natürlich vor allem die Gesundheit der Arbeiterschaft im Blick. Doch damals galt, dass die Schornsteine rauchen müssen – im wörtlichen Sinne –, wenn es den Leuten gut gehen soll. Den blauen Himmel und ein ordentliches Auskommen zusammenbringen zu können, daran glaubten nur die Wenigsten. Die Wahl ging für Brandt verloren.
Nur für die Bessergestellten?
Als Ableitung des Gegensatzes zwischen Ökologie und Ökonomie werden die angeblichen negativen sozialen Folgen von Umweltschutzmaßnahmen auch heute noch gerne ins Feld geführt. Umweltschutz sei ungerecht, heißt es, das könnten sich nur die Bessergestellten leisten. Das Schlimme ist: Oft stimmt der Vorwurf. Nicht weil das ein Naturgesetz wäre, sondern weil absichtlich oder aus Schlamperei auf die Verträglicheit zu wenig geachtet wird. Das Ergebnis politischer Kompromisse im schlimmsten Fall: ökologisch unwirksam und sozial ungerecht. Man denke zum Beispiel an die aktuelle CO2-Steuer.
Jetzt steht 60 Jahre nach dem „blauen Himmel über der Ruhr“ 2021 wieder eine Bundestagswahl an, dazu noch sechs Landtagswahlen. Ist die Politik endlich bereit für wirksamen Umweltschutz mit sozialer Gerechtigkeit? Druck in dieser Richtung kommt aus der sogenannten Zivilgesellschaft, nämlich von den Umwelt- und Sozialverbänden, die sich mehr und mehr zusammenschließen, um eine „ökosoziale Wende“ anzuschieben.
Umfassende Bündnisse
Wie breit angelegt die Bündnisse inzwischen sind, zeigten zuletzt die Klimademonstrationen der Fridays-for-Future-Bewegung Ende September. „Wir wollen einen solidarischen Sozialstaat, in dem Strom, Wohnen, Lebensmittel und Mobilität klimafreundlich und für alle bezahlbar sind“, heißt es in einem Aufruf von 55 Organisationen, darunter alle großen Umweltverbände. „Mit den Corona-Konjunkturhilfen nimmt die Bundesregierung viel Geld in die Hand. Statt Staatshilfen für klimaschädliche Industrien braucht es angesichts der Klimakrise eine sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft: Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit müssen die Eckpfeiler aller Investitionen sein.“
Auch europaweit tut sich einiges. So haben im Sommer 1,3 Millionen Menschen eine Petition für klimafreundliche Konjunkturprogramme unterzeichnet und gemeinsam gefordert: „Unser Geld nur für eine grüne und gerechte Zukunft!“ Dabei heißt gerecht auch: mit sozialem Ausgleich. Selbst zusätzliche Lasten, die scheinbar fair verteilt werden, treffen Ärmere immer härter, denn sie haben keinen wirtschaftlichen Puffer.
Beschlossenes endlich umsetzen
„Die Parteien könnten sich eigentlich ihre Wahlversprechen sparen und einfach das umsetzen, was sie längst beschlossen haben: zum Beispiel die Globalen Nachhaltigkeitsziele der UNO“, meint Kai Niebert, Präsident des Deutschen Naturschutzrings. „Das sind 17 Ziele und 169 Maßnahmen, um die Welt gerechter zu machen: etwa anständige Arbeitsplätze für alle, Arbeiterkindern gleiche Chancen in der Bildung verschaffen, Klima, Böden und Ernährung schützen.“
Dass die hehren Ziele der Vereinten Nationen nicht einfach per Knopfdruck umzusetzen sind, weiß Niebert natürlich. Aber Ansätze gibt es genug, etwa durch Umbau der reichlich vorhandenen Subventionen. Rund 60 Milliarden Euro fließen alleine in Deutschland in die falsche Richtung, von der Kerosinsteuerbefreiung im Flugverkehr bis zu den weitgehend bedingungslosen Agrargeldern. Alleine mit dem Streichen der Pendler*innenpauschale wäre im Gegenzug ein bundesweit weitgehend kostenfreier ÖPNV möglich.
Kosten gerecht verteilen
„Die Notwendigkeit einer ökologischen Wende trifft in Deutschland auf eine Gesellschaft mit großen und wachsenden Ungleichheiten – und damit auch auf Menschen, die in sehr unterschiedlichem Maße in der Lage sind, mit Klimaschutz verbundene Kosten zu stemmen“, warnt der Paritätische Wohlfahrtsverband.
Damit Klimaschutz von allen mitgetragen werden kann, müsse die ökologische Wende soziale Fragen von Anfang an mitdenken. Klimapolitik brauche einen funktionierenden Sozialstaat, sie müsse sozial gerecht sein. „Mehr noch: Die klimapolitischen Herausforderungen eröffnen die Chance, Soziales neu zu denken und mehr Lebensqualität für alle zu schaffen“, betont ein vom Paritätischen Wohlfahrtsverband mit ver.di initiiertes Bündnis. Klimaschutz dürfe „kein Elitenprojekt“ und ein umweltbewusstes Leben „kein Luxus“ sein.
Sozial-Ökologische Wende
Gebäude etwa haben einen wesentlichen Anteil am Gesamtenergiebedarf und am Treibhausgas-Ausstoß, sie bieten große Potentiale für mehr Energieeffizienz. Dabei müsse aber sichergestellt werden, so die „Sozialplattform Klimaschutz“, dass Maßnahmen nicht als Instrument der Profitmaximierung zu Lasten der Mieter*innen genutzt werden könnten. Darüber hinaus müsse es das Ziel einer am Leitbild der sozial-ökologischen Wende orientierten Wohnungspolitik sein, alle Menschen mit klimafreundlichem und menschenwürdigem Wohnraum zu versorgen.
Für Umweltgerechtigkeit ist also eine lebenswerte Umwelt für alle mindestens genauso wichtig wie faire Kostenverteilung. Nicht nur im Weltmaßstab sind vor allem die Ärmeren Umweltbelastungen am stärksten ausgesetzt.
Ungleiche Umweltbelastung
Auch wenn der Himmel über der Ruhr heutzutage weitgehend blau ist: Laut Studien des Umweltbundesamtes bekommen Menschen mit geringem Einkommen und niedriger Bildung in Deutschland oft in höherem Maße umweltbedingte Gesundheitsbelastungen zu spüren. Sie wohnen zum Beispiel an stark befahrenen Straßen und sind besonders häufig von Lärm und Luftverschmutzungen betroffen. Auch haben sie weniger Zugang zu städtischen Grünflächen, verfügen folglich über geringere Bewegungs- und Erholungsmöglichkeiten.
Generell haben wohlhabende Schichten auch bei uns größere Möglichkeiten, sich den Umweltbelastungen zu entziehen. Was umgekehrt bedeutet, dass „sozial schwache“ Menschen von einer konsequenten Umweltpolitik überdurchschnittlich profitieren würden.
Helge May
Literaturtipps
- Benjamin Görgen & Björn Wendt (Hrsg.): Sozial-ökologische Utopien. Diesseits oder jenseits von Wachstum und Kapitalismus? – 336 Seiten. 28 Euro. Oekom 2020. ISBN 978-3-96238-121-9.
- Michael Opielka: Soziale Nachhaltigkeit. Auf dem Weg zur Internalisierungsgesellschaft. – 132 Seiten. 19,95 Euro. Oekom 2017. ISBN 978-3-96006-005-5.
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