Wasserstofftechnologien
Bedingungen für eine ökologisch und sozial verträgliche Entwicklung
Die Vielseitigkeit von Wasserstoff macht das Gas zu einem begehrten Gut in zahlreichen Branchen: von der Stahl-, Zement- und Methanproduktion über die Produktion von E-Fuels für den Schiff- und Luftverkehr bis hin zum Wärmesektor. Besonders wichtig ist Wasserstoff für die Bereiche, die sich nicht elektrifizieren lassen und für die es momentan keine Alternative gibt. Somit wird der Wasserstoff für viele Anwendungen beansprucht - zu viele, da dieses Gas nicht in hinreichender Menge zur Verfügung steht.
Die Produktion von Wasserstoff erfordert viel Energie, denn das Gasmolekül Wasserstoff wird durch die Zerlegung von Wasser in Sauerstoff (O) und Wasserstoff (H2) gewonnen. Je nachdem, aus welcher Quelle die verwendete Energie kommt, ergeben sich verschiedene ökologische Auswirkungen von Wasserstoff.
Die Nationale Wasserstoffstrategie
Wasserstoff ist so wichtig für unsere zukünftige Energieversorgung, dass die Bundesregierung für den Umgang damit eine eigene Strategie erstellt hat. Wir kritisieren diese: Die nationale Wasserstoffstrategie weist bislang nicht den Weg in eine 100 Prozent erneuerbare, energieeffiziente Zukunft. Insbesondere der Plan, die Herstellung, den Import und den Einsatz von Wasserstoff aus fossilen oder nuklearen Quellen zu fördern, kritisiert der NABU gemeinsam mit weiteren deutschen Umweltschutzverbänden. Zudem sollte Wasserstoff nur dort eingesetzt werden wo keine direkte Elektrifizierung möglich ist. Die detaillierte Einschätzung zum aktuellen Stand der nationalen Wasserstoffstrategie lesen Sie hier.
NABU-Experte Steffen Laube erklärt kritische Punkte
Viele Fragen - hier finden Sie Antworten
Welche Verfahren zur Herstellung von Wasserstoff sind wirklich nachhaltig? Wie gelingt ein verantwortungsvoller Einsatz? Diese Seite gibt Antworten.
Was ist eigentlich Wasserstoff?
Wasserstoff ist ein unsichtbares, geruchloses, ungiftiges Gas, das leichter als Luft ist. Es wird durch Elektrolyse, d.h. durch die Zerlegung von Wasser in Sauerstoff (O) und Wasserstoff (H2), gewonnen. Derzeit wird Wasserstoff überwiegend stofflich verwendet, zum Beispiel zur Herstellung von Mehrwertprodukten wie Methanol, Ammoniak und in kleinen Mengen in der Stahlindustrie. Großes Potenzial wird der energetischen Nutzung von Wasserstoff zugeschrieben. Dazu wird aus Wasserstoff (unter Zugabe von Kohlendioxid) Gas oder Kraftstoff gewonnen. Diese Verfahren nennt man Power-to-Liquid (PtL) (Flüssigkraftsoff) oder auch Power-to-X (PtX).
Zurzeit besteht Konsens, dass die Energiewende Wasserstoff benötigt. Für welche Bereiche und in welchen Mengen wird kontrovers diskutiert. Die Elektrolyse ist energieintensiv: Um eine Kilowattstunde Energie aus Wasserstoff zu erzeugen, braucht man derzeit ungefähr zwei Kilowattstunden Energie.
Was ist mit den verschiedenen Farbbezeichnungen gemeint, zum Beispiel grüner oder grauer Wasserstoff?
Der Wasserstoff wird nach Farbe unterschieden, je nachdem aus welcher Ressource und durch welchen Prozess er hergestellt wird.
- Grauer Wasserstoff wird aus fossilen, also kohlenstoffhaltigen, Brennstoffen und Wasser in mehreren Prozessschritten (Erdgasreformierung) gewonnen. Dabei entsteht als Abfallprodukt CO₂, das direkt in die Atmosphäre abgegeben wird.
- Blauer Wasserstoff wird fossilen, also kohlenstoffhaltigen, Brennstoffen und Wasser in mehreren Prozessschritten (Erdgasreformierung) gewonnen, wobei das produzierte CO₂ abgeschieden wird (mittels Carbon-Capture-Technologien).
- Türkiser Wasserstoff wird aus Erdgas mittels thermischer Verfahren gewonnen. Dabei wird das Erdgas in Wasserstoff und festen Kohlenstoff gespalten.
