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Jetzt informieren!„Fracking“ gehört ins Bundesberggesetz!
Interview mit Energieexperte Ulf Sieberg zum Wahlkampf-Topthema
Fracking – die Förderung von unkonventionellem Erdgas durch Hydraulic Fracturing – entwickelt sich gerade zu einem der der zentralen Themen der anstehenden Bundestagswahl. Was manche Politiker als die Lösung aller unserer Energieprobleme feiern, ruft bei Klima- und Naturschützern nur Kopfschütteln hervor. Denn zahlreiche Risiken der neuen Fördermethode sind noch völlig ungeklärt. Ungeachtet dessen wird vielerorts schon nach geeigneten Bohrstellen gesucht. Der NABU-Energieexperte Ulf Sieberg äußert sich im Interview zu den Inhalten und Positionen der aktuellen Debatte.
Wie umfangreich sind die Schiefergas-Vorkommen in Deutschland insgesamt einzuschätzen und welche davon eignen sich für die Förderung - beispielsweise durch Fracking?
Laut der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe schlummern zwischen 6,8 und 22,6 Billionen Kubikmeter Schiefergas in deutschen Böden. Die enorme Spanne ergibt sich aus unterschiedlichen Berechnungsmethoden. Davon technisch erschließbar sind aber nur maximal zehn Prozent, also zwischen 0,7 und 2,3 Billionen Kubikmeter. Aber auch diese Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen. Nicht alles was erschließbar ist, kann tatsächlich auch erschlossen werden. Gelangen die beim Fracking eingesetzten Chemikalien ins Grundwasser, macht dieses leider nicht vor Schutzgebietsgrenzen halt. Meint die Politik es ernst mit dem Schutz von Mensch und Natur, muss sie einen Schutzkreis um solche sensiblen Landschaften wie Wasserschutzgebiete, Nationalparke oder Naturschutzgebiete ziehen. Dann bleiben vom technisch erschließbaren Potenzial weniger als die genannten zehn Prozent übrig.
In den USA wird Fracking massiv betrieben. Es hat dort zu einem Anstieg der regionalen Förderung und zu sinkenden Energiepreisen geführt. Ist so ein Boom auch in Deutschland denkbar?
Die USA sind einer der größten Verschwender von Ressourcen und Energie weltweit und tragen überproportional zum CO2-Ausstoß bei. Eine solch gefräßige Raupe muss ihren Hunger durch immer neues „Futter“ stillen. Was liegt da näher, als sich das Futter direkt in der unmittelbaren Umgebung zu beschaffen, statt durch teure Zufuhr aus dem Ausland? Das geht in den USA aber vor allem deshalb, weil sie nicht so dicht besiedelt sind wie Deutschland und ihre Böden umpflügen wie einen Schweizer Käse.
Schenkt man einigen Politikern Glauben, kann uns Fracking trotzdem zu einer sichereren Energieversorgung und geringeren Energiepreisen verhelfen. Wie beurteilst du diese Sichtweise?
Die Energiepreise sind in den USA zwar für amerikanische im Gegensatz zu deutschen Unternehmen gesunken, entscheidend für Wettbewerbsvorteile sind laut der KfW-Bankengruppe aber die Produktionskosten. Und diese sind nach KfW-Berechnungen in Deutschland niedriger als in den USA. Zudem machen die Energiekosten im Durchschnitt nur zwei Prozent der Gesamtkosten der Unternehmen aus. Änderungen bei den Energiepreisen schlagen sich somit nur sehr schwach in den Produzentenpreisen und damit letztlich auch in den Verbraucherpreisen nieder. Wir müssen aber lernen, die Entwicklungen mittel- und langfristig zu betrachten. Der Schlüssel zu Versorgungssicherheit und Unabhängigkeit von anderen Ländern in der Energieversorgung führt über die Einsparung von Energie und deren effiziente Verwendung. Was wir nicht an Energie brauchen, müssen wir auch nicht bezahlen. Würden die Umweltschäden, die durch die Förderung fossiler Energieträger entstehen, in die Bilanz einbezogen, lägen die Kosten zudem um ein vielfaches höher. Letztlich zahlen die nachfolgenden Generationen die Rechnung, die wir heute aufmachen.
Aus diesem Grund darf in Europa nicht wie in den USA die bedingungslose Förderung von Schiefergas mit allen ihren Folgen für Mensch und Natur zu geringeren Erdgaspreisen führen. Dies sollte stattdessen über die Verknappung der CO2-Zertifikate aus dem Emissionshandel geschehen. In Erdgaskraftwerke wird heute deshalb nicht investiert, weil sie gegenüber Kohlekraftwerken zu teuer sind. Das hat besonders auch damit zu tun, dass zu viele Zertifikate im Handel sind und damit der Preis massiv gesunken ist. Investitionen in effizientere Technologien lohnen sich damit kaum für Unternehmen.
In der Fracking-Debatte wird häufig auch mit dem angeblich positiven Effekt auf die Energiewende und den Klimaschutz argumentiert. Wie ist diese Position einzuschätzen?
Erdgas weist gegenüber Braun- und Steinkohle sowie Öl die beste CO2-Bilanz der fossilen Energieträger auf und ist damit eine Brücke in das Zeitalter der erneuerbaren Energien. Als Brücke ist es aber eine Übergangstechnologie, die das Heben der Energieeffizienzpotenziale und den Ausbau erneuerbarer Energien nur ergänzt.
Die Regierungskoalition hatte sich Ende Februar auf einen gemeinsamen Gesetzesentwurf zum Thema Fracking geeinigt und diesen nach Protesten, vor allem aus der Bodensee-Region, nachgebessert. Nun ist er vollends gescheitert. Wie beurteilst Du die derzeitige Gesetzeslage?
Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat mit ihrem Eingeständnis, in dieser Legislaturperiode die geplanten Gesetzesänderungen des Wasserhaushaltsgesetzes und der Verordnung zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bergbaulicher Vorhaben zurückzunehmen und keine Anpassung an die Gefahrenlage vorzunehmen, bewiesen, dass sie die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger nicht ernst nimmt. Vor allem die FDP verbreitet weiter Goldgräberstimmung. Dabei sind die Fracking-Risiken überhaupt noch nicht untersucht. Erst 2012 hat das Umweltbundesamt ausführliche Gutachten vorgelegt, die zahlreiche Risiken und Fragen auflisten, welche zunächst geklärt werden müssten. Nach Vorstellung der Regierung hätten aber die geplanten Änderungen keine Verbesserung der Rechtslage gebracht. So wären alle bereits genehmigten Vorhaben von der Pflicht einer UVP auch weiterhin befreit gewesen. Eine „Verpressung“ der eingesetzten Chemikalien wäre danach an anderen Bohrlöchern ebenfalls möglich gewesen. So hätte Schwarz-Gelb mit den Änderungen nur Kosmetik betrieben.
Nach dem Scheitern der Regierung die Rechtslage anzupassen braucht Deutschland daher dringender denn je ein Moratorium, das Aufsuchung und Gewinnung solange unterbindet, bis klar ist, dass von der Anwendung der Technologie keine Gefahr für Mensch und Natur ausgeht. Eine Genehmigung setzt die Überprüfung jedes einzelnen Bohrvorhabens und die Unbedenklichkeit der zum Einsatz kommenden Verfahren voraus. Das Verbot von Fracking in Wasserschutzgebieten muss auf weitere sensible Bereiche wie Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiete ausgeweitet werden. Um diese Gebiete herum muss es weitere Schutzzonen geben, weil durch Bohrungen verursachte Verbindungen zwischen verschiedenen Erdschichten nicht ausgeschlossen werden können.
Wie sollte ein neuer Rechtsrahmen für die Förderung von unkonventionellem Erdgas stattdessen aussehen?
Die Entwürfe der Bundesregierung hätten auch deshalb zu kurz gegriffen, weil sie die dringend erforderliche Novellierung des Bundesberggesetzes ausklammert hätten. Stattdessen waren lediglich Änderungen am Wasserhaushaltsgesetz und der Verordnung der Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben geplant. Selbst hierauf konnten sich CDU/CSU und FDP nicht einigen. Das hätte zur Folge gehabt, dass in allen bereits für die Erkundung genehmigten Bohrlöchern auch ohne eine UVP eine Gewinnung hätte erfolgen dürfen. Auch hätten wissenschaftliche Vorhaben und die Verpressung der bei dem Verfahren zum Einsatz kommenden Fracking-Flüssigkeiten (Flowbacks) keiner UVP unterlegen. Und die Novelle der Bundesregierung hätte auch nicht vorgesehen, dass die Identität und die Menge der zum Einsatz kommenden Chemikalien im Rahmenbetriebsplan des Vorhabens klar dargelegt worden wären. Fracking muss aber mit allen seinen Risiken klar benannt werden. Die rechtliche Regelung zur Erschließung von Schiefergasvorkommen in Deutschland im Bundesberggesetz ist daher unausweichlich.