Solarpark Perleberg in Brandenburg - Screenshot: GeoBasis-DE/LGB, dl-de/by-2-0, Geoportal Berlin, dl-de/by-2-0 (Daten geändert), Europäische Union, enthält Copernicus Sentinel-2 Daten 2021, verarbeitet durch das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG)
Solarparks vogelfreundlich planen und gestalten
NABU-Studie zeigt Möglichkeiten auf
Photovoltaik-Freiflächenanlagen können beides: Klima- und Naturschutz. Denn werden PV-Freiflächenanlagen (PV-FFA) naturverträglich geplant und angelegt, können sie nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten, sondern auch wertvollen Lebensraum für zahlreiche Arten bieten. Der NABU hat in seiner Solarpark-Position gezeigt, welche Standorte infrage kommen und wie PV-FFA, auch als Solarparks bekannt, naturverträglich gestaltet werden können, damit sich Beeinträchtigungen vermeiden oder zumindest erheblich reduzieren lassen.
Doch viele Aspekte bedürfen einer genaueren Betrachtung. So sind die langfristigen Auswirkungen von PV-FFA auf die Vogelwelt noch nicht ausreichend untersucht. Der NABU hat daher eine Studie in Auftrag gegeben, die verschiedene PV-FFA in Deutschland genauer betrachtet, um Kriterien zur vogelfreundlichen Ausgestaltung und Planung von Solarparks zu bestimmen.
Aus dieser Studie lassen sich drei zentrale Thesen ableiten.
These 1: Die Umgebung der PV-FFA spielt eine übergeordnete Rolle.
Damit heimische Vögel die Flächen erfolgreich besiedeln, sollte bei der Planung und Ausgestaltung einer PV-FFA die Umgebung beachtet werden. Denn die Solarparkfläche, deren unmittelbare Umgebung und die weitere Landschaft stehen in Wechselwirkung. Sind beispielsweise die Umgebungshabitate für Vogelarten deutlich attraktiver als die Anlage, werden sie dort eher nicht siedeln. In strukturarmer Landschaft wiederum können Solarparks mit Strukturelementen entsprechender Größe, zum Beispiel mit Kleingewässern, Hecken, Blühstreifen, als Besiedlungskern und geschützter Raum fungieren. Dort fühlen sich Stockenten und Rebhühner wohl.
Allerdings werden sich in einer artenarmen Agrarlandschaft bestimmte Vogelarten erst zeitverzögert in Solarparks einstellen, wenn diese Vogelarten in der betreffenden Region ohnehin kaum noch vorkommen. Damit diese Arten einwandern können, sollte bei der Planung eines Standorts auf eine ausreichende Vernetzung der Habitate geachtet werden. Auch die Größe der Anlagen spielt eine Rolle: Bei kleineren PV-FFA kann die Umgebung den Vogelbestand innerhalb der Solaranlage vollständig bestimmen.
These 2: Die Vorgeschichte der bebauten Fläche spielt eine übergeordnete Rolle.
Die Vorgeschichte der Solarparkfläche kann bei der Besiedlung der Anlage durch Vögel eine wesentliche Rolle spielen. So sind standorttreue Vogelarten an den vorherrschenden Lebensraum und das Nahrungsangebot angepasst. Sind diese Eigenschaften nicht mehr auf der Solarparkfläche zu finden, werden trotz Standorttreue viele Arten abwandern. Die Tier- und Pflanzenwelt, die durch die vorherige Nutzung am Standort heimisch war, sollte sich daher auch auf der Fläche der PV-FFA wiederfinden und dafür gezielt gefördert werden.
These 3: Die Ausgestaltung des Solarparks spielt eine übergeordnete Rolle.
Die Ausgestaltung einer PV-FFA kann maßgeblich die Grundvoraussetzungen für Lebensräume verschiedener Vogelarten schaffen. Doch welche der zahlreichen Gestaltungsmöglichkeiten sollten umgesetzt werden? Das ist davon abhängig, welcher Vogelart die Maßnahmen zugutekommen sollen. Hier sollten auch Umgebung und Vorgeschichte der Fläche beachtet werden. Für Offenlandarten können hohe Flächenanteile, die nicht mit Modulen überschirmt sind (mindestens 60 Prozent) sowie weite Abstände zwischen den PV-Modulreihen (mindestens drei Meter) im Solarpark gute Bedingungen liefern. Habitatelemente wie Blühstreifen, Steinhaufen, Hecken sowie Offenstellen als Sandbadeplätze und Nahrungshabitate können die Attraktivität von PV-FFA für bestimmte Vogelarten steigern. Es können außerdem für Höhlenbrüter oder Nischenbrüter problemlos Nistkästen an Trafohäuschen und Modultischen angebracht werden, zum Beispiel für den Gartenrotschwanz.
Durch regionales Wildpflanzen-Saatgut und ein auf die Förderung bestimmter Arten ausgerichtetes Flächenmanagement können bestimmte Bedingungen wie Nahrungsangebot, und Habitateigenschaften geschaffen werden. Bei der extensiven Grünflächenpflege von PV-FFA müssen Vegetationsstruktur, Nährstoffhaushalt und die Brutzeiten bodenbrütender Vogelarten berücksichtigt werden, damit sich das ganze Potential für die Diversität auf den Flächen entfalten kann. Durch angebrachte Insektenhotels stehen insektenfressenden Vogelarten mehr Nahrung zur Verfügung - und auch die Pflanzen profitieren von den Bestäubern.
Beispiel I: Photovoltaik-Freichflächenanlage Perleberg
Die PV-Anlage Perleberg wurde 2012 errichtet. Der Solarpark umfasst eine 90 Hektar großen Fläche auf dem Gelände des ehemaligen Militärflugplatzes Perleberg im Nordwesten Brandenburgs.
Umgebung
Die PV-FFA befindet sich etwa 2,5 km südwestlich von Perleberg und westlich der Bundesstraße 189. Der Solarpark ist umgeben von intensiver Landwirtschaft und vom Grünland des teilweise noch für Freizeitaktivitäten genutzten Flugplatzes.
Ausgestaltung
Um Lebensraum zu erhalten, wurden bei dieser PV-FFA zahlreiche Maßnahmen getroffen. Neben Grünfenstern im Bereich der Solarmodule (29 mindestens 30 Meter mal 30 Meter große Flächen ohne Solarmodule = ‘Lerchenfenster’) wurden auch externe Kompensationsmaßnahmen westlich des Solarparks getroffen: Eine etwa 15 Hektar große Grünlandfläche wurde als Lebensraum für den Wiesenpieper extensiv bewirtschaftet und auf mehreren Ackerflächen im Umfeld Lerchenfenster angelegt. Mit einem Mahdkonzept (Schnitthöhen von mindestens 10 cm, Abtransport des Schnittgutes, kein Einsatz von Düngern oder Pflanzenschutzmitteln, Verzicht auf Einsaat) in der Anlage und auf den externen Kompensationsflächen wird auf die Lebensraumbedürfnisse der Arten eingegangen.
Entwicklung des Vogelbestandes
Während der Vorbereitung für die neue Anlage wurden Bestandserhebungen zur Fauna durchgeführt. Im ersten und zweiten Jahr nach Fertigstellung der PV-FFA fand wiederum ein Monitoring statt. Sowohl bei Feldlerche als auch bei Braun- und Schwarzkehlchen erhöhte sich die Anzahl der Reviere. Diese Arten wurden auch zwischen den Modulen beobachtet.
Die Feldlerchen hatte ihre Reviermittelpunkte nicht nur im Bereich der Grünfenster und der randlichen Solarparkflächen, sondern auch auf Flächen zwischen den Modulreihen. Außerdem nutzten sie die Modultische regelmäßig als Sitz- und Singwarte. Die Revierzahlen von Grauammer, Wiesenpieper und Neuntöter nahmen zunächst ab, stabilisierten sich dann aber auf den Ausgangszustand nach zwei Jahren Solarparkbetrieb. Die vorherigen Revierzahlen von Rebhuhn und Wachtel veränderten sich nicht.
Annahme
Die erfolgreiche Besiedlung der Flächen zwischen den Modulreihen ist wahrscheinlich ein Resultat der Ausgestaltung des Solarparks, insbesondere des weiten Reihenabstands der Modultische von circa vier Metern und des extensiven Bewirtschaftungkonzepts. Für Grauammer und Wiesenpieper musste sich womöglich erst eine dichtere Vegetation entwickeln.
Beispiel II: Kaiserslauterner City-Solarpark Hölzengraben
Die PV-FFA „City-Solarpark Hölzengraben“ in Kaiserslautern, Rheinland-Pfalz, wurde 2013 gebaut und in Betrieb genommen. Mit einer Fläche von etwa 8,5 Hektar ist sie eher kleindimensioniert.
Umgebung
Die Freiflächenanlage grenzt im Süden direkt an das Gewerbegebiet Adam-Hoffmann-Straße in Kaiserslautern. Im Norden der PV-FFA befindet sich in unmittelbarer Nähe die Autobahn A6 mit einem Ost-West Verlauf. Die weitere Umgebung ist geprägt von intensiv genutzter Landwirtschaft.
Vorgeschichte
Das Gelände der Anlage wurde ehemals als Hausmülldeponie genutzt. In den vergangenen Jahrzehnten fand jedoch keine Nutzung statt. Ohne Pestizid-Eintrag und Mahd konnten sich die Fläche relativ ungestört entwickeln. Durch die ungestörte Sukzession und die Lagerung von Materialien war das Gelände reich an Strukturen wie Pflastersteinhaufen, Granit- und Sandsteinblöcken und Gehölzen.
Ausgestaltung
Um diese Habitate teilweise zu bewahren, wurde ein Bereich mittig der PV-FFA und randlichen Gehölzbereichen als Struktur mit niedrigen Gebüschen von der Bebauung ausgespart. Die Reihenabstände der Solarpanele sind aufgrund einer geringen gegenseitigen Verschattung durch die Ost-West-Ausrichtung sehr gering, etwa ein Meter.
Entwicklung des Vogel-Bestandes
Faunistische Erhebungen vor dem Eingriff wurden mit Monitoring-Daten in den Jahren 2014 und 2015 verglichen. Vor dem Bau der Anlage wurden zehn überwiegend ungefährdete Brutvogelarten auf dem Gelände nachgewiesen. Darunter wurde jedoch die Goldammer mit ein bis zwei Brutpaaren erfasst und die Bachstelze mit Brutverdacht nach der Maßnahme.
Die Feldlerche als Rote-Liste-Art mit bundesweiter Gefährdung konnte nur auf angrenzenden Ackerflächen als Brutvogel nachgewiesen werden. Zur Nahrungssuche wurden Hausrotschwanz und Bachstelze auch unter den Paneelen, aber meist in den insektenreicheren randlichen Gehölzen festgestellt. Die Anzahl der Brutreviere im Solarparkgebiet verringerte sich in den ersten zwei Jahren nach dem Bau der Anlage teilweise deutlich.
Vermutung
Umgeben von Industriegebiet und Autobahn befindet sich die Anlage in einer relativ isolierten Lage mit wenig Vernetzung zu ähnlichen und ungestörten, ökologisch hochwertigen Habitaten. Durch Wahl dieses Standortes waren gefährdete Arten vom Bau der PV-Anlage nicht beziehungsweise kaum betroffen. Dennoch entfällt durch den Bau der PV-FFA ein wichtiges Habitat, das durch die Umgebung nicht ersetzt werden kann. Auch die kleinen Reihenabstände von etwa einem Meter zwischen den Modulen führen zu einem starken Lebensraumverlust. Die Strukturelemente in der Anlage sind für die Vogelwelt kein ausreichender Ausgleich, um den Verlust der Fläche als Lebensraum zu kompensieren. Die Ausgestaltung ist in diesem Fall suboptimal.
Grundsätzlich ist eine Besiedlung von Solarparks auf Grundlage der genannten Fallbeispiele für die Brutvogelarten Feldlerche, Braunkehlchen, Schwarzkehlchen, Wiesenpieper, Grauammer, Neuntöter und Rebhuhn möglich. Die für die Studie erfolgte Literaturstudie stellt das Nutzungspotenzial von Solarparks als Bruthabitate auch für Steinschmätzer, Heidelerche, Schafstelze, Bachstelze und Goldammer dar.
Um künftig auch die ökologischen Potentiale von Solarparks voll auszuschöpfen und um bundesweit einheitliche Standards zu etablieren, bedarf es eines bundesweiten Solarenergiegesetzes (SEG), das klare Rahmenbedingungen zu Planung, Bau, Betrieb und Pflege von Solaranlagen festlegt und alle Bundesländer in die Pflicht nimmt.
Hierfür fordert der NABU gemeinsam mit anderen Umweltverbänden:
- Einen bundesweiten Kriterienkatalog für die naturverträgliche Standortauswahl von Photovoltaik-Freiflächenanlagen
- Bundesweit geltende (Mindest-)Kriterien für Bau, Betrieb und Pflege von PV-FFA
- Einheitliche Vorgaben für Bestandserfassungen und Wirkungskontrollen
- Eine Stärkung von Kommunen und lokalen Akteur*innen bei der Planung von PV-FFA
Um die oben genannten Thesen zu bestätigen beziehungsweise zu konkretisieren, müssen Wissenslücken zu den ökologischen Auswirkungen von Solarparks schnell geschlossen werden. Wichtig sind weitere, umfassende Auswertungen etwa zum Meideverhalten durch die vertikalen Strukturen von PV-FFA von u.a. wiesenbrütenden Limikolen. Auch der Vergleich von weiten Modulreihenabständen mit eng gestellten Modulen neben größeren extensivierten und ggf. vernässten Grünlandflächen als Ausgleich für den Lebensraumverlust im Solarpark sollte zu den konkreten Forschungsfragen gehören.
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