- Gelber Wasserstoff wird aus Wasser mittels Elektrolyse gewonnen. Der dafür benötigte Strom besteht aus einer Mischung aus konventionellen und erneuerbaren Energiequellen.
- Grüner Wasserstoff wird aus Wasser mittels Elektrolyse gewonnen. Der dafür benötigte Strom stammt aus erneuerbaren Energiequellen.
- (Rosa Wasserstoff wird aus Wasser mittels Elektrolyse gewonnen. Der dafür benötigte Strom stammt aus Atomkraft.)
Was sind die Herausforderungen in der Produktion von Wasserstoff?
Die Umstellung auf Wasserstoffbasierte Anlagen erfordert hohe Investitionen, sowohl in die Infrastruktur als auch in die Forschung. Aktuell kann Wasserstoff nicht in den Mengen produziert werden, die für unsere Klimaziele nötig sind.
Wasserstoffmoleküle sind sehr reaktiv und explosiv. Sicherer Transport und Speicherung stellen deswegen große Herausforderungen dar, die seit Jahren wissenschaftlich untersucht werden.
Welche Herausforderungen ergeben sich aus der Nutzung von Wasserstoff?
Ein Ausbau der Nutzung von Wasserstoff erhöht den Energiebedarf in Deutschland, da die Gewinnung sehr energieintensiv ist.
Da der Energiebedarf von Deutschland höher ist als die Energiemenge, die Deutschland selbst nachhaltig produzieren kann, spielen Importe eine entscheidende Rolle. Wichtig sind dabei strategische Partnerschaften mit denjenigen Ländern, in denen grüner Strom (mittels Solar- oder Windenergie) kostengünstig produziert wird. Dort können Elektrolyseure mit hohen Volllaststunden betrieben werden, wie beispielsweise Australien, Westafrika, aber auch Chile oder Norwegen. Aus Nachhaltigkeitssicht ist es wichtig, dass die vor Ort vorgesehenen Wasserstoffanlagen nicht im Konflikt mit dem dortigen Wasser- und Flächenbedarf sowie sozialen Kriterien stehen.
Wie nachhaltig ist die Herstellung von Wasserstoff?
Grauer Wasserstoff leistet aktuell keinen Beitrag zum Klimaschutz. Er wird zu über 99 Prozent aus fossilen, „grauen“ Quellen hergestellt. Die globale Produktion von Wasserstoff verursacht jährlich zirka 830 MT CO₂-Emissionen laut einem Bericht der International Energy Agency (IEA) aus dem Jahr 2019. Grauer Wasserstoff ist die derzeit günstigste und am häufigsten produzierte Art der Wasserstoffherstellung. Er wird meistens in der Ölraffination, in der Ammoniakproduktion und in gemischter Form mit anderen Gasen wie Kohlenmonoxid hergestellt.
Die Klimabilanz von Wasserstoff aus Elektrolyse (Aufspaltung von Wasser in seine Komponenten Sauerstoff und Wasserstoff) wird durch die verwendete Energiequelle bestimmt. Die Wasseraufbereitung und der Bau von Elektrolyseuren verursachen sehr wenige Emissionen. Benutzt man also Strom aus erneuerbaren Energiequellen (beim grünen Wasserstoff), ist die Klimabilanz positiv, ansonsten bestimmt der Anteil des Stroms aus Erneuerbaren die Bilanz (beim gelben Wasserstoff). Mit dem aktuellen Strommix ist die Klimawirkung von Wasserstoff aus Elektrolyse höher als die aus der Erdgasreformierung. Für eine Verbesserung der Nachhaltigkeit von Wasserstoff stellt deshalb der Strommix den größten Hebel dar.
Die Herstellung von Wasserstoffs mittels Reformierung (Dampfreformierung oder Autotherme Reformierung), mit der Anwendung von Erdgas bei blauem Wasserstoff, sowie mittels Pyrolyse (Spaltung von Erdgas mittels thermischer Verfahren, beim türkisem Wasserstoff) verursacht flüchtige Methan-Emissionen, weil dabei Erdgas verwendet wird. Dies ist negativ für die Klimabilanz, da Methangase länger in der Atmosphäre bleiben als CO₂-Emissionen. Zirka 70 Prozent der Methan-Emissionen bleiben in der Atmosphäre.
Ein wichtiger Nachhaltigkeitsaspekt ist der Anteil an kritischen Rohstoffen in der Herstellung des Wasserstoffs: Zur Herstellung von Wasserstoff werden seltene Metalle der Platingruppe (sogenannte PGMs) benötigt. Werden diese nicht verantwortungsvoll gefördert und recycelt, hat dies sozial und ökologisch negative Folgen.
