Hoch- und Höchstspannungstrassen in Wäldern erscheinen stets als breite Schneise im Wald - Foto: Eric Neuling
Stromtrassen in der Landschaft
Lebensraumentwertung und verschlechtertes Landschaftsbild
Die ungleiche Verteilung zwischen Schwerpunkten der erneuerbaren Energiegewinnung auf dem Land und an der Küste und dem Strombedarf in Siedlungs-und Industriezentren macht einen zügigen und deutlichen Ausbau des Übertragungsnetzes erforderlich. Die neuen Leitungen verlaufen dann über weite Strecken auch dort, wo sich vorher keine Stromtrassen befanden. Das direkte Lebensumfeld von Menschen kann dadurch beeinträchtigt werden. Viele Anwohner fordern deshalb, dass neue Trassen weiter entfernt vom Siedlungsrand gebaut werden. Doch auch Lebensräume für Tiere und Pflanzen verändern sich durch neue Masten und Schneisen. Es bedarf also raumplanerischer und praktischer Möglichkeiten, die Auswirkungen auf Landschaften und Lebensräume gering zu halten.
Zerschneidung von Wäldern
Freileitungstrassen beeinträchtigen sowohl das Landschaftsbild als auch Lebensräume von Tieren und Pflanzen. In Wäldern müssen für den sicheren Stromtransport breite Schneisen von Bäumen frei gehalten werden. Unter Freileitungen sind sie breiter als über Erdkabelanlagen, dafür dürfen Gehölze bis zu einer bestimmten Wuchshöhe bleiben, über Erdkabeln gar nicht. Im Nahbereich stellen Waldschneisen für kleine Wirbeltiere und Insekten dichter Waldhabitate durch die Auflichtung und das sich dadurch verändernde Waldklima und die Vegetation eine Barriere dar. Wiederum andere Arten, wie wärmeliebende Eidechsen oder Heuschrecken profitieren davon und siedeln sich an. Scheue Großvögel, wie Schwarzstorch und Schreiadler, die unzerschnittene Waldbereiche benötigen, können durch neue Leitungsschneisen ihren Lebensraum verlieren. Die Fernwirkung der Schneisen und der hohen Masten ist im flachen Land und auf Höhenzügen besonders groß und schmälert das Landschaftserleben für den Menschen.
Auswirkungen in der Offenlandschaft
Auch in offenen Landschaften bringen Freileitungen Beeinträchtigungen für die Natur mit sich. Vogelarten wie Kiebitz oder Feldlerche, die baumloses Grünland und Niederungen bewohnen, meiden Stromtrassen. Die hohen Masten erzeugen durch ihre landschaftsuntypische, vertikale Struktur Meidungsbereiche auch für Gänse und andere Wiesenbrüter. Gleichzeitig stellen Höchstspannungsmasten und -leitungen künstliche Ansitzmöglichkeiten für Greif- und Krähenvögel dar. Auch die extensiv genutzten Bereiche der Mastfundamente ziehen vor allem auf intensiv genutztem Ackerland besonders viele Kleinsäuger an, die wiederum Füchse und andere Raubtiere anlocken. Wiesenbrüter, die inzwischen fast ausnahmslos in ihren Beständen abnehmen, haben durch den erhöhten Prädationsdruck an Freileitungen kaum noch Chancen, ihre Jungen erfolgreich groß zu ziehen.
Chancen für die Natur
Eine vorausschauende räumliche Planung mit dem Ausschluss besonders konfliktträchtiger Bereiche kann negative Umweltauswirkungen reduzieren. Dahingehende Potentiale gehen bei der konkreten Trassen- oder Trassenkorridorplanung von Bündelungen mit bestehenden Infrastrukturen oder der Landschaft angepassten Mastbauweisen aus. Zum anderen lassen sich Leitungs- und Kabeltrassen ökologisch aufwerten. So pflegen einzelne Netzbetreiber bestehende Trassen unter dem Betriebsmodell eines Ökologischen Schneisenmanagements. Dabei werden nicht alle Bäume komplett auf den Stock gesetzt, sondern einzeln oder partiell entnommen oder eingekürzt. Gestufte Waldränder und unterschiedliche Vegetationsstrukturen lassen sich fördern. Sie erhöhen die Artenvielfalt und passen sich besser in das Landschaftsbild ein. Dennoch muss dieser positive Ansatz mit Entwicklungsplänen und Artenvorkommen für die jeweiligen Waldflächen abgestimmt sein und ist insbesondere beim Trassenneubau kaum eine Möglichkeit die baubedingten Eingriffe zu minimieren.
Zur Erhaltung der biologischen Vielfalt können Stromtrassen auch beitragen, wenn sie etwa getrennte Offen- oder Halboffenlebensräume verbinden, extensiv gepflegt werden und so die Ausbreitung seltener Tier- und Pflanzenarten gefördert wird. Der NABU fordert, dass Konzepte entwickelt und umgesetzt werden, wie Stromtrassen einen Beitrag zu Zielen des gesetzlich notwendigen Biotopverbunds und fachlich anerkannten Wiedervernetzungsprogrammen leisten können. Deren Berücksichtigung auf der Ebene der Bundesfachplanung für die Findung linienhafter Trassenkorridore hilft der Vereinbarkeit zwischen Zielen des Naturschutzes und denen der Energieversorgung. Als grundsätzliches Defizit verbleibt jedoch bisweilen die fehlende Praktikabilität solcher Maßnahmen in der Agrarlandschaft.