Eine leistungsstärkere Übertragungsleitung muss her, um den Windstrom abzuführen. Noch ist offen, ob sie in der selben Trasse verlaufen wird. - Foto: Eric Neuling
Den Naturschutz mitdenken
Naturverträgliche Stromleitungen für die Energiewende
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Zugvögel und Großvögel, wie der im Gebiet brütende Kranich, sind besonders gefährdet, mit Freileitungen zu kollidieren. - Foto: Frank Derer
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Auf der Exkursion zum Baumgartener See wurde klar, dass die neue Trasse hier den See umgehen muss - Foto: 50Hertz/Pauls
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Unter Trassen können wertvolle Lebensräume entstehen. Trotzdem müssen Schneisen so schmal wie möglich bleiben - Foto: Eric Neuling
Deutschlandweit muss das Übertragungsnetz an vielen Stellen ausgebaut und optimiert werden, für den Abtransport erneuerbarer Energien vor allem im Norden Deutschlands. Durch neue oder höhere Freileitungen kann das direkte Lebensumfeld von Menschen beeinträchtigt werden. Viele Anwohner*innen fordern deshalb, dass neue Trassen weiter entfernt von Siedlungen gebaut werden, doch auch Lebensräume für Tiere und Pflanzen verändern sich durch Masten und Schneisen, und die Leitungen bergen Kollisionsrisiken für Vögel. Der Netzausbau birgt somit Konfliktpotenzial durch die zusätzliche Belastung für Mensch und Natur sowie die Abwägung von Schutzprioritäten.
Worum es geht
Die Übertragungsnetzbetreiber tragen die Verantwortung zur Sicherheit der Stromversorgung, müssen aber gleichzeitig Umweltauswirkungen der Leitungen so gering wie möglich halten. Damit dies gelingt, müssen alle Interessen frühzeitig berücksichtigt werden. Im Rahmen eines von der Europäischen Union geförderten Projekts namens „BESTGRID“ soll dieser Grundsatz in der Praxis ausprobiert werden. Koordiniert von der Renewables Grid Initiative (RGI), einem europaweiten Zusammenschluss zwischen Übertragungsnetzbetreibern und Umweltverbänden, dem auch BirdLife Europe angehört, begleitete der NABU die naturverträgliche Planung eines von insgesamt vier für BESTGRID ausgewählten Projekten in Deutschland, Großbritannien und Belgien. Es handelt sich um das im Bundesbedarfsplangesetz festgelegten Ausbauvorhaben des Netzbetreibers 50Hertz zwischen dem brandenburgischen Bertikow bei Prenzlau und der Stadt Pasewalk im Südosten Mecklenburg-Vorpommerns. Auf etwa 30 Kilometern Länge soll eine bestehende 220-kV-Leitung durch eine neue leistungsstärkere Höchstspannungsleitung ersetzt werden. Derzeit wird sondiert, in welchem Trassenkorridor die zukünftige Trasse verlaufen könnte, bevor die Entscheidung zum Abschluss der sogenannten Bundesfachplanung gefällt wird.
Das Planungsgebiet liegt in einem intensiv-landwirtschaftlich geprägten Raum in der Uckermark mit vielen Windenergieanlagen. Es ist jedoch umgeben von überregional bedeutsamen Naturschutzflächen, vor allem EU-Vogelschutzgebieten. Die bestehende Leitung muss für den Abtransport der zunehmenden Windenergie ersetzt werden. Damit der Naturschutz bereits bei der Vorplanung berücksichtigt wird, begleitete der NABU dieses Projekt unter Einbindung regional tätiger Naturschützer*innen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Trassenführung, dem Untersuchungsrahmen, der insbesondere Vogelschutzaspekte abbilden muss und Hinweisen für die konkrete Ausgestaltung der Trasse für spätere Planungsstufen.
Frühzeitiger Austausch zahlt sich aus
Zu Projektbeginn erfolgte eine Analyse von vorhandenen Unterlagen des Vorhabenantrags von 50Hertz und dem Umweltbericht der Bundesnetzagentur zum Bundesbedarfsplan. Da der Nordosten Deutschlands viele seltene Vogelarten beherbergt, galt ein besonderes Augenmerk auf der Darstellung von Verbreitungsschwerpunkten und dem Gefährdungspotential durch Freileitungen für bestimmte Vogelarten. Vorbereitend war ein weiterer Schwerpunkt die Suche und Benennung von Experten und Naturschutzvertretern in der Planungsregion. Auch durch die Teilnahme an Informationsveranstaltungen und der Antragskonferenz war dies möglich. Der NABU führte im September 2014 in Pasewalk und im April 2015 in Prenzlau Diskussionsveranstaltungen zur Trassenplanung durch, bei der auch durch Expertenbeiträge Fragen zum Lebensraum- und Vogelschutz beantwortet und diskutiert wurden. Zwei Exkursionen zu potentiellen Konfliktbereichen an der bestehenden Trasse wurden durchgeführt. Im Ergebnis des gemeinsamen Austauschs kann der NABU folgende wesentliche Hinweise für das Ausbauvorhaben geben:
- Vögel als durch Freileitungen besonders gefährdete und sehr mobile Artengruppe müssen bereits auf der Fachplanungsebene betrachtet werden. Besonders kollisionsgefährdete, nachgewiesene und in den angrenzenden Vogelschutzgebieten vorkommende Vogelarten wie Kranich, Rohrdommel, Großer Brachvogel oder Schreiadler müssen berücksichtigt werden.
- Gewässer als Lebensräume vieler kollisionsgefährdeter Vogelarten dürfen von der neuen Leitung nicht überspannt oder tangiert werden.
- Uneinheitliche und vor allem veraltete Daten zu Vogelvorkommen müssen durch Erhebungen ggf. aktualisiert werden.
- Die Verwendung von Einebenen-Masten erhöht die Sichtbarkeit der Leitungen für Vögel und entlastet durch die geringere Höhe das Landschaftsbild. Da mehr Masten gesetzt werden müssten, muss dies jedoch mit dem höheren Flächen- und Materialverbrauch abgewogen werden.
- Bewegliche Vogelschutzmarkierungen verringern das Kollisionsrisiko für Vögel besser als Spiralen. Eine kontrastreiche Färbung ist in beiden Fällen wirkungsvoll.
Die Hinweise des NABU fließen in die erforderliche Umweltprüfung ein. Folgende Belange wurden von 50Hertz in der Planung aufgegriffen bzw. für folgende Planfestellung angekündigt:
- Abstandsgewährung zu Brut- und Rastgewässern von Vögeln
- Prüfung verschiedener Masttypen
- Zusätzliche Korridoralternative zur östlichen Umgehung des Pasewalker Kirchenforsts
- Ökologisches Trassenmanagement und bestmögliche Bündelung in Waldbereichen
Die Zusammenarbeit mit dem Netzbetreiber verlief konstruktiv und offen. Neben den angekündigten Berücksichtigungen bleibt jedoch abzuwarten, welche Schlüsse daraus für die tatsächliche Trassenführung und weitere –ausgestaltung gezogen werden.
Ansprechpartner zum BESTGRID-Projekt ist:
Eric Neuling
Tel. 030-28 49 84-18 12
E-Mail Eric.Neuling@NABU.de
In einem zweiten BESTGRID-Piloten entwickelte der NABU Niedersachsen zusammen mit dem Netzbetreiber TenneT TSO Maßnahmen zur naturverträglichen Trassengestaltung im deutschen Mittelgebirgsraum am Beispiel der Gleichstromtrasse „SüdLink“.Informationen zu diesem Projekt finden Sie hier.
Weitere Informationen:
Viele größere Vogelarten verenden regelmäßig an Stromfreileitungen. Ein mit Unterstützung des NABU erarbeitetes Empfehlungspapier des Verbands der Elektrotechnik (VDE) gibt Hinweise zum besseren Vogelschutz und zur Leitungsmarkierung. Mehr →