Sind blauer und türkiser Wasserstoff sinnvolle Brückentechnologien?
Nachhaltiger Wasserstoff steht weder im Inland noch im Ausland unbegrenzt zur Verfügung. Laut aktuellem Stand der Forschung wird Elektrolyse in der ersten Phase auch mit Netzstrom betrieben werden. Während es für den Klimaschutz klar ist, dass grüner Wasserstoff die beste Option darstellt, wird zurzeit in Deutschland kontrovers darüber diskutiert, ob die Förderung und Entwicklung von blauem bzw. türkisem Wasserstoff in einer Übergangsphase nötig seien. Ein möglicher Vorteil ist der Markthochlauf von Wasserstofftechnologien.
Der Einsatz von blauem Wasserstoff wird in Studien zu den Energieszenarien unterschiedlich bewertet. In den Dena und BDI-Szenarien kann blauer Wasserstoff vorübergehend zwischen 2030 und 2040 eingesetzt werden, da der Beitrag aus erneuerbaren Energien (grüner Wasserstoff) nicht reichen wird, um die Nachfrage, insbesondere die der Industrie, zu decken. Derselben Meinung ist die Mehrheit des Nationalen Wasserstoffrates.
Dagegen stellen sich andere Wissenschaftler*innen sowie die Umweltverbände. Sie plädieren für einen raschen Ausbau des grünen Stroms sowie für eine Begrenzung der Anwendung von (grünem) Wasserstoff auf die Bereiche, die sich nicht elektrifizieren lassen. Als besonders problematisch werden die flüchtigen Methanemissionen in der Vorkette angesehen sowie der Einsatz von CCS-Technologien.
In welchen Bereichen kann Wasserstoff nachhaltig eingesetzt werden?
Alle Szenario-Studie sind sich einig: Um die Ziele der Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen, ist der Einsatz von emissionsarmem Wasserstoff nötig.
Als No-regret-Anwendungen werden diejenigen bezeichnet, die sich nach dem aktuellen Stand der Forschung nicht elektrifizieren lassen. Solche Bereiche sind die Langstreckenmobilität in der Schiff- und Luftfahrt, die chemische Industrie (insbesondere für die Produktion von Ammoniak), die Raffinerien, die Stahlproduktion, sowie Spitzenlastkraftwerke.
Wo ist der Einsatz von Wasserstoff kontrovers?
Kontrovers diskutiert wird der Einsatz von Wasserstoff für Hochtemperaturprozesse der Industrie, für die Aluminiumherstellung, für den Antrieb von LKW und Fernbussen sowie für die Fernwärme (Kraftwärmekopplung). Diskutiert wird auch der Einsatz von Brennstoffzellenbussen (auch Wasserstoffbusse genannt) im ÖPNV. Das sind Fahrzeuge mit Elektroantrieb, bei denen durch eine Brennstoffzelle elektrische Energie aus Wasserstoff erzeugt wird.
Besonders umstritten ist der (grüne) Wasserstoff im Wärmesektor: Da Wasserstoff knapp ist und es bessere Alternativen für die Dekarbonisierung im Wärmemarkt gibt, empfiehlt der NABU die Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden („Gebäudehülle“) und einen Fokus auf Heizungsanlagen in Form elektrischer Wärmepumpen.
Wo ist der Einsatz von Wasserstoff abzulehnen?
Für PKW, leichte Nutzfahrzeuge, den Nahverkehr, Niedertemperaturprozesse in der Industrie, die dezentrale Gebäudebeheizung sowie für Grundlastkraftwerke und Kurzfristspeicher im Umwandlungssektor ist eine Nutzung von Wasserstoff nicht sinnvoll. Vor allem für den Verkehrsbereich und Brennstoffzellen-Elektro-PKW (fuel cell electric vehicles, FCEV) ist dies ausreichend durch Studien belegt.
Fazit
Wasserstoff ist als Energieträger vielfältig einsetzbar. Doch nicht jede Anwendung erweist sich als sinnvoll: Wirklich nachhaltig ist nur der sogenannte grüne Wasserstoff, der mit erneuerbaren Energien gewonnen wird. Bis zu einem massiven Ausbau der erneuerbaren Energien wird dieser ein knappes Gut bleiben. Daher sollten Anwendungen priorisiert werden, in denen es keine Alternativen zur Wasserstoffnutzung gibt.